Guillermo Del Toro, Regisseur, Produzent und Drehbuchautor, machte in letzter Zeit vor allem durch seinen Film „Pan´s Labyrinth“ von sich Reden. Die Geschichte eines kleinen Mädchens, welche, durch die traumatischen Ereignisse zu Zeiten des Bürgerkrieges in Spanien getrieben, in eine Fantasiewelt flüchtet. In diesem Film offenbart Del Toro sein Talent, eine perfekte Symbiose aus dem sensiblen Geschichtenerzählen, aufwühlenden Gewaltausbrüchen und einer unvergleichlichen Fantasiewelt zu erschaffen. Nicht umsonst konnte Del Toro mit diesem Film einige Filmpreise einheimsen; unter anderem drei Oscars (für Kamera, Ausstattung und Make-Up). Gerade diese Fähigkeit Del Toros zieht sich durch seine gesamte Filmografie, obschon natürlich seine Hollywood-Ausflüge „Mimic“, „Blade II“ und „Hellboy“ eher in Richtung Popcorn – Entertainment gingen, sich in einzelnen Szenen aber dennoch immer wieder seine unvergleichliche Handschrift erkennen ließ. So sind seine Stil gebenden agilen Kamerafahrten ebenso typisch, wie das eigenwillige Design der Kreaturen. Zwar musste sich Del Toro vor allem nach seinen Hollywood-Streifen eingestehen, dass Stil nicht alles ist, doch mit „Pan´s Labyrinth“ bekam er schlussendlich doch noch die wortwörtliche Kurve.
„Cronos“ steht dabei ganz oben in der Liste seiner Filmografie und bezeichnet somit seinen ersten richtigen Spielfilm. Hierbei führte er nicht nur Regie, sondern verfasste gleich auch das Drehbuch, wodurch sich schon damals erahnen ließ, zu was dieser Mann mit einem etwas höher gestocktem Budget, noch zu leisten im Stande sein würde. Insgesamt lässt sich der Film am ehesten mit Genre-Streifen wie „Hellraiser“ oder „Wishmaster“ vergleichen. Doch Del Toro schreckt in seinem Debüt auch nicht zurück, dass ausgelutschte Vampirthema aufzurollen, zu variieren und eine ganz eigene Interpretation davon abzuliefern, ohne dass seine individuelle Note zu kurz kommen würde.
In „Cronos“ wird die Geschichte eines Antiquitätenhändlers namens Jesus Gris erzählt, welcher durch Zufall eine merkwürdige Apparatur in einer seiner Statuen findet; ein merkwürdiger käferformartiger Apparat, welcher seinen Besitzer mit einem Mechanismus an sich festkrallt und eine undefinierbare Flüssigkeit ins Blut spritzt. Von diesem Tage an ist Gris abhängig von dem Apparat und injiziert sich regelmäßig mit der Flüssigkeit, welche der Cronos absondert. Doch neben den jungbrünnlichen Wirkungen die der Cronos auf Gris ausübt, gibt es auch einige Makel: So entwickelt Gris eine merkwürdige Vorliebe für menschliches Blut. Aber auch der sterbenskranke Geschäftsmann De la Guardia ist auf der Suche nach dem Cronos, da er durch ihn Heilung erwartet. Doch Gris möchte die wundersame Apparatur für sich; aber De la Guardia ist jedes Mittel Recht, um seinen Willen durchzusetzen…
Auffallend an der Story sind vor allem die Parallelen zu artverwandten Streifen wie „Hellraiser“ oder dem Vampirfilm. Doch Del Toro weigert sich, in übliche Klischees zu verfallen und konzentriert sich vor allem auf seine Charaktere. Und auch hier lassen sich wieder einige Parallelen zu seinen Nachfolgefilmen ausmachen. So kehrt das - für einen (Splatter-) Horrorstreifen - ungewöhnliche Thema des jungen Kindes, welche bei nur einem Elternteil (oder auch Großelternteil) aufwächst, immer wieder („Mimic“; „Pans Labyrinth“) und auch das Übersinnliche, welches in diese Welt hereinbricht wird in „Cronos“ dargelegt und zu einer Horrorstory umformt. Leider kann Del Toro in seinem Debüt noch keine ausgefeilten und tiefsinnigen Charaktere präsentieren, wie wir es von „Pan´s Labyrinth“ gewohnt sind, vor allem Ron Perlmans Rolle ist in dieser Hinsicht komplett verschenkt. Hier hätte man aus dem skurrilen Potenzial und Perlams markantem Gesicht schöpfen können, vernachlässigt es aber zugunsten einiger etwas flachen Witzchen, welche oftmals deplatziert wirken und nicht immer wirklich zünden. Überhaupt ist die größte Schwäche des Filmes die noch viel zu unausgegoren wirkende Dramaturgie. „Cronos“ möchte vieles sein, erreicht im Endeffekt aber nichts so wirklich. Der Film ist weder Splatter, noch Horror, noch Comedy, noch Drama. In Ansätzen sind zwar viele Versatzstücke dieser Genres enthalten, aber im Kontext wirken sie oftmals unstimmig und viel zu unausgewogen. Einzig und allein die Inszenierung ist absolut gediehen und harmonisch. So präsentiert Guillermo Navarro immer wieder schöne Kamerafahrten und Javier Alvarez liefert einen attraktiven Score ab, welcher in den richtigen Momenten die adäquate Unterstützung für die Bilder liefert. Del Toros Regie weiß sich dann auch perfekt in dieses Gefüge einzuordnen.
