Gute Komödien zeichnen sich manchmal dadurch aus, dass ihr Witz aus dem Alltäglichen stammt und nur wenige Nuancen die Grenze zur Absurdität überschreiten. Man spürt dabei immer auch die Realität und kann sich nie ganz sicher sein, ob die dargestellten Szenen nun übertrieben sind oder nicht.
Gute Komödien können auch völlig aberwitzige, slapstickartige Situationen schildern, die jenseits jeder Realität stattfinden, aber gerade durch ihre Extremität wiederum Rückschlüsse auf den alltäglichen Irrsinn zulassen. "Bis zum Ellenbogen" verbindet beide Stilmittel und gewinnt damit einen sehr eigenständigen Charakter, der aber nicht vollends überzeugen kann.
Der Beginn ist eindeutig der Realsatire gewidmet, denn das zufällige Zusammenkommen der drei deutschen Männer in den Schweizer Alpen könnte genau so passiert sein. Zwar werden hier drei Prototypen der männlichen Mittvierziger aufeinander losgelassen, die klischeehaft etwas übertrieben gestaltet sind, aber deshalb keineswegs unrealistisch wirken. Achim Delvental (Jan Josef Liefers) ist der typische Macher, der ständig am Handy irgendwelche Anweisungen gibt, sich natürlich nur mit Luxusartikeln umgibt und sein Dasein für äusserst wichtig hält. Willi Kolb (Stefan Kurt) ist dagegen ein Hartz 4-Empfänger, der sich mit allerlei Arbeiten durchschlägt und sich die Rolle des Staatskritikers aneignet.
Das Aufeinandertreffen der beiden äußerlich sehr verschiedenen Männer offenbart sehr schnell, dass sie sich in ihrem Egoismus sehr ähnlich sind und das die selbstgewählte Fassade (Willi ist natürlich links, Achim FDP-Wähler) nur dafür da ist, um sich selbst eine Rolle zu geben. Schon in den ersten Minuten wird klar, dass beider Selbstbewusstsein sehr hohl ist und wenig mit ihren Realitäten zu tun hat. Deutlich wird das vor allem durch den Dritten im Bunde, den Regisseur Justus von Dohnanyi selbst als bescheidenen, bürgerlichen Bankkaufmann Sven gibt.
Im Gegensatz zu den beiden eher unsympathischen Typen ist er die einzige authentische Figur, die von den Anderen nach Strich und Faden ausgenutzt wird. Sven, der anders als Achim und Willi
über eine solide Existenz verfügt, versucht keine Sekunde etwas vorzutäuschen ,erzählt offen über berufliche Probleme und privaten Kummer und drückt seine Freude über die Anwesenheit der beiden anderen Männer aus, die ihn aus seiner Einsamkeit befreien.
In diesen ersten etwa 20 Minuten ist "Bis zum Ellenbogen" sehr überzeugend, denn ihm gelingt an Hand eines Mikrokosmos ein sezierender Blick auf die aktuelle Psyche der deutschen Gesellschaft - wurscht ist, was dahinter steckt, hauptsache man hat gute Laune. Hier wird ein Bild gezeichnet, dass verdeutlicht, dass ein solides Arbeitsleben heute nichts mehr zählt ,denn Sven wird von den beiden Anderen keineswegs ernst genommen und er vermittelt auch dem Zuschauer in seinem Frust keine Lebensqualität. Achim und Willi, die auch durch Svens Offenheit keineswegs vertraulicher oder ehrlicher werden, haben sich zwar verschiedene Nischen ausgesucht, aber pflegen Beide jeweils den äußeren Schein, der sie immerhin bei guter Laune hält.
Das Zusammenleben der drei Männer, die sich vor allem dank Svens unermüdlichem Einsatz immer besser verstehen, ist in seiner Gestaltung sehr nahe an der Realität und hat kaum witzige Momente, sieht man einmal davon ab, dass man manchmal erstaunt ist über die Unverfrorenheit von Achim und Willi. Das ändert sich schlagartig mit Svens Unfall-Tod und es stellt sich die Frage, was Justus von Dohnanyi, der auch das Drehbuch schrieb, damit bezweckte. Das die Beiden in dieser Situation zusammenarbeiten würden, überrascht nicht mehr, denn trotz ihrer scheinbaren Verschiedenheit, musste ihnen klar geworden sein, dass sie sich in ihrem Charakter sehr ähnlich sind. So erfolgt der Transport von Svens Leiche an "den Ellenbogen" der Nordsee keineswegs aus freundschaftlichen Gefühlen, sondern soll zum Einen verhindern, dass die Polizei unangenehme Fragen stellt, zum Anderen hat Achim noch den Hintergedanken, mit Svens Leiche dessen Bank in Norddeutschland auszurauben - eine Idee, die keineswegs Willis Widerspruch herausfordert, sondern ihn ohne zu Zögern mitmachen lässt...
Vielleicht wollte Von Dohnanyi seinem Film einfach einen witzigeren Gestus geben, aber er greift dabei auf Szenen zurück, die aus der Klamottenkiste des Slapstick stammen und nicht zum satirisch-ernsten Beginn passen. Das Svens Leiche gegen einen Holzstapel kracht, vom Autodach fliegt und immer irgendwelche Geräusche von sich gibt, gibt dem Ganzen zwar einen makabren Anstrich, wirkt aber unangenehm aufgesetzt. Auch die Szene an der schweizerischen Grenze, als Willi uncool reagiert, während Achim nichts aus der Ruhe bringt, ist in ihrer Gestaltung stark überzogen, kann aber die beiden Charaktere zuerst stärker ausgestalten. Nur stellt sich diese Szene als völlig haltlos dar, wenn Willi einen Tag später in einem Krankenhaus plötzlich in einer ähnlichen Situation souverän seine Rolle runterspielt.
Dabei kann man immer wieder Hinweise auf den satirischen Charakter erkennen, wenn zum Beispiel Deutschland-Fähnchen und Fanbegeisterung zur Fussballweltmeisterschaft ins Bild gerückt werden. Justus von Dohnanyi lässt nicht zufällig ein Jahr nach der WM seine Geschichte im letzten Sommer spielen, denn der Weg der beiden "Lebenskünstler" führt sie durch ein Gebiet der