Mit "Dolls" liefert uns Kultregisseur Takeshi Kitano einen neuen Film der Extreme.
Nach seinem Erfolgsfilm Brother aus dem Jahre 2000 führte der Japaner erneut Regie zu seinem selbstgeschriebenen Stück "Dolls".
Ein Film der Extreme schon allein deshalb, weil der Film unterschiedliche Stimmungen hervorzurufen vermag. Es kommt auf die momentane Gefühlslage des Betrachters an, ob er in den Bildern eine Botschaft der Liebe oder der Verzweiflung abliest.
Kitano präsentiert in drei sich überschneidenden Filmen, bzw. vielmehr in drei sich überschneidende Geschichten das Leidwesen hoffnungslos verliebter Paare im modernen Japan.
Die Geschichten sind in sofern verbunden, als dass unter anderem eine der Hauptpersonen, der Fan einer verunglückten Sängerin, der alles dafür tut, seinem Idol
näher zu kommen, der Nachbar einer älteren Dame ist, die seit Jahrzehnten wöchentlich auf ihre alte Liebe, einem mittlerweile zum Yakuzaboss aufgestiegenem ehemaligen Fabrikburschen, wartet.
Dies ist nur eine von zahlreichen Überschneidungen, welche eine gewisse Verbundenheit zwischen den betroffenen Personen schafft, die gleichermaßen entfernter voneinander nicht sein könnten. Allesamt ahnen sie nichts von dem Leid, dass ihre Mitmenschen durchmachen, da sie vollkommen egoistisch ihren Wunsch durchsetzen wollen.
Kitano will damit zum Ausdruck bringen, dass der Mensch als solcher ein Egoist ist, selbst wenn er nur auf sein Herz hört. Denn ein jeder Mensch ist bereit seine Ziele um jeden Preis zu erreichen.
Wie so oft in seinen Filmen packt Kitano auch in "Dolls" massenweise autobiografische Details ein. Erneut spielen Kameradschaft, Treue und auch die jap. Yakuza eine tragende Rolle in dem Film.
Besondere Nähe zeigt Kitano zu dem im Film auftretenden Mafioso, der seine einstige Geliebte sitzen lies, da er sie mit seinem damaligen Einkommen nicht hätte glücklich
machen können. In jungen Jahren hatte auch Kitano seine Geliebte aus dem selben Grund verlassen, und wäre, so sagt er selbst, hätte er nicht eine schauspielerische Karriere eingeschlagen, womöglich bei der Yakuza gelandet.
Aber auch etliche Erinnerungen an seine Jugend hat Kitano in seinen neuen Film gepackt. Die dritte Geschichte handelt von einem Paar, deren unterdrückte Liebe
schwere psychische Schäden verursacht hat und das ab einem gewissen Zeitpunkt mit einer roten Kordel aneinandergebunden das Land durchstreift.
Auch dieses Detail birgt eine Fülle an alten japanischen Bräuchen und Mythen, Paare trugen einst vor ihrer Hochzeit eine rote Schnur an ihrem Finger, während die Kordel bzw. das Seil bedeutet, dass der Mann, der es trägt, eine schwere Last trägt.
Auch in der Wahl seiner Drehorte und der Musik, wobei letzteres sofort an einen klassischen Kitano erinnern lässt, hat sich der Meister keine Schranken gesetzt.
Lediglich was die Kimono und die übrigen Kostüme betrifft hat er die Initiative einem anderem Überlassen.
Die Kostüme strotzen nur so von wunderbaren hellen und fröhlichen Farbtönen, die im totalen Kontrast zu den gezeigten Bildern stehen. Um einen Einklang zu schaffen
setzt Kitano seine Geschichten in die farbenprächtigen Landschaften Japans, welche er als die "Vier Jahreszeiten Japans" bezeichnet.
Die blühenden Blumen des Frühlings, das silberblaue Meer des Sommers, das herabfallende rote Laub des Herbstes und der weiße Schnee des Winters bieten einen imposanten Blickfang und ein wahres Schauspiel an Farben die mit den Kostümen der Darsteller zu verschmelzen scheinen.
Landschaft und Kostüme reflektieren die schönen Seiten der Liebe, welche den Akteuren verwehrt bleibt, sie selbst stellen praktisch den Gegenpol dar.
Dies darzustellen ist Regisseur wie Darstellern gleichermaßen gelungen. Ein harmonisches Zusammenspiel von Mensch, Natur und Musik übermittelt ein packendes tragisches Szenario.
Selbst wenn die Thematik des Filmes mit der Liebe zu tun hat, lies es sich Kitano nicht nehmen abermals das Element des Todes und die damit verknüpften Folgen mit einzubringen.
Allerdings ist der Tod nicht annährend so kaltblütig dargelegt wie es unter anderem in Brother der Fall ist. Vielmehr wird der Tod nur angedeutet, wie es auch in Hana-Bi ein unvergessliches Stilmittel war. Dem Betrachter wird nicht der Vorgang sondern das Resultat präsentiert. Zudem werden mehrere Fassetten des Sterbens gezeigt.
Nicht nur das Töten mittels einer Waffe sondern auch das sterben der Seele und des menschlichen Verstandes, bis hin zur totalen Selbstzerstörung hervorgerufen durch
auswegslose Verzweiflung.
Wer auf ein Happy-End hofft, der tut dies mehr oder minder umsonst. Zwar gibt es den ein oder anderen Lichtblick und es wird immer ein Weg offenbart der eine Lösung bietet, der das Ganze zum Guten wenden kann, doch entschließen sich die Akteure zu spät den weg einzuschlagen.
Genial finde ich deshalb auch die Wahl des Titels. Nicht nur das solche Geschichten im alten Japan mit Puppen erzählt wurden, sondern auch die übertragene Bedeutung, dass der Mensch eine Puppe des Schicksals ist, dem er sich nicht entziehen kann.
"Dolls" ist ein ernster Film Kitanos, auch wenn die kämpferischen Aspekte seiner Filme wie "Violent Cop" oder "Brother" gänzlich fehlen.
Meiner Meinung nach kann der Film unterhaltsam sein, aber ist definitiv kein Film für Zwischendurch. Man sollte an den Film mit Vorsicht herangehen, den wer viel rasante
Handlungsabläufe erwartet wird den Film nicht sehr lange aushalten.
Wie man es von asiatischen Filmen, dieser Art, gewöhnt ist, zieht sich "Dolls" gewaltig und kann, unter gewissen Umständen recht langweilig sein.
Insgesamt halte ich "Dolls" für einen guten Film, was ihm eigentlich 8 Punkte einbringen würde, wobei er einen Punkt, wegen seiner Langatmigkeit, abgezogen
bekommt. "Dolls" ist ein Film für gewisse Stunden oder Tage, aber keinesfalls ein Unterhaltungsfilm, den man sich in jeder Situation bedenkenlos ansehen kann.