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Guillermo Del Toro sagt über seinen Film, er habe ein Märchen für Erwachsene machen wollen. Ein Märchen für Erwachsene. Und dennoch hat dieser Film weniger mit den Gebrüdern Grimm gemeinsam, als man vermuten möchte; obwohl ständig Fabelwesen wie Feen, Pane oder auch Prinzessinnen vorkommen. Auch durch die irritierende Covergestaltung und die am Ziel vorbei schießende Vermarktung des Filmes, welche eher auf eine Art „Harry Potter“ oder „Herr der Ringe“ schließen ließ, wird man nach dem Sehen des Filmes vermutlich ernüchtert werden, denn „Pans Labyrinth“ ist im Endeffekt eher ein Kriegs-Drama, angereichert mit fantastischen Elementen, als es umgekehrt der Fall ist. Doch wird auch diese Charakteristik dem Film in keinster Weise gerecht, denn es verbirgt sich so viel mehr hinter der Bilderpracht, die Del Toro hier auf den Zuschauer niederprasseln lässt. Bedeutungsschwangere Szenen, eine unvergleichlich märchenhafte Symbolik, welche sich in fast jeder Szene wieder finden lässt, und eine geradezu fantastischer Durchbruch der harten Realität zu einer wunderbaren, aber auch abscheulichen Traumwelt, machen den Film zu einem Unikum.

Del Toro erzählt die Geschichte der kleinen Ofelia (Ivana Baquero), welche, zwei Jahre nach dem Ende des spanischen Bürgerkrieges, mit ihrer schwangeren Mutter zu deren neuem Mann zieht; dem sadistischen Faschisten Vidal (Sergi Lopez). Von nun an ist das kleine Mädchen umgeben von Tod und Angst und baut sich eine Art Ersatzrealität auf, eine Traumwelt, welche von zauberhaften Fabelwesen nur so wimmelt. Dort begegnet sie auch dem mysteriösen Pan, welcher ihr drei Aufgaben stellt, die sie bis zum nächsten Vollmond zu erledigen hat, damit sie in der Welt der Fabelwesen leben darf. Ofelia riskiert von nun an ihr Leben, um sich endlich von der grausamen Menschheit loszulösen, um in ihre eigene Welt zu entfliehen. Doch die letzte Aufgabe soll Ofelias Leben komplett verändern…

Guillermo Del Toro („Blade 2“) zeigt mit diesem Film, dass er weitaus mehr kann, als nur Horrorfilme oder Actioner zu drehen. Er präsentiert mit „Pans Labyrinth“ seinen bisher stärksten und reifsten Film; und zugleich eine ergreifende Parabel auf die Hoffnung, die Träume und die Unschuld, welche von der kleinen Ofelia ausgeht.
Ofelia, erstaunlich feinfühlig dargestellt von der 13-Jährigen Ivana Baquero, ist dabei Haupt- und Angelpunkt der Handlung. Sie ist komplett gefangen in der Welt der Märchen, in denen es von Feen und Prinzessinnen nur so wimmelt. In Anbetracht der grausamen Realität verschwimmen für sie die Grenzen des Fiktiven mit der Wahrheit von mal zu mal. Del Toro schreckt dabei auch nicht vor sehr brutalen und blutrünstigen Szenen zurück, welche völlig unerwartet und äußerst explizit gezeigt werden. So zerschmettert der Hauptmann in einer Szene mit einer Flasche das Gesicht eines armen Bauern, oder wir werden Zeugen von Folterungen, Verstümmelungen und einer äußerst blutigen Geburt. Wer jetzt aufschreckt, dem sei gesagt, dass auch Grimmsche Märchen von Gewalt durchzogen waren und die Grausamkeiten ebenso wie bei diesem Film fester Bestandteil der Geschichten sind und niemals dem Selbstzweck verfallen. Und nochmals: Für Kinder ist der Film definitiv nicht geeignet.
Doch auch in Ofelias Traumwelt spiegelt sich dieser Aspekt wider. So begegnet sie dort dem Kinder fressenden Pale Man, welcher durch die Habgier des kleinen Mädchens zum Leben erweckt wird, und seine Augen in den Händen trägt. Eine wahrlich schaurige Szene, welche einmal mehr deutlich macht, dass Ofelia selbst in ihrer Traumwelt stets von Gewalt und Ängsten umgeben ist, denen sie sich stellen muss.

Del Toro beweist hier erstmals seinen Feinsinn für das sensible Geschichtenerzählen und präsentiert überzeichnete, aber nichtsdestotrotz äußerst glaubwürdige und greifbare Charaktere, welche sich komplett in die magische Geschichte einverleiben. Dazu tragen auch die durchweg sehr guten Schauspielleistungen bei.
Aber auch sein Gespür für das Visuelle stellt Del Toro hier einmal mehr unter Beweis. Nicht umsonst wurden die Ausstattung, das Make-Up und die wunderbare Kameraarbeit von Guillermo Navarro (Hellboy) jeweils mit einem Oscar ausgezeichnet. Trotz des Themas und der märchenhaften Inszenierung lässt sich immer wieder der markante Stil Del Toros in der Inszenierung festmachen. Seien es nun die Kamerafahrten, oder die schaurig-schönen Kreaturen und die Detailversessenheit, die seine Filmografien durchziehen; alles lässt sich auch in „Pans Labyrinth“ wieder finden. DAS ist Guillermo Del Toros Film!

„Pans Labyrinth“ ist ein schwieriges, aber nichtsdestotrotz fantastisches Erlebnis. Das heißt nicht, dass er jedem gefallen wird. Vor allem das Mainstream-Publikum wird dem Film nicht viel abgewinnen können, denn leichte Kost ist Del Toros beeindruckendes Horror-Märchen beileibe nicht. Und dennoch: Wer sich wieder einmal an die grausamen Märchen alter Kindheitstage erinnert fühlen, oder einfach nur einem magischen und selten gewordenem Filmerlebnis beiwohnen möchte, dem sei „Pans Labyrinth“ wärmstens empfohlen.

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