Anonyme schwarz behandschuhte Hände, welche mit der Genauigkeit eines Chirurgen fein säuberlich ein Messerset arrangieren. In Parallelmontage ein junges weibliches Wesen, das auf seinem Weg durch die Straßen Roms von einem unbekannten Verfolger beobachtet wird. Die scheinbar unvermeidbare Konsequenz: Mord- der Dritte in einer Serie von Attentaten auf weibliche Opfer in Rom und der Beginn von Dario Argentos Regiedebüt, welcher mit „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ (1970) einen zielstrebigen Erstling hinlegte und zugleich einen autarken cineastischen Ausdruckskanon etablierte.
Dario Argento gelang mit „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ ein erstaunlich reifes Regiedebüt, welches viele standardisierte Ingredienzien späterer Werke bereits früh auf Zelluloid bannte. Überhaupt hinterlassen die „schwarzen Handschuhe“ den Eindruck, dass der Herr Regisseur schon früh wusste, wohin ihn sein Weg führen würde bzw. wie er eben dort hingelangen könnte. Dementsprechend kurz fällt Argentos Selbstfindungsphase aus, die- so hat es den Anschein- mit seinem ersten Film beinahe schon wieder beendet wirkt.
Wie besonders in späteren Werken oft üblich gerät ein Unbeteiligter, hier verkörpert durch den Autor Sam Dalmas (Tony Musante), unbeabsichtigt in eine Mordserie an jungen Frauen. Infolgedessen übernimmt er einen investigativen Part und greift den örtlichen Behörden, die scheinbar machtlos dem Killer hinterher jagen, unter die Arme. Dabei geraten er und seine Freundin in die Schusslinie des Wahnsinnigen. Soweit zur Exposition, die rückblickend nicht klassischer hätte ausfallen können.
„Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ bietet, wie eingangs bereits angemerkt, viele Zutaten, die über die Jahre eng mit dem Giallo- besonders Argentos Interpretationen davon- verschmelzen sollten. Seien es der bis zuletzt unerkannte mordende Killer, auf welchen nach typischem „Who dunit?“- Muster Jagd gemacht wird, seine obligatorischen schwarzen Handschuhe oder als Tatwaffe das Rasiermesser. Eine weitere Eigenart, die sich wie ein roter Faden durch Argentos Arbeiten zieht, ist das reflektive Verhalten gegenüber Kunst und Künstler. Egal ob Literatur, Theater, Malerei oder Musik, es findet sich kaum ein Werk Argentos, welches nicht von bestimmten künstlerischen Aspekten durchdrungen ist. Dass derlei Auffälligkeiten nicht zufälliger Natur sind, sondern ein bewusst eingesetztes Element des Argento’schen Kosmos, erschließt sich (wenn nicht sowieso von selbst) spätestens aus diversen Interviews mit dem Regisseur, in welchen er dieses spezielle Verhältnis auf interessante psychologische Gesichtspunkte bzw. auf die Inspirationskraft der Kunst im Allgemeinen- der er sich nur allzu gerne hingibt- zurückführt.
Dass sich Argento bei seinem gelungenen Einstand dabei auch zu ein paar logischen Fauxpas’ hinreißen lies, lässt sich nur schwerlich übertünchen. Der Mordanschlag auf Sam Dalmas auf den nebligen Straßen Roms verläuft im weiteren Handlungskontext vollkommen im Sand. Als Zuschauer beschleicht einen der Verdacht, Dalmas erlebe solch „kleinere“ Angriffe auf sein Leben tagtäglich, sodass sie mittlerweile keiner weiteren Erwähnung bedürfen. Auch weiterhin augenscheinlich, dass der Endtwist- so gut ausgeklügelt die Grundidee des Ganzen auch ist- nicht kohärent durchdacht wurde und so leider ein wenig von seiner verstörenden Wirkung verliert. Nichtsdestotrotz weiß das psychologisierende Ende, welches das Motiv des Killers auf ein interessantes Schlüsselerlebnis- ebenfalls typisch für Giallos- zurückführt, durchaus zu gefallen.
Handwerklich ist dem Film besonders für ein Debüt äußerste Souveränität zu bescheinigen. Bereits hier sind Ansätze für spätere Kamerafahrt- Infernos à la „Opera“ genauso wie Argentos Vorliebe für den speziellen Kamerawinkel deutlich spürbar. Man merkt zweifelsohne, dass „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ die Saat ist, aus der Argentos filmische Pflanze in den folgenden Jahren erwachsen soll- ein Nukleotid, das zumindest in Ansätzen alles beinhaltet, wofür seine späteren Filme von Fans geliebt werden- sowohl inhaltlich als auch technisch.
Vergleichsweise ruhig gibt sich „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ in Punkto der dargestellten Gewalt. Das Publikum, welches beispielsweise „Tenebre“ oder „Terror in der Oper“ -sträflicherweise- auf den puren Gewaltfaktor reduziert, wird mit diesem Regiedebüt wenig Freude haben. Im Gegensatz zu oben genannten Vertretern bewegt sich der Film auf moderatem, nichtsdestotrotz ökonomisch eingesetztem Niveau. Argento beweist, dass seine Filme nicht auf Gewalt und Gekröse reduziert werden dürfen, obwohl dies stets wiederkehrende, omnipräsente Elemente seiner Werke sind. Vielmehr ist es sein Gespür für den Spannungsbogen und Atmosphäre, für die visuelle und akustische Komponente. Bestes Beispiel für die Experimentierfreudigkeit in diesen Bereichen ist die Szene, in der Dalmas während des Mordversuchs an der Galeriebesitzerin zwischen den Scheiben in Gefangenschaft gerät. Für heutige Seh- und vor allem Hörgewohnheiten stellt Argentos minimalistische Musikuntermalung solch einer Szene sicherlich etwas Ungewöhnliches, gar Anormales dar. Die Wirkung, auf die mit der bewussten Runterregulierung des Akustischen- bei zeitgleicher Forcierung der optischen Eindrücke- abgezielt wird, ist schlicht genial. Die dadurch erreichte Intensität beinahe surrealistisch.
„Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ ist ein überaus souveränes Regiedebüt, was sich im Gesamtwerk- besonders wenn man Argentos bedauerliche Ausrutscher während der 90er und darüber hinaus betrachtet- keinesfalls im Dunkeln verstecken braucht. Zwar gibt es Logiklöcher, über die das findige Auge zu stolpern vermag, aber im Gesamtkontext sind diese doch durchaus zu vernachlässigen. Für Anhänger des Meisters definitiv Pflichtprogramm.