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Mit seinen letzten Werken bewies Regisseur Oliver Stone, dass er doch nicht der Garant für beständig hohe Ansprüche bestehender Filme ist. Dennoch muss man ihm zugute halten, dass seine Streifen dennoch immer wieder Platz in der allgemeinen Presse finden und zahlreiche Diskussionen auslösen. Vor allem sein letzter Film – „World Trade Center“ – ging, trotz seiner herben Kritiken, als erste Verarbeitung des Themas Hollywoods in die Geschichte ein. Und dennoch muss er sich immer wieder vorwerfen lassen, sich immer mehr dem Kommerz verschrieben zu haben. Der einstige Skandal-Regisseur nunmehr als Gewährsmann für 08/15-Streifen? Und tatsächlich sind seine aktuelleren Werke weitaus massentauglicher als noch ein „Natural Born Killers“.

Lässt man dann aber einmal die Qualität seiner Werke außen vor, so durchzieht sein einzigartiger Stil seine komplette Filmografie. Schnelle Schnitte, überbordende Szenenanordnungen, grelle Farben, purer Surrealismus. Stone erweist sich stets als innovativer Filmemacher. Seien es Kriegsdramen, Thriller, oder grelle Mediensatiren; stets sind sie gekennzeichnet von seiner Regie. Und auch „U-Turn“, welcher zu seinen eher unbeachteten Werken gehört, ist von diesem Duktus geprägt und gewinnt dadurch noch einiges an Qualität. Sein eher niedriger Bekanntheitsgrad lässt sich wohl daran festmachen, dass „U-Turn“ als Film an der Grenze des Wandels zu seinen vermeintlich kommerziellen Filmen gesehen werden kann.

Stilistisch gesehen orientiert sich Stone in seinem Mix aus Thriller, Satire und Drama offensichtlich an seiner zum Kult avancierten Mediensatire „Natural Born Killers“, ohne jedoch dessen Affekt zu erreichen; letztendlich schaltet Stone ein paar Gänge zurück, präsentiert dem Zuschauer aber dennoch schnelle Schnitte, und ungewöhnliche Bildkompositionen, welche zusammen mit der Musik des Meisterkomponisten Ennio Morricone („Spiel mir das Lied vom Tod“) immer wieder surrealistische Züge annehmen und immer noch weit vom üblichen Mainstream entfernt anzusiedeln sind.

Im Gegensatz zur komplexen Inszenierung erweist sich die Story als geradezu banal. Sean Penn mimt den wüsten Bobby Cooper, welcher zusammen mit seinem alten Wagen auf dem Weg nach Las Vegas ist, um Schulden bei einem seiner zwielichtigen Geschäftskameraden zu begleichen, welcher ihm schon zwei Finger abhackte, da Bobby ihm kein Bares liefern konnte. Doch das Schicksal meint es auch weiterhin nicht gut mit dem Pechvogel Bobby. Inmitten der Wüste platzt ihm plötzlich der Kühlerschlauch des Autos, wodurch er gezwungen wird seine alte Karre in der seltsamen Werkstatt des Mechanikers Darrell (Billy Bob Thornton) abzugeben, welcher es jedoch nur auf sein Geld abgesehen hat. Zu allem Überfluss bekommt es Bobby dann auch noch mit einigen äußerst skurrilen Einwohnern des Provinznests Superior zu tun, zu denen auch die hübsche, aber unberechenbare Grace (Jennifer Lopez) und ihr eifersüchtiger Ehemann Jake (Nick Nolte) gehören. Als die Situation zu eskalieren droht, möchte Bobby nur noch aus dem Kaff verschwinden, doch Mechaniker Darrel lässt sich sehr viel Zeit, um den Wagen zu reparieren. Es scheint keinen Weg zurück zu geben…

Trotz der Schlichtheit der Geschichte saugt einen das Geschehen regelrecht auf, woran die temporeiche und mit unzähligen Wendungen und Unvorhersehbarkeiten gespickte Inszenierungsweise sicherlich nicht ganz unschuldig ist. Somit wird der Fokus weniger auf eine logisch aufbereitete Story gelegt, sondern vielmehr auf die daraus resultierende Atmosphäre. Und genau das gelingt Stone wieder einmal hervorragend. Doch auch die brillant aufspielende Darstellerriege, die mit bekannten Namen wie Sean Penn, Nick Nolte, Jennifer Lopez, Jon Voight oder auch Joaquin Phoenix glänzen darf, trägt ihren Teil dazu bei.

Ungewöhnlich für einen Stone-Film ist lediglich die fehlende Aussage. Was genau möchte Stone uns nun mit seiner Tour de Force in Sachen, Gewalt und Skurrilitäten erzählen? Im Gegensatz zu „NBK“ gibt es hier keine satirischen Seitenhiebe auf die Politik oder die Medien, welche Stone in fast jedem seiner Filme zu lancieren versucht; im Gegenteil: Stone erzählt uns konsequent seine Geschichte, ist ausschließlich darauf bedacht, alles in möglichst stilisierten Bildern zu halten und dem Kinofan eine absolut banalisierte Mischung aus Noir-Thriller mit leichten Anlehnungen an die Peckinpah-Western zu präsentieren, um diese mit einer ordentlichen Portion schwarzen Humor zu garnieren und variieren. Zwar wiegt das nicht ganz die Belanglosigkeiten auf, sorgt aber dafür, dass man als Zuschauer die komplette Laufzeit über hervorragend unterhalten wird.

Letztendlich ist „U-Turn“ ein reiner Entertainer. Eine kleine Fingerübung Oliver Stones wenn man so will. Oder aber auch ein Abgesang auf den alten Stone, wie man ihn kannte… Ein Hauch Tarantinoeske Skurrilität hier, ein Hauch Peckinpaheske Gewalt da. Stone zitiert Genregrößen, aber auch sich selbst. Dies mag in Anbetracht des daraus resultierenden Filmes überheblich wirken, macht im Endeffekt aber einfach nur Spaß. Zudem gibt es nur wenige Streifen, welche auf Anhieb ein solches Anziehungspotenzial besitzen und den Zuschauer bis zum Ende zu fesseln vermögen, und das mit einem Minimum an Anspruch, Logik und Story…

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