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Das Grauen lauert wie so oft im Verborgenen. Tief im Untergrund oder nur allzu beliebt: sorgfältig versteckt hinter einer gutbürgerlichen Kleinstadtfassade, die alles und jeden- zumindest zeitweise- zu schützen und zu beherbergen vermag. Nein, wir verkehren nicht in den Sphären eines „American Beauty“ und wir sind auch nicht Zeugen von Lynch’schen Auswüchsen à la „Blue Velvet“. Wir befinden uns in einer Zeit kurz nach Ende des 2. Weltkriegs- genauer gesagt 1946- und folgen den Fährten Orson Welles’, welcher in diesem Jahr mit „Die Spur des Fremden“ einen Nazi in einer Kleinstadt untertauchen ließ.

Der NS- Verbrecher Franz Kindler setzt sich nach Ende des 2. Weltkriegs in die Vereinigten Staaten ab. Ihm auf den Fersen ist Mr. Wilson, ein Mitglied der „War Crimes Commission“, die zur Verfolgung von flüchtigen Kriegsverbrechern ins Leben gerufen wurde. Beide treffen in dem kleinen Örtchen Harper aufeinander, wo sich Kindler unter dem Namen Charles Rankin ein beschauliches bürgerliches Leben aufgebaut hat.

Nach Ende des 2. Weltkriegs gelang einer nicht unbeachtlichen Anzahl von nationalsozialistischen Kriegsverbrechern die Flucht ins Ausland. In ihrer Heimat Deutschland nichts zu erwarten außer einem Todesurteil, beschlossen viele von ihnen die Flucht nach vorne anzutreten. Beliebtes Ziel war Südamerika, genauer gesagt: Argentinien, welches unter Juan Domingo Peróns Regierung durchaus mit nationalistischem bzw. faschistischem Gedankengut sympathisierte und somit den Verfolgten eine neue Heimat bot.
Orson Welles’ „Die Spur des Fremden“ widmet sich der Verfolgung eines ebensolchen Kriegsverbrechers anhand der fiktiven Figur des Franz Kindler, den es in ein kleines nordamerikanisches Nest namens Harper verschlagen hat. Verständlich ist in diesem Kontext, dass das von Welles filmisch aufbereiteteThema heutzutage- zu Beginn des 21. Jahrhunderts- sicherlich nicht mehr so gegenwärtig und aktuell daherkommt, wie es damals zur Entstehungsphase der Fall gewesen sein muss.

Ohne Zweifel zählt „Die Spur des Fremden“ zu Welles weniger bekannten Regiearbeiten. Zudem- wenn man gewissen Quellen Glauben schenken darf- erfreute er sich nicht einmal beim Regisseur selbst allzu großer Beliebtheit. Diese stiefmütterliche Behandlung wird dem Film jedoch nicht gerecht. Sicher, er muss sich stets mit Konkurrenten wie „Citizen Kane“ (1941) oder „Der Dritte Mann“ (1947) messen, scheitert daran auch schließlich wie man ehrlicherweise zugeben sollte. Nichtsdestotrotz hat der Film seine Qualitäten, welche ihm allemal das Prädikat „empfehlenswert“ verleihen.

Angesiedelt ist der Film als Nachkriegsdrama mit typischen Elementen der klassischen „Private Eye“(Privatdetektiv)- Geschichten aus Hollywoods „Schwarzer Serie“. Im Mittelpunkt steht der Ermittler Wilson, der dem Nazi Franz Kindler dicht auf den Fersen ist. Das Spannende daran: „Die Spur des Fremden“ schenkt (zumindest dem Zuschauer) schnell reinen Wein ein, gibt die wahre Identität des Gesuchten Preis und konzentriert sich stattdessen auf Wilsons Methoden der Überführung, die sich als gar nicht mal so einfach herausstellt, und auf eine zwischenmenschliche Problematik, welche entsteht, wenn ein akkreditiertes Mitglied einer Gemeinde unter Verdacht gerät, ein flüchtiger Kriegsverbrecher zu sein.
Am Deutlichsten manifestiert sich das in Rankins Frau Mary Longstreet. Wie macht man einer Verliebten, die bedingt durch ihre Emotionswelt sowieso dazu neigt, alles durch eine rosa-rot verklärende Brille wahrzunehmen, klar, dass ihr Mann nicht der ist, wer zu sein er vorgibt, sondern eine dunkle Vergangenheit als Mörder von unzähligen Menschen verbirgt? Was geht nach solch einer Offenbarung in einer Frau vor, glaubte sie doch stets den Lebenspartner zu kennen? Wie vermag sie zu reagieren? Psychologisch durchaus nachvollziehbar- wie auch bei Mrs. Longstreet der Fall- ist die Leugnung aller Tatsachen, sprich: schlicht und einfach Verdrängung. Aus diesem voranschreitenden Verhältnis von Rankin und seiner Frau (sozusagen dem zentralen Drama, was durch gegenseitigen Zweifel genährt wird) generiert das Werk einen Großteil seines Spannungspotentials. Nachdem Rankin von Mary gezwungen wird, den Mord an einem alten Parteikameraden (wenn auch unter der Vorgabe von edlen Motiven) zuzugeben, beginnt sie schließlich als Mitwisserin kontinuierlich ins Fadenkreuz des Misstrauens zu treten.

Getragen wird „Die Spur des Fremden“ nicht unwesentlich von den prominenten Gesichtern seiner beiden Kontrahenten Orson Welles (Charles Rankin) und Edward G. Robinson (Mr. Wilson). Der Regisseur und Hauptdarsteller liefert ein facettenreich- differenziertes Spiel ab und verleiht seiner Figur die ungemein passende Aura vom Wolf im Schafspelz, was sich besonders deutlich in dem präzise durchdachten Mordanschlag auf die Ehefrau widerspiegelt. Sein Gegenspieler Robinson, bekannt aus Gangsterfilmen wie „Little Caesar“ (1930) und „Gangster in Key Largo“ (1948), macht ebenfalls eine gute Figur als abgeklärter Ermittler Wilson.

„Die Spur des Fremden“ beleuchtet ansprechend den Mikrokosmos einer Kleinstadtgemeinde, die für Fremde- und natürlich besonders Großstädter- wie eine entrückte und anders tickende Welt anmutet. Dabei werden romantisierte Vorstellungen jedoch weitgehend außer Acht gelassen und das Klischee des Idyllischen demontiert. Dass in diesem Zusammenhang aber keinesfalls auf ein obligatorisches Hollywood- Happy- End verzichtet wurde, dürfte eigentlich niemanden überraschen, denn zu guter Letzt triumphiert- wie so oft- das Gute in einem von Symbolik geschwängerten Finale.

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