Warum „To End All Wars“ bisher kaum Beachtung gefunden hat, ist schon ein kleines Phänomen, denn intensiver hat sich noch kein Film mit der POW-Thematik (POW = Prisoners Of War) auseinander gesetzt. Der Film beginnt mit einer idyllischen Kamerafahrt über die karge Küstenlandschaft Schottlands und das unendliche Meer, die symbolisch für die unberührte Freiheit stehen, begleitet von Ernest Gordon, der rückblickend, in einem inneren Monolog, „seine“ Geschichte erzählt, die im Übrigen auf wahren Tatsachen beruht.
Die Welt wollte er sehen, etwas erleben. Was eignet sich da besser als zum Militär zu gehen, dachte er sich. Voller Elan und Optimismus gab er sein behütetes Leben auf, um der schottischen Armee beizutreten und bald in japanische Gefangenschaft zu geraten. Regisseur David L. Cunnigham verzichtet auf plakative Kampfszenen, zeigt stattdessen authentische Schwarzweißaufnahmen und geht direkt in die Gefangenschaft über. Noch weiß keiner der alliierten Kriegsgefangenen was ihn in Burma bevorsteht. Die Erwartung erschossen zu werden tritt nicht ein. Sie werden in ein Kriegsgefangenenlager tief in den Dschungel deportiert. Dass die Genfer Konvention hier nicht gilt, stellen sie schon bald fest.
„To End All Wars“ ist in fast jeder Hinsicht ein einprägendes Meisterstück, dass unter die Haut geht. Bei der Ankunft sind die dort schon länger in Gefangenschaft lebenden Soldaten totaler Verwahrlosung ausgesetzt. In Apathie versunken scheint ihr Geist gebrochen, sie gleichen Zombie artigen Wesen. Der schottische Lt. Col. Stuart McLean begeht den Fehler die japanischen Soldaten zu provozieren und muss dafür mehrfach büßen. Cunningham gelingt es dabei nicht nur die Seite der Gefangenen zu beleuchten, er räumt auch den Japanern sehr viel Zeit ein und stellt ihre „Bushido“ – Religion vor. Ein Novum unter den oft Klischee behafteten Genrebeiträgen der vergangenen Jahrzehnten, die die Wärter meist als unsympathische Finsterlinge darstellte und nie näher auf ihr Schicksal eingingen.
Denn ob man will oder nicht, sind auch die Japaner alles andere als glücklich mit ihrem Posten – keiner von ihnen. Sie alle sind entweder eingeschränkt wehrtauglich oder, nach einem Vergehen, in dieses Lager strafversetzt worden. Hier leben sie, nicht ganz ohne Frust, nach dem „Bushido“. Ehre und Respekt genießen höchste Priorität. Der Einzelne ist nichts, was zählt ist der Kaiser. Dieser Glaube ist für die anfangs zu ungestümen, neuen Kriegsgefangenen nur schwer nachzuvollziehen. Grüßt man einen Wärter nicht, nimmt der das als Beleidigung auf, was wiederum Prügelstrafe nach sich zieht. Hinzu kommen die unmenschlichen Lebensumstände in diesem Camp. Das Recht des Stärkeren gilt unter den Gefangenen, wie ihnen zur Begrüßung mitgeteilt wird. Hygiene ist ein Fremdwort, die Krankenstation wurde nicht ohne Grund „Todeshaus“ getauft, alles wirkt wie ein Albtraum und doch ist es Realität.
Tief blickt der Film in die Köpfe der Gefangenen, die längst jede Hoffnung aufgeben haben. Ihr Wille ist zumeist gebrochen, da eine Flucht unmöglich erscheint. Wohin auch? Der Dschungel birgt viele Gefahren, die Essensrationen sind sowieso zu knapp und bewachen lassen sie sich mit einem Minimum von Soldaten. Jeglicher Lebensmut ist ihnen genommen, keine Ziele sind mehr vorhanden. Aus diesem Grund bricht langsam Anarchie unter den Männern aus, denn die Disziplin hat sich längst verabschiedet. Jeden Tag müssen sie in den Dschungel und, obwohl sie unter Unterernährung leiden, eine Bahnverbindung zu Ehren des japanischen Kaisers bauen. Unbarmherzige Hitze und tagelanger Regen verschlimmern die Umstände nur noch, da die Krankheiten sich noch schneller ausbreiten können.
Für mehr als der Glaube an Gott bleibt kaum noch Zeit. Angesichts dieser völligen Desillusionierung und Krankheiten wie Malaria werden erste Zeichen des Wahnsinns deutlich.