Durch die Konzentrierung Del Toros auf die Charaktere offenbart sich jedoch eine weitere Schwäche des Streifens, welche zur Unausgewogenheit beiträgt. Gerade durch die Fokussierung auf die Personen im Film, wird deutlich, dass diese sehr eindimensional gezeichnet wurden und oftmals wie Pappschablonen auf dem Bildschirm agieren. Tamara Shanath in der Rolle der kleinen Aurora, sagt über die komplette Laufzeit vielleicht zwei oder drei Wörter, und wirkt bisweilen ziemlich unbeholfen. Aber auch Frederico Luppi als Jesus Gris bleibt ungewöhnlich blass (im wahrsten Sinne); seine Abhängigkeit vom Cronos wird ebenso holprig eingeführt, wie die Gier nach dem Blut und im Endeffekt bleiben diese Aspekte viel zu vernachlässigt und hinterlassen beim Zuschauer ein eher verdrießliches Gefühl. Dadurch wird das an sich ganz interessante Thema des Vampirismus fast völlig in den Hintergrund gerückt. Szenen in denen die Wirkungen des Cronos tatsächlich dargestellt werden, lassen sich mit drei Fingern abzählen und sind dazu auch noch wenig stimmungsvoll eingefangen worden. Somit stellt sich zu keiner Zeit eine gruselige Atmosphäre ein. Oftmals plätschert das Geschehen einfach so vor sich hin, und der Zuschauer wird durch das uneffektive Spiel auf dem Bildschirm viel zu sehr auf Distanz gehalten, wodurch sich beim Ansehen merkliche Längen ergeben. Erst gen Ende wird das Geschehen zunehmend packender, aber auch aktionreicher, wodurch plötzlich auch die Temposchraube angezogen wird. Dies kommt aber viel zu spät.
Letztendlich hätte sich Del Toro vielleicht doch leichtfertig dem Horror hingeben sollen, denn davon gibt es in seinem Film eindeutig zu wenig. Selbst die an sich simple Story lässt viel zu viele Fragen offen und wirkt lasch und wie ein halbgarer Abklatsch, obwohl Del Toro ja gerade dies vermeiden wollte. „Cronos“ ist weder Fisch noch Fleisch. Außerdem würzt er seine Mahlzeit so sehr, dass er sie letzten Endes viel zu versalzen serviert… und das schmeckt dann natürlich überhaupt nicht mehr.
Natürlich ist „Cronos“ deswegen um Gottes Willen kein schlechter Film. Nein – „Cronos“ kann man heutzutage getrost als kleine Stilübung eines sehr guten Regisseurs bezeichnen. Guillermo Del Toro bewies damals, dass er ein richtig guter Handwerker ist. Heute wissen wir, dass er auch richtig gut Geschichten erzählen kann. Mit „Pan´s Labyrinth“ konnte er dann erstmals seine beiden Stärken zusammenführen. „Cronos“ bildet somit ein nicht unerhebliches Rad im Getriebe der Schaffenswirkung Del Toros und sollte deshalb auch nicht unterschätzt werden.