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Trotz des starken Einflusses der amerikanischen Kultur auf unsere Lebensweise, gibt es nach wie vor entscheidende Unterschiede. Diese haben weniger mit europäischer Widerstandskraft zu tun, als mehr mit den infrastrukturellen Unterschieden, die sich automatisch aus den grossen Bevölkerungszahlen ergeben. Nicht ohne Grund gibt es keinerlei Angaben darüber, in welchem Ort der USA "Superbad" spielt, denn diese flächenmässig riesigen Vorstädte sind untereinander völlig austauschbar.

Die meist viele Kilometer vom eigentlichen Stadtkern entfernt liegenden Suburbs wurden mit einem Master-Plan entwickelt, nach dem sich eine bestimmten Einwohnerzahl jeweils um eine Schule und ein Einkaufszentrum mit den wichtigsten Versorgungseinheiten (Polizei, Bank, Post usw.) herum ansiedelt. Da in den USA genügend Flächen und preiswerte Finanzierungen für die typischen Fertighäuser vorhanden sind, entstehen so Monokulturen, aus denen es für die Jugendlichen kein Entrinnen gibt. Nicht nur die Ausbildung, sondern auch das Freizeitleben findet in der Regel in der riesigen Schule statt, welche auch über die entsprechenden Sportanlagen verfügt.

Das Freizeitverhalten dreht sich besonders am Wochenende in ekzessiver Form meist um Alkohol, Drogen und Sex - angesichts der fehlenden sonstigen Ablenkungsmöglichkeiten ist das keine Überraschung. Trotzdem ist "Superbad" vom Genre-Primus "American Pie" weit entfernt, denn die hier geschilderten Verhaltensmuster bemühen sich - trotz mancher für das europäische Empfinden absurder Situationen - um Normalität, womit der Film in seinem Charakter mehr "Beim ersten Mal" ähnelt, für das sich das selbe Team verantwortlich zeigte.

"American Pie" war ja gerade deshalb so erfolgreich, weil es die typischen Auswüchse an den Highschools überhöht dargestellt hatte. Die hübschen Mädchen sahen alle wie Models aus, die unattraktiven wie Schreckschrauben, die coolen Jungs sind Sportstars und die uncoolen schräge Freaks - dazu gibt es haufenweise Cabrios und Parties in Luxusvillen und eine Menge abgefahrener Spässe, die sich in der Realität kaum einer erlauben würde. Schon in einer der ersten Szenen in "Suberbad" erkennt man den Unterschied dazu, als Seth (Jonah Hill) und sein bester Freund Evan (Michael Cera) in der Mensa gemeinsam essen und Evan schon vor dem Nachtisch aufbrechen will. Seth bittet ihn, ihn nicht allein zu lassen, denn sonst sässe er genauso einsam da, wie ein anderer Schulkamerad, auf den er verweist.

Diese kleine Szene verdeutlicht, dass hier wesentlich subtiler die einzelnen psychischen Vorgänge geschildert werden und das auch vermeintliche Loser wie Seth und seine beiden Freunde, die auf Grund ihrer Optik und Verhaltensweisen vordergründig nicht cool wirken, ihre eigene Wertigkeit haben. Der Unterschied liegt auch darin, dass sie gar nicht anstreben zu den Typen dazu zu gehören, die sie immer mal wieder drangsalieren. Diese Vorgänge der jeweiligen Über- bzw. Unterlegenheit werden hier völlig alltäglich geschildert. Das ihm irgendein Kerl seine Bücher vom Tisch schmeisst oder ihn anrotzt, ist zwar nicht angenehm, aber kaum noch der Rede wert. Man hat sich daran gewöhnt und der Film widmet sich diesen Verursachern nur wenige kurze Momente, während in den üblichen Highschool-Filmen diese Auseinandersetzungen meist den Mittelpunkt darstellen.

