Wilder Westen, harte Kerle
Sergio Leone zeichnet ein rauhes, weitgehend unromantisches Bild vom Wilden Westen und läßt Eastwood mit maximaler Verkniffenheit in die Kamera schauen.
Leone macht aus dem Spaghetti-Western ein ernsthaftes Genre
Der Begriff „Spaghetti-Western“ kennzeichnete ein wenig abschätzig Western, die aus Italien kamen, über ein geringes Budget verfügten und in denen entweder unbekannte Darsteller mitwirkten, oder ehemalige Hollywoodstars, deren Karriere schon lange hinüber war. Diese
Filme galten als Schund, vergleichbar mit einer „B“-Kategorisierung, die Filme als minderwertig einstuft. Sergio Leone durchbrach mit seinen Filmen diese Grenze. Für ihn war der Begriff „Spaghetti-Western“ auch keine Beleidigung, sondern nur ein Hinweis auf das Herstellungsland.
Nachdem Leone „Für eine Handvoll Dollar“ und „Für ein paar Dollar mehr“ für geringes Budget inszeniert hatte und mit diesen Western beachtliche Erfolge feiern konnte, erhielt er die Möglichkeit „Zwei glorreiche Halunken“ (OT: „The good, the bad and the ugly“) mit einem größeren Budget zu drehen. Dabei griff er auf den Hauptdarsteller der „Dollar“-Filme Clint Eastwood als stummen Scharfschützen zurück und machte aus den vormals belächelten „Spaghetti-Western“ großes Kino. Dabei war „Zwei glorreiche Halunken“ stilbildend und mit dafür verantwortlich, dass dem klassischen amerikanischen Western der Rang abgelaufen wurde.
Kunstvolle Inszenierung
Dies liegt vor allem an der sorgsamen und aufwendigen Inszenierung, die Leone für seine Filme wählte. Geradezu vorbildlich für das gesamte aufblühende Genre waren die einzigartige Kameraführung und Montagetechnik, die Leone für seine Westernepen wählte: Der stete Wechsel zwischen optischen Extremen. So folgten oft extreme Nahaufnahmen der Protagonisten, die vor allem die Augen in den Mittelpunkt stellten, extrem entfernten Landschaftsaufnahmen, in denen die Darsteller nur als kleine Punkte auf der Leinwand wahrzunehmen waren. Gerade Leone nutzte so die Möglichkeiten des Cinemascope-Formats voll und effektiv aus. Zudem erschafft Leone elegische und schwelgerische Bilder. Zeit spielt in den Filmen des Regisseurs nicht wirklich eine Rolle. So wird teilweise minutenlang nichts gesagt, oder einfache Handlungen dehnen sich scheinbar unendlich. Die folgende Action wirkt dadurch viel intensiver.
Klassische Besetzung
Clint Eastwood gibt den Prototypen des stillen Scharfschützen („the good“) im Wilden Westen. Sein Spiel ist extrem reduziert. Keine überflüssige Gefühlsregung will ihm über das Gesicht entfleuchen. Beinahe immer hat er ein Zigarillo im Mundwinkel und zusammengekniffene Augen. Dass sein Charakter nicht überzogen wirkt, ist dem Spiel und der Präsenz Eastwoods zu verdanken. Neben ihm (als „the ugly“) spielt Eli Wallach einen leicht verrückten Sidekick, der im Gegensatz zu Eastwood viel expressiver spielt. Gerade die Szenen, in denen beide zusammen auf der Leinwand zu sehen sind, leben von diesem Kontrast. Dritter titelgebender Protagonist im Bunde ist Lee van Cleef („the bad“), der eine sehr diabolische und undurchsichtige Leistung abliefert. Er ist ein wahrhaft würdiger Gegenspieler Eastwoods.
Bevor Leone den Western revolutionierte handelten sie von strahlenden Helden (z.B. von John Wayne verkörpert), die sich gegen übermächtige Gegner (gerne Indianer) zur Wehr setzten und sich dabei noch nicht einmal schmutzig machten. Leone zeigt einen dreckigeren (und wohl auch realistischeren) Wilden Westen. In „Zwei glorreiche Halunken“ ist es schwierig einen Helden auszumachen. Selbst „der Gute“, Clint Eastwoods Figur, ist weit von einem strahlenden Helden entfernt, sondern auch nur ein Gauner. Die anderen Protagonisten sind nur noch schlimmer. Insofern wurde das Bild des Wilden Westens nicht mehr romantisiert, sondern vielmehr desillusionierend dargestellt.
Komplexe Story
Für einen Western hat „Zwei glorreiche Halunken“ eine überaus komplexe Erzählstruktur. Es ist interessant, wie Leone die zwei Handlungsstränge weiterspinnt, sie verknüpft und schließlich aufeinandertreffen lässt. So schafft er es trotz der beschriebenen gemächlichen Inszenierung und der daraus resultierenden langen Laufzeit des Films, den Zuschauer durch eine interessante Story, die immer wieder nette Drehbucheinfälle aufweist, bei der Stange zu halten.
Was „Zwei glorreiche Halunken“ zudem unverwechselbar macht, ist die Filmmusik von Ennio Morricone, dem Haus- und Hofkomponisten von Leone. Gerade die Titelmelodie ist ein großer Hit und aus der Populärkultur nicht mehr wegzudenken. Doch auch abseits des main themes sorgt Morricones Filmmusik für eine einzigartige Atmosphäre, die ihresgleichen sucht und mit dem Nachfolgewerk von Leone und Morricone „Spiel mir das Lied vom Tod“ auf die Spitze getrieben wurde.
„Zwei glorreiche Halunken“ ist ganz großes Kino, keine Frage. Und zudem einer der besten Western, die je gedreht wurden. Leone hat nach den Altmeistern Howard Hawks und John Ford das eigentlich totgeglaubte Genre revitalisiert und revolutioniert. Zudem ist er wohl für die Karriere von Clint Eastwood verantwortlich. Wer weiß, wer statt ihm den „Dirty Harry“ gegeben hätte...
Fazit:
10 / 10
Originalreview unter:
Kinetoskop.de