"Overboard" gehört inzwischen zu den Komödien-Dauerbrennern, die trotz ständiger Wiederholungen im Fernsehen ihren Unterhaltungswert nicht verloren haben und die sich in den gängigen Bewertungshierarchien eines gehobenen Status erfreuen. Dabei übersieht man schnell, dass der Film nur mit einer wirklich überzeugenden Konstellation aufwarten kann - den beiden Hauptdarstellern Goldie Hawn und Kurt Russell.
Den Beiden ,die damals schon privat ein Paar bildeten, wurde diese Story regelrecht auf den Leib geschrieben, indem man einerseits die äußerst stimmige "Chemie" zwischen ihnen nutzte und andererseits auf typische Rollenmuster zurückgriff. So hatte Goldie Hawn 1980 in "Schütze Benjamin", wo ihr die Flausen in der Armee ausgetrieben wurden , die verwöhnte Zicke, die ihr Leben ändert, gegeben und damit einen grossen, auch kritikerseits anerkannten Erfolg erzielt. Und Kurt Russel bleibt in "Overboard" seinem virilen, unangepassten Charakter treu, auch wenn er hier als vierfacher Vater auftritt und sich scheinbar bürgerlich gibt.
Interessanterweise wurde "Overboard" im Jahr 1987 keineswegs euphorisch aufgenommen und die Story wurde angemessen kritisch als konstruiert, kitschig und klischeehaft überzogen betrachtet und stand damit in der Wertung deutlich unter älteren Filmen wie dem zuvor schon erwähnten "Schütze Benjamin". Erst durch die vielfachen TV-Wiederholungen erarbeitete sich "Overboard" seinen heutigen Stellenwert und an diesem Beispiel lässt sich schön ermessen, wie sich die Bewertungskriterien in 20 Jahren verändern.
Im Gegensatz zu dem verlogenen, pseudo-intellektuellen "Schütze Benjamin" verleugnet "Overboard" seinen märchenhaften, ganz bewusst Klischees bedienenden Charakter keine Sekunde. Goldie Hawn spielt die reiche und verwöhnte Zicke Joanna Stayton auf der Luxus-Yacht mit einer solchen Freude am Chargieren, dass Niemand auf die Idee kommt, hier würde irgendein ernsthaft kritscher Blick auf snobistische Gepflogenheiten geworfen. Ebenso wirkt Kurt Russel als ständig Muskeln zeigender Tischler Dean Proffitt mit seiner Vokuhila-Matte sowohl kräftig männlich ,als auch furchtbar naiv, so dass es nicht erstaunt, dass er der Lady auf den Leim geht und anstatt Geld für den neuen Schrank zu bekommen, ohne Werkzeug im Wasser landet.
Nicht erstaunlich, dass er da Rachegelüste hegt und die Chance für die Umsetzung dieser Gefühle nutzt, als er die schwerreiche Frau plötzlich mit Gedächtnisverlust im Fernsehen sieht. Kurzerhand entschliesst er sich, sie als eigene Frau Annie auszugeben und sie in seinen Chaos-Haushalt mit vier renitenten Söhnen mitzunehmen, wo sie das Leben mal von einer ganz anderen Seite kennenlernt. Allein das Stilmittel der "Amnesie", dass hier verwendet wird, verdeutlicht schon die Schwäche der Story, denn nur so gelingt es hier den "Dreh" in eine andere Richtung zu erzeugen. Allein schon die Erklärung, dass der Gedächtnisverlust durch den Fall "über Bord" in das kalte Wasser erzeugt wurde, ist an Konstruiertheit schwer zu überbieten. Dazu gehört auch, dass ihr rechtmäßiger Ehemann mit dem schönen Namen Grant Stayton III (Edward Herrmann) zuerst den Verlust seiner Frau gar nicht mitbekommt und sie dann auch noch im Stich lässt, als er ebenfalls in den Nachrichten die Meldung von der "Frau mit Gedächtnisverlust" zu Sehen bekommt. Er überlässt sie ihrem Schicksal und feiert lieber Orgien auf seiner Luxus-Yacht.
Schon hier ist die Zielrichtung klar, die allein durch die Besetzung der Hauptrollen signalisiert wurde. Während Goldie Hawn in einen Veränderungsprozess eintritt, werden ihre bisherigen Beziehungen als so oberflächlich und asozial gekennzeichnet, dass es nicht einmal dem konservativsten Zuschauer auffällt, dass hier ohne moralische Einwände dem Ehebruch Vorschub geleistet wird. Parallel verhält sich Kurt Russel natürlich super anständig, indem er Goldie Hawn zwar ständig ihre schöne Vergangenheit als Ehepaar vorlügt und von ihr selbstverständlich ihre haushälterischen Pflichten einfordert, aber sie sexuell nicht im Geringsten belästigt.
