Nach Uschi Obermaiers verfilmten Erinnerungen "Das wilde Leben" startet der deutsche Film hier einen erneuten Versuch, der Atmosphäre der sogenannten "68er" näher zu kommen. Doch im Gegensatz zu dem pseudo-dokumentarischen Film um die Geschehnisse in der "Kommune 1" erzählt "Pornorama" eine frei erfundene Geschichte um eine Gruppe junger Menschen, die sich in München mit den neuen Zeiten herumschlagen. Studentenproteste, linke Parolen, Kommunardenalltag, Drogenkonsum und die neue "freie Sexualität" werden hier in einem bunten Mix zusammengefasst und damit sämtliche Versatzstücke bedient, die diese Zeit auch heute noch so populär wirken lässt.
Im Mittelpunkt stehen die beiden Brüder Freddie (Benno Fürmann) und Bennie (Tom Schilling), die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während Freddie sich mit kleineren Gaunereinen über Wasser hält, ist Bennie kurz davor, seine Ausbildung bei der Polizei erfolgreich zu beenden. Bei Demonstrationen linker Studenten wird er als Kameramann eingesetzt - natürlich ungeschickt getarnt mit Che Guevara-T-Shirt, was ihm einen Tritt in die Weichteile einbringt. Allerdings von der hübschen Luzi (Karoline Herfurth), in die er sich sofort verliebt und vor der er ,dank des Einsatzes seines grossen Bruders ,seine Tarnung wahren kann. Denn Luzi lebt in einer Kommune, wehrt sich gegen das Establishment und kann "Bullen" logischerweise nicht ausstehen.
Doch sein Bruder hat nicht nur Gutes im Sinn, sondern bittet ihn, da Bennie als Kameramann Erfahrung hat, einen Film zu drehen, mit dem man Ende der 60er Jahre richtig Kohle verdienen kann. Einen sogenannten "Aufklärungsfilm", der in der damaligen erwachenden Republik nur erfolgreich sein konnte, da die sich lockernden sexuellen Moralvorstellungen in diesen pseudo-wissenschaftlichen Werken so einen Weg in die Öffentlichkeit bahnen konnten. Dank ihrer meist dilettantischen Machart und dem unfreiwilligen Humor, der sich in den gestelzt formulierten Sexualkunde-Worthülsen hervortat, haben diese Filme heute wieder eine gewisse Anhängerschar.
Entsprechend häufig wird zu Beginn in "Pornorama" auch kräftig aus diesen Machwerken zitiert, da sich das angehende Filmteam informieren will, auf welche Inhalte es ankommt. Diese Momente sind eindeutig die amüsantesten des Films - für "Pornorama" ein Armutszeugnis - denn die hier erzählte Story wirkt gegen diese Sexualfilme wie ein Rückfall in spiessigste 50er-Jahre-Zeiten. Ähnlich wie in "Das wilde Leben" fällt auch in "Pornorama" auf, dass man gerne an die Zeiten der bürgerlichen Revolution zurückdenkt, aber nur noch deren Auswüchse zitiert, während man selbst in konventionellsten Bahnen denkt.
So ist die gesamte Hintergrundstory ein Rückfall in älteste deutsche Komödienzeiten, denn hier bekommt jeder Topf seinen Deckel und verzichtet auf jeden echten Konflikt. Man könnte in diesem Zusammenhang anmerken, dass der Film Ende der 60er Jahre in Deutschland spielt, aber genau diesen Eindruck hinterlässt er keine Sekunde. Echte Auseinandersetzungen mit den damaligen Veränderungen, eventuelle Ängste vor Repressalien der Polizei oder gar moralische Zweifel existieren hier nicht. Stattdessen wirkt alles wie ein grosses Spiel - man fährt mit schicken Oldtimern herum (pardon, damals natürlich aktuellen Autos), macht ein bisschen auf Protest, läuft nackt durch die Kamera und hält die inzwischen üblichen "linken Volksreden", die so nur der Lächerlichkeit preis gegeben werden und völlig vergessen machen, dass das damals nicht nur sehr ernst war, sondern mit zu den heutigen gesellschaftlichen Veränderungen beigetragen hat.
Positiv kann man dem Film bescheinigen, dass er so unwahrscheinlich wirkt, dass man ihn als Zeitbild nicht ernst nehmen kann, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er die damaligen Ereignisse nur ausbeutet, um den Zuschauer aus der heutigen Sicht zu amüsieren und seine Trash-Gelüste damit zu befriedigen. Es ist sicherlich legitim, die damaligen sich oft auch selbst zu ernst nehmenden "Revoluzzer" heute etwas zu veralbern, aber das macht der Film gar nicht, denn er nutzt die damalige Denkweise nur zu einem schnöden Komödien-Effekt und ist dabei keineswegs satirisch.
Letztendlich ist Bennies Problem, als Polizist die süsse Luzi zu bekommen, nicht anderes ,als wenn in einem 50er Jahre Film der junge Wilderer die Tochter des Bürgermeisters heiraten wollte. So wie der liebende Mann sich zur anständigen Bürgerlichkeit bekannte, so muss auch Bennie seine Entscheidung treffen. Und bei so viel Edelmut wird dann auch die holde Weiblichkeit sicherlich ihre frühkindliche Revoluzzerphase wieder vergessen und zur händchenhaltenden Bewunderin, wetten ? - Angesichts eines solchen Films wie "Pornorama" könnte man ernsthaft darüber ins Grübeln kommen, ob nicht eine neuerliche gesellschaftliche Revolution notwendig ist...
Fazit : Natürlich ist "Pornorama" leidlich unterhaltend und verfügt über viele zeitgenössische und amüsante Details, welche den Trash-Liebhaber erfreuen können. Doch konsequenter wäre es, sich gleich Originale aus dieser Zeit anzusehen, denn dann bleibt dem Zuschauer die konventionelle Story erspart, die nur dazu herhält, 60er Jahre Vorurteile weiter auszubeuten.
Dabei liegt der Vorwurf gar nicht darin, diese Zeit auf wenige Elemente zu reduzieren, denn "Pornorama" behauptet gar nicht dokumentarisch sein zu wollen, sondern man spürt die Geisteshaltung der Macher, die unter dem Deckmäntelchen des "Gesellschaftlichen Aufbruchs" selbst nichts riskieren. Ganz unterschwellig spürt man einen satirischen Ansatz, aber insgesamt ist das gesamte Geschehen viel zu brav, vorhersehbar und von polierter Glätte (4/10).