HBO hat ja einige hochwertige TV-Produktionen auf dem Kerbholz (z.B. „Band of Brothers“) und auch diese Verfilmung von Robert Harris Bestseller kommt gelungen daher.
Vor allem das Szenario ist hier wahnsinnig interessant: Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg nicht verloren, sondern Territorialgewinne gemacht und nun ein Großreich namens Germanien gegründet. An der Ostfront geht der Krieg gegen Russland weiter, doch die USA greifen nicht ein. Ihr Präsident Joseph Kennedy sucht sogar Kontakt zu Adolf Hitler, passend zu dessen 75ten Geburtstag 1964. So hebt sich „Vaterland“ schon von Anfang an durch das ungewohnte Szenario von der Masse an Politthrillern ab, die zudem eh meist in den USA spielen.
Ganz ohne Amerikaner geht es dann doch nicht und so kommt die US Journalistin Charlotte 'Charlie' Maguire (Miranda Richardson) ins Spiel, welche über die Feiern des 75ten Geburtstages berichten soll und mit einer Gruppe von Reportern durch Berlin geführt wird. Dabei überrascht „Vaterland“ mit schicken Aufnahmen eines möglichen Berlins, das noch von NS-Symbolik geprägt ist, und trotz des TV-Budgets und der TV-Herkunft sehen die Szenen wirklich überzeugend aus.
Die Polizei in Germanien bildet die SS und hierzu gehört auch Xavier März (Rutger Hauer), der gerade Morde an NS-Parteifunktionären untersucht. Die Gestapo entzieht ihm jedoch den Fall und erklärt die Fälle zu Selbstmorden. März will sich nicht damit abfinden, ermittelt weiter und trifft auch Charlotte, der ein Unbekannter Hinweise auf eine Verschwörung zugesteckt hat. Zusammen machen sie sich daran, das Geheimnis zu ergründen…
„Vaterland“ ist ein wirklich spannendes Gedankenspiel, das glücklicherweise nicht den Fehler begeht, eine x-beliebige Krimihandlung in dem interessanten Szenario zu platzieren. Stattdessen sind Verschwörungsplot und Szenario eng mit einander verwoben, sodass „Vaterland“ stets von seinem Schauplatz profitiert. Berlin ist von den Behörden und deren Spitzeln kontrolliert, ausländische Gäste werden stets argwöhnisch beobachtet und unter der geordneten Oberfläche schlummern diverse Verstrickungen und Verschwörungen. Auch die Nazi-Riten und NS-Symbolik sorgen für Atmosphäre und zudem für ein ungutes Gefühl, wenn man bedenkt, dass das Szenario von Harris’ Bestseller durchaus in der Realität vorkommen könnte.
Auch die Geschichte selbst erweist sich als ziemlich durchdacht und spannend, da sie ihre Geheimnisse nie zu früh enthüllt. Für geschichtskenntliche Zuschauer ist zwar schon zur Halbzeit so langsam abzusehen, worauf die Entdeckungen von Xavier und Charlotte wohl hinauslaufen, doch das lässt sich bei einem Szenario, das Fiktion und Fakten verquickt wohl nicht vermeiden. Ganz stark ist zudem das Finale, welches die Versuche der Hauptfiguren die Wahrheit ans Licht zu bringen und selbst davonzukommen mit einer gleichzeitig stattfindenden NS-Feier zusammen schneidet und den Spannungspegel noch mal nach oben treibt.
Kritik kann man an „Vaterland“ nur wenig üben, da die Geschichte keine großen Hänger aufweist. Jedoch ist die Geschichte bisweilen etwas unspektakulär gemacht, was zum Teil an der TV-Herkunft liegen dürfte. Ein Kinoregisseur hätte z.B. aus dem Zwischenfall am Bahnhof noch ein wenig mehr rausgeholt. Doch das schmälert den Unterhaltungswert nur wenig, zumal „Vaterland“ für TV-Verhältnisse erfrischend dramatisch daherkommt. Gerade der Subplot um Xavier und seinen Sohn, dem er weniger Parteihörigkeit und mehr eigenes Denken beibringen will, wird mit viel Sorgfalt erzählt. Vor allem das ungewöhnliche Ende des Films kommt emotional recht ansprechend daher.
Rutger Hauer erweist sich zudem als Idealbesetzung für den SS-Offizier mit Prinzipien und liefert eine der besten Leistungen seiner sonst etwas durchwachsenen Karriere ab. Auch Miranda Richardson steht ihm nur ganz wenig nach, während in den Nebenrollen doch Darsteller mit etwas mehr Profil wünschenswert gewesen wären.
Bleibt unterm Strich eine reichlich spannende TV-Produktion mit packender Geschichte und interessantem Szenario. Der Stoff hätte wirklich Kinoformat gehabt und wäre dort vermutlich noch etwas aufregender dahergekommen, doch „Vaterland“ verdient sich sehr gute 7,5 Punkte meinerseits.