Für die Entdeckung wahrer Gefühle zwischen den Beiden lässt sich der Film angemessen Zeit, wobei es auch behilflich ist, dass es Wochen dauert, bis sich Goldies mondäne Mutter (Katherine Helmond) nicht mehr damit vertrösten lässt, dass ihre Tochter immer abwesend ist, wenn sie anruft. "Overboard" verzichtet auf kein konstruiertes Klischee, um seine Story wie geplant durchzuziehen. Dabei macht es auch gar nichts, dass sich viele Dinge regelrecht widersprechen. So ist es bei einer solchen paranoiden und in ihrer gehobenen Position ständig misstraurischen Mutter kaum vorstellbar, dass sie zwei Monate wartet, bis sie nach ihrer Tochter sehen lässt.
Auch die Schuldirektorin lässt sich von der inzwischen für ihre scheinbaren Kinder engagierten Annie Profitt die Leviten lesen, nachdem wir zuvor eine Szene sahen, in der sich Kurt Russel mit seinen Allein-Erziehungsmethoden vor der Direktorin verteidigte und von dieser verwarnt wurde. Woher plötzlich die Mutter wiedergekommen ist, obwohl sicherlich schon bei der Schulanmeldung angegeben wurde, dass die Jungs Halbwaisen sind, wird nicht erklärt - hauptsache die arrogante Direktorin wird schön zurechtgestutzt.
Genauso ist es wenig glaubwürdig, dass vier zum Teil noch recht kleine Jungs ihre erst drei Jahre zuvor verstorbene Mutter mit keinem Wort erwähnen und Papas Lügengebilde über Wochen geradezu perfekt mittragen - vor allem, wenn man bedenkt, dass Goldie Hawn zu Beginn ihres Crash-Kurses als Mutter völlig versagt und weder zu innigen Gefühlen in der Lage ist, noch überhaupt kochen kann. Normalerweise ist es für Kinder schon unmöglich, eine neue Stiefmutter als "Mutter" zu bezeichnen, geschweige dieser auch noch den selben Vornamen zu geben - offensichtlich ist der Film an psychologischen Feinheiten nicht interessiert.
An diesen Konstellationen erkennt man außerdem die totale Vergangenheitsleugnung des Films, der ein Leben schildert, dass offenbar erst mit dem Gedächtnisverlust beginnt - auf der einen Seite werden die Ehe und gesellschaftlichen Verbindungen der reichen Erbin ignoriert, auf der anderen Seite scheinen Russel und seine Jungs auch keine Erinnerungen an frühere Zeiten mehr zu haben. So fälscht Russell zwar ein paar Erinnerungsfotos, um Hawn zu täuschen, aber scheinbar musste er keine Erinnerungsstücke oder Fotos von seiner früheren Frau verstecken, die er im gesamten Film auch mit keinem Wort (außer das sie gestorben ist) erwähnt. Bei genauerer Betrachtung erkennt man hinter dem temperamentvollen und emotionalen Spiel der beiden Protagonisten eine konstruierte Gefühlskälte.
Trotzdem - oder gerade deswegen - funktioniert der Film, denn Russels und Hawns überzeugendes Spiel lassen die ganzen Drehbuchschwächen vergessen und man lässt sich auf das vordergründig vergnügliche Spiel ein. Das liegt auch daran, dass beide so lässig die konstruierten Wendungen überspielen, dass es nie unangenehm oder aufgesetzt wirkt. Dazu bedient die Story nun einmal beliebte Klischees, denn wer freut sich nicht, wenn es einer bornierten Schuldirektorin und irgendwelchen reichen Schnöseln mal so richtig gezeigt wird.
Fazit : "Overboard" ist ein Film für die ganze Familie, der gandenlos konstruriert ist und trotzdem unterhalten kann. Konsequent wird auf jedes Konfliktpotential verzichtet, gefühlsmässige Verwirrungen oder gar zwiespältige Gefühle werden einfach weggelassen. Denn für die Emotionen sind hier die Hauptdarsteller zuständig, denen man die gegenseitige Begeisterung jederzeit abnimmt ,so dass man es als Zuschauer nur für logisch hält, dass vier minderjährige Jungs Goldie Hawn auch als ihre Mutter anerkennen.
Dank seiner gut konsumierbaren Oberfläche ist "Overboard" sicherlich kein Ärgernis, aber die Drehbuchschwächen verdeutlichen die vordergründige Zielsetzung der Macher, die dank der Hauptdarsteller zumindest teilweise aufgeht.(5,5/10).