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von PierrotLeFou

Vor 100 Jahren: Teuflische Geschichte(n)

Stichwörter: 1920er Dänemark Drama Dreyer Episodenfilm Historienfilm Jubiläum Klassiker Phantastik Spielfilm

Blade af Satans Bog (1920)

Mit "Præsidenten" (1919) hatte Carl Theodor Dreyer gerade erst sein Regiedebüt gegeben, nachdem er zuvor seit 1912 mindestens 40 Drehbücher geschrieben hatte, von denen über 20 auch verfilmt worden waren. Im Anschluss drehte er dann zwei weitere Filme, die in rascher Folge in die dänischen Kinos gelangten: "Blade af Satans Bog" (1920) drehte Dreyer, als der schon 1918 fertiggestellte "Præsidenten" in Dänemark noch nicht zu sehen gewesen war – erst im Februar 1920 gelangte sein Erstling auch in Dänemark in die Kinos, nachdem er zwölf Monate zuvor schon in schwedischen Kinos zu sehen war. "Blade af Satans Bog", den Dreyer schon ab Frühjahr 1918 zu schreiben begonnen und Ende 1919 abgedreht hatte, kam dann am 15. November 1920 in Dänemarks Kinos, gefolgt von seinem dritten Film "Prästänkan" (1920), der im April 1921 in seiner Heimat zu sehen war, aber als schwedische Produktion schon im Oktober 1920 in Schweden anlief.
Diese wichtige Rolle Schwedens zu Beginn von Dreyers Regiekarriere spielt zwar später keine ganz große Rolle mehr, war aber insofern wegweisend, als Dreyer fortan zunächst eher als internationaler, weniger als dänischer Filmemacher in Erscheinung trat: War "Prästänkan" nach seinen ersten zwei dänischen Filmen eine schwedische Produktion, so folgte mit "Die Gezeichneten" (1921) eine deutsche, mit "Der var engang" (1922) eine dänische, mit "Michael" (1924) wieder eine deutsche, mit "Du skal ære din hustru" (1925) neuerlich eine dänische, mit "Glomdalsbruden" eine norwegisch-schwedische, mit "La passion de Jeanne d'Arc" (1928) eine französische und mit dem ersten Tonfilm "Vampyr" (1932) eine deutsch-französische Produktion. David Bordwell sah in den wechselnden Produktionsländern und den noch stärker wechselnden Produktionsstudios eine relative finanzielle Unsicherheit, mit der aber zugleich große künstlerische Freiheit einherging. Der künstlerische Anspruch, der von dieser Freiheit profitiert, zeigte sich in "Blade af Satans Bog" (1920) wie schon im Debütfilm Dreyers in der Struktur des Films: In beiden Werken erwies sich Dreyer als Regisseur mit intensiver Drehbuchautoren-Vergangenheit. "Blade af Satans Bog" orientierte sich deutlich an der ambitionierten Struktur von D. W. Griffith' "Intolerance" (1916), wie es ungefähr zeitgleich auch Murnaus weitestgehend verlorengegangener "Satanas" (1920) tat, der ebenfalls teuflisches Wirken für Ungerechtigkeiten und gravierende Katastrophen in der Menschheitsgeschichte verantwortlich machte. Bei Dreyer schleicht Satan durchs Jerusalem zur Zeit Jesu Christi, agiert während der spanischen Inquisition oder der französischen Revolution und ist auch zur damals noch jungen Russischen Revolution bzw. bei deren Folgewirkungen in Finnland mit dabei. Zwar verzichtet Dreyer auf die komplexe Verzahnung der unterschiedlichen Zeitalter und siedelt eher große Blöcke inmitten einer Rahmenhandlung an, der Einfluss Griffith' darf aber keinesfalls geringschätzt werden.
Das Satanische in diesem Film hat indes bloß wenig mit den übernatürlichen Elementen in Dreyers späterem Horrorfilm "Vampyr" gemein und besitzt eher allegorische Züge, mit denen Dreyer Verrat und Egoismen, aber auch Fanatismen und Dogmen vorführt, wie er es u. a. auch in "La passion de Jeanne d'Arc", "Vredens dag" (1943) oder "Ordet" noch tun sollte.
Empfehlenswert ist die DVD vom Danske Filminstitut: Fassungseintrag von Mr.Slut


Kommentare und Diskussionen

  1. PierrotLeFou sagt:

    Ein halbwegs teuflischer Bonustitel zur heutigen Walpurgisnacht (auch wenn sie in diesem Jahr ein bisschen ins Wasser fällt)… 😉

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