Review

In Sachen Jersey-Trilogie bin ich leider „Clerks“-unvorbelastet, weshalb eventuelle Parallelen auf Kevin Smiths Erstling in dieser Besprechung wegfallen müssen. Wie sieht also „Mallrats“ nun als eigenständiger Film, nicht als Teil einer losen Trilogie aus?

Ich kann mich da nur meinen Vorrednern anschließen: sinnlos.

Wüsste ich es nicht besser, würden die fragwürdigen Abenteuer von T.S. (Jeremy London) und Brodie (Jason Lee) als Kevin Smiths Regiedebüt durchgehen, denn das semantisch vollkommen leere, aber um so unterhaltsamere Werk schreit geradezu nach der Bezeichnung „Debüt“. Offensichtlich soll ein Lifestyle zelebriert und in einer möglichst bequemen, gleichzeitig aber ungemein raffinierten (dazu später mehr) Weise inszeniert werden; und zwar ein Lifestyle, der nicht etwa auf einer langjährigen Kultur aufgebaut ist wie etwa der Hip Hop-Kult, sondern einfach nur von ein paar Pappnasen ganz autark gelebt würde. Ein Lifestyle der Beavis & Butthead-Generation.

Smith legt in einer noch etwas kindlichen Art und Weise bereits sein Talent nieder, schräge Charaktere in unkonventionelle Zusammenhänge zu setzen und sie so miteinander agieren zu lassen, dass nicht unbedingt eine Aussage entsteht, auf jeden Fall aber so etwas wie eine Füllmasse, die den Zuschauer zufrieden in den Restabend entlässt. „Mallrats“ sprüht vor Bedeutungslosigkeit und preist diese sogar noch in den Vordergrund, anstatt sie peinlicherweise zu verstecken. Es ist schon komisch: dem Publikum wird keine Satire vorgesetzt, keine Sozialstudie, kein Charakterpsychogramm (das folgte später in „Chasing Amy“), ja nicht einmal die gewöhnlichen Merkmale einer typischen Komödie. Und doch – der Zuschauer ist mit dem Einsetzen des Abspanns rundum zufrieden. Wie das?

Um diese Frage zu beantworten, sollte man sich vielleicht Kevin Smiths Hintergrund ins Gedächtnis berufen: den Comic, der einen nicht unerheblichen Teil seines Lebens ausmachte und noch ausmacht. Nach wie vor habe ich zwar keine Antwort darauf, was denn nun der Sinn von „Mallrats“ ist, aber zur Filmstruktur ist diese Herangehensweise vielleicht ein Schlüssel. Brodies und T.S.'s Ausflug ins Einkaufszentrum weist nämlich inszenatorisch alle Merkmale eines traditionellen Comics auf.

Natürlich hat sich die Definition des Begriffes „Comic“ in den letzten Jahren einer starken Veränderung unterzogen. Betrachtet man Werke von Künstlern wie Ashley Wood, ist es nur noch schwer, den Comic auf einzelne Stil- und Charaktermerkmale zu reduzieren. Die Wurzeln von Kevin Smith liegen jedoch in den 60er- und 70er-Jahre-Werken von Marvel, und diese sind es, die in „Mallrats“ neben zahlreichen Filmklassikern („Star Wars“) nicht nur gewürdigt werden, sondern auch ganz deutlich in die Filmstruktur eingeflossen sind.

Der komplette Film ist durchsetzt von markanten Schlüsselbildern, die sich geradezu dafür anbieten, in Panels eingefangen zu werden. Da hätten wir T.S. und Brodie auf der Couch, der (halb-)nackte Produzent der Flirtshow bei seinen Karateübungen vor dem Spiegel, Silent Bob in seinem Batman-für-Arme-Kostüm, wie er in der Pappwand steckt, Gwen Turner beim Unterwäschewechseln in aller Öffentlichkeit, Rene und Brodie im Fahrstuhl, William Black vor dem 3D-Bild, und, und, und. Der 91-Minüter ist eine intelligente Aneinanderreihung von Einzelszenen, die jeweils von einem dieser Schlüsselbilder dominiert werden. Und genauso funktionieren Comics: Momentaufnahmen werden auf ein Bild komprimiert, das für den kompletten Handlungsspielraum bis zum nächsten Bild spricht.