Gordon fragt sich, als ihm die Entwicklung im Lager bewusst wird „Wie lange dauert es, bis ein Mensch seine Würde verliert? Wie tief kann man sinken? Was ist der Preis fürs Überleben?“ Der Film wird es beantworten.
Um zumindest die Lage zu verbessern wird versucht die japanische Mentalität zu verstehen. Man arbeitet härter, beschließt sie zu respektieren und bekommt so die eine oder andere Vergünstigung. Um sich zu beschäftigen, wird eine kleine literarische Gruppe gegründet. Natürlich nachts und unter strengster Geheimhaltung, da Versammlungen untersagt sind. Hier wird Shakespeare zitiert und Platon gelesen, um dem Geist nicht der völligen Leere hinzugeben, sondern ihm Beschäftigung zu verpassen.
Die Bedrohung dieses Status heißt Campbell (Robert Carlyle), der immer noch den Wunsch hegt zu flüchten oder das Lager zu übernehmen und darum eine Handvoll Gleichgesinnter um sich gescharrt hat. Er wird gefragt, was er denn tun wolle, wenn sein Coup gelinge und er die Kontrolle hätte. Er weiß es nicht…
Carlyle präsentiert hier einen zutiefst loyalen Soldaten, der den Tod seines Kommandanten nie verkraftet hat, aber mit einer Gabe gesegnet ist, mit der er Leute führen kann. Sie blicken zu ihm auf, er hält sie zusammen und doch frisst im Inneren der seelische Schmerz genüsslich an seiner Geduld, die schließlich am Ende ist.
Die unvergesslichen Momente hat Carlyle gleichzeitig auch inne. Seine Szene vor McLeans Grab mit den dazu ertönenden Dudelsäcken ist genauso mitreißend inszeniert, wie seine Foltermaßnahmen im Lager, als sich die Situation dort, nach einem Luftangriff amerikanischer Bomber, völlig umkehrt und er sich, vom Instinkt getrieben, der Barbarei und Sucht nach Rache und Vergeltung hingibt. Spannend, tragisch und fesselnd auch der Moment, in dem schwer verletzte, japanische Soldaten eines benachbarten Lagers abgewiesen werden und Gordon den Befehl des Lagerkommandanten, wie auch Campbells, ignoriert und zur Hilfe eilt. Die Japaner merken nicht nur in dieser Szene, dass sie langsam aber sicher die Kontrolle verlieren und von falschen Annahmen getriebene Bestrafungen für ihre Souveränität alles andere als zuträglich sind.
„To End All Wars“ ist ein ruhiger Film, der mit seiner schonungslosen Darstellungsweise tiefgründig, wie selten ein Film dieses Themas zuvor, die Umstände in einem japanischen Kriegsgefangenenlager zeigt. Beide Seiten sind im Grunde Opfer des Krieges. Folterungen und Bestrafungen werden schonungslos wiedergegeben, ohne dass dabei auf Kunstblut zurückgegriffen wird. Tief blickt der Film in die Psyche der Beteiligten und dokumentiert den langsamen Verfall – innerlich wie äußerlich. Darstellern wie Kiefer Sutherland, der als „Yankee“ hier ebenfalls einen tragischen Wandel vollzieht, ist es zu verdanken, dass der Zuschauer sich so in die Figuren hinein versetzen kann.
Nicht mit einem Happyend, das zu dem voran gegangenen Film auch nicht gepasst hätte, sondern mit einem authentischen Treffen zwischen Ernest Gordon und Takashi Nagase (Übersetzer im Lager) im Jahr 2001 schließt „To End All Wars“ sein letztes Kapitel und hinterlässt einen berührten und beeindruckten Zuschauer, der den Stoff erst einmal verdauen muss. Kein Film der mich in den letzten Monaten mehr berührt hat.
Fazit:
David L. Cunningham schuf mit „To End All Wars“ einen ehrlichen, schonungslosen, intelligenten Antikriegsfilm, dem nur dank vereinzelter Klischees (z.B. der flüchtende, dicke Kommandant am Ende) die Höchstwertung verfehlt. Das Leben in einem Kriegsgefangenenlager wurde nie so intensiv dargestellt. Nicht nur Äußerlichkeiten, sondern auch die Auswirkungen auf die Psyche werden hier geschildert und das bei Gefangenen wie Wärtern. Exzellente Schauspieler und melancholische Dudelsackmusik runden dieses leider so unbekannte Meisterwerk ab. Wer sich einen Film zu Gemüte führen will, mit dem er sich auch im Nachhinein beschäftigen kann, ist hier absolut richtig.