In "Superbad" geht es viel mehr um Freundschaft und schon bei der ersten Frage von Evans Mutter, ob es Seth und ihr Sohn aushalten werden, ab dem Studium getrennt zu sein, verdeutlicht die innere Thematik. Das der dicke Seth gleich zu Beginn über Pornoseiten im Internet philosophiert und über Frauen meist nur verbalerotisch redet, während der etwas blasse Evan eher zurückhaltend ernst ist, mag dem typischen Klischee entsprechen, wirkt hier aber nicht aufgesetzt. Auch der Dritte im Bunde - Fogell (Christopher Mintz-Plasse) - fügt sich als schräger Side-Kick gut ein, was auch dadurch gelingt, dass es "Superbad" in seinen charakterlichen Einordnungen nicht übertreibt. So ist es Seth durchaus bewusst, dass er mit seinem Aussehen bei den hübschen Mädchen keine Chance hat - vergleicht man dagegen "American Pie" mit seinen Freaks ("Sherminator"), die auch bei ständigen Misserfolgen ihre Selbstüberschätzung nicht verlieren, erkennt man den inhaltlichen Unterschied.

Auch die Mädchen sind hier nicht halb so glamourös und haben nicht nur Mode und Luxus im Kopf. Becca (Martha MacIsaac), an der Evan interessiert ist, erscheint durchaus die passende Wahl und auch als Seth mit Jules (Emma Stone) im Unterricht zufällig zusammenarbeitet, reagiert diese keineswegs hochnäsig, sonderen lädt den witzigen Typ zu ihrer abendlichen Party ein. Allerdings lässt Seth dabei heraushängen, dass er problemlos Alkohol besorgen kann, da er einen gefälschten Ausweis hätte (ein Problem für alle unter 21 Jahren, dass in "American Pie" gar nicht existiert). Jules gibt ihm hundert Dollar und Seth hat ein Problem, denn nicht er, sondern nur sein noch viel jünger aussehender Freund Fogell hat diesen Ausweis, der dabei noch so schlecht gefälscht ist, dass nur ein Blinder darauf reinfallen könnte...

Die sich daraus entwickelnde Story zeichnet sich durch manche Absurditäten aus, für die vor allem zwei hinzugerufene Polizisten und Fogell zuständig sind. Diese Storyline wirkt etwas unrealistisch, scheint aber in die gesamten Abläufe eines abendlichen Samstags zu passen. Die USA gibt dabei ein schlechtes Bild ab, denn die Geschehnisse, die hier geschildert werden, sind weder besonders witzig noch wirklich unterhaltend, sondern eher befremdend in ihrer Sucht nach irgendeiner Ablenkung.

Unterstützt wird das noch durch die filmische Umsetzung, deren Bilder fast trübe wirken mit ihren dunklen geraden Strassen und den verwechselbaren Häusern mit gutbürgerlicher Einrichtung. Auch das Tempo ist eher niedrig und vermittelt gut das ewige Herumgehänge und die oft inhaltlose Laberei. In diesem Zusammenhang sollte man auch die ständige Fäkalsprache nicht überschätzen oder als überzogenes Element ansehen, da davon auszugehen ist, dass auch hier ein realistischer Ton getroffen wurde. Ähnlich sind die wenigen Aktionen, wie etwa die Schlägereien oder der angehende sexuelle Verkehr, hier sehr uncool dargestellt.

In "Superbad" wird das Ende der Jugendzeit aus männlicher Sicht durchaus sensibel nachempfunden und das eigentliche Happy-End findet deshalb auch nicht am Ende des Films statt, sondern als sich Seth und Evan nebeneinander im Schlafsack ihre gegenseitige Liebe erklären. Das mit den Frauen - das gehört zum Erwachsenwerden, zu den erzwungenen Veränderungen nach dem Ende der Kindheit und es ist ein Weg in die Ungewissheit - selten wurde das in einem Film deutlicher gezeigt.

Fazit : "Superbad" krankt ein wenig an der Erwartungshaltung der Kinoseher, die diesen Film in der Nähe von Filmen a lá "American Pie" vermuten. Dazu wirken die Sprache und manche Ereignisse auf uns europäische Zuschauer etwas gewöhnungsbedürftig und unterstreichen damit den scheinbaren Komödiencharakter.

Doch "Superbad" ist eine sensible und gut beobachtete Studie des Endes der Kindheit und der Angst vor Veränderungen, die hier am letzten Schultag kulminieren und aus der Sicht eher durchschnittlicher amerikanischer Jungs gezeigt werden (wer diese als Loser ansieht, sollte seine eigenen Wertungsmassstäbe einmal hinterfragen). Nicht wirklich witzig und mit einigen Ansätzen zum "Fremdschämen" versehen, zeigt sich hier eine Welt, die sehr nahe am amerikanischen Alltag ist, was auch die überaus positive Resonanz erklärt, die dieser Film in seinem Heimatland hervorgerufen hat (8/10).

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