Dem stehen die Charaktere – mögen sie tatsächlich oder vom Hörensagen her vorkommen – in nichts nach. Alleine die 15-jährige Freizeitprostituierte aus wissenschaftlichem Interesse... eine derartige Überspitzung in einer einzigen Figur vereint gibt's nur im Comic, und diese Charakterauswüchse erinnern einerseits an den ausufernden Zeichenstil eines Angel Medina, andererseits in diesem Fall sogar fast an Go-Go aus „Kill Bill Vol.1“ und damit an japanische Mangas. Eine andere Figur (die nicht per se vorkommt) schwimmt sich zu Tode (!), wieder eine andere (Ethan Suplee als William Black) steht wie die klassische inaktive Kulissenfigur im Hintergrund und knobelt sich eine Aufgabe zurecht, um zwischendurch mal Ausraster zu kriegen, wenn kleine Rotzgören ihn vom Intellekt her übertreffen. Und ganz nebenbei wird noch der Osterhase verkloppt – ein zwar abgedroschenes Motiv, das aber unglaublich gut getimt ist und deswegen Schenkelklopferpotential hat.
Die Krönung in der Hinsicht sind aber Jay und Silent Bob (Jason Mewes und Regisseur Kevin Smith), was ab „Chasing Amy“ bis hin zu ihrem eigenständigen Film „Jay & Silent Bob Strike Back“ auch weiterverfolgt wurde. In ihrer bis ans Äußerste getriebenen Unterschiedlichkeit bezüglich Aussehen und Eloquenz (Jay schnattert durch die Bank, am liebsten über Mösen, während Silent Bob nur etwas sagt, wenn es wirklich sinnvoll ist... und da „Mallrats“ sinnlos ist, redet er so gut wie gar nicht. Got it?) sind sie der Inbegriff des Comic-Klischees eines Superheldenteams nach Batman & Robin-Manier. Nicht umsonst werden darauf immer wieder Hinweise gegeben, wenn sich Silent Bob etwa als Superheld verkleidet oder wenn er mit einem selbstgezeichneten Plan herumhantiert, auf dem sie beide als Strichmännchen vorkommen.
Funktional halten sie sich jedoch traditionellerweise im Hintergrund, um im richtigen Moment den Protagonisten – meist eher ungewollt oder zufällig – zur Hand zu gehen und den Tag zu retten.

Zuletzt gibt sich auch der Plot sehr comic- bzw. episodenhaft und strukturiert, denn das Werben Brodies um Rene bzw. von T.S. um Brandi wirkt gipfelnd in einer schmalzigen Herzblatt-Show mit all ihren Action- und Humorhöhepunkten wie eine Parodie dümmlich-liebevoller Bemühungen des klassischen Verlierertypen, der aber eigentlich gaaanz lieb ist und der viel besser zur Angebeteten passt als der blöde Schnösel, der sich als Mitkonkurrent dazwischengeschoben hat (hier: Ben Affleck, der außer in "Good Will Hunting" nie wieder so gut war wie unter Smiths Regie).

Aufbauend auf diesem Comic-Ansatz, kann als einer der großen Knotenpunkte der Gastauftritt der Marvellegende Stan Lee (Spider-Man, Daredevil, Fantastic Four u.v.m.) gelten, der hier als herrlich selbstironische verlogene Moralapostel auftritt und dem Zuschauer mehrere Denkansätze mit auf den Weg gibt, was denn nun eigentlich die Essenz seiner Figuren ist, und ob sie alle einen gemeinsamen Kern haben. Übertragbar ist das nun auch auf „Mallrats“, denn Smith operiert ja wie gesagt mit seinen Figuren in gleicher Manier. Und dass Smith' Schaffen inzwischen mit Lees Schaffen zumindest qualitativ konkurrieren kann, behauptet ja sogar Lee selbst („Stan Lee's Monster, Mutanten und Helden“), von daher dürfte die Übertragung der Lee-Figuren auf die Mallrats wohl gültig sein.

Nun nutzt Smith das Comic-Konstrukt (ich nenne es jetzt einfach mal so) bevorzugt, um seine Huldigung in alle Richtungen auszuteilen, die ihn in irgendeiner Weise geprägt haben, womit der Film quasi recht persönlich wird – jedoch auf eine lockere Art, was man vom emotional fesselnden Nachfolger nicht mehr behaupten kann. Versteckt in irrwitzigen Dialogen und dazu passenden Bildern werden diverse Comics und Filme angesprochen, und das ist tatsächlich nicht mehr als ein „I want to thank...“ - eben sinnlos, wie gesagt.
Geradezu in einem absurden Kontrast zu dieser Sinnlosigkeit steht der genial herausgespielte logische Zusammenschluss zum Happy End, bei dem dann die zuvor unscheinbaren Handlungen von T.S., Brodie, William, Rene, Brandi, Mr. Svenning, Shannon, Tricia, Stan Lee und Silent Bob (Jay eigentlich weniger) zusammengeführt und auf wundersame Weise aufgelöst werden. Das ist der Inbegriff der Sinnhaftigkeit, die im Sinnlosen versteckt ist. Irgendwie genial – auf eine einfache Weise.

Die Kritiker waren nicht allzu begeistert von Smiths zweitem Streich und schrieben ihn, vermutlich auch in Hinblick auf den vielversprechenden „Clerks“, bereits ab. Als Nicht-Kenner dieses echten Debüts kam mir dann „Mallrats“ wie ein solches vor und konnte mich positiv überraschen. Gesagt sei allerdings, dass ich die Comicthematik mag, und wenngleich diese handlungstechnisch nur am Rande zur Geltung kommt, spricht die Inszenierung doch ganz deutlich in Luftblasen und mit Panels und bunten Figuren. Aber vielleicht ist das auch nur meine Einbildung in dem innigen Wunsch, „Mallrats“ einen Sinn zuzuschreiben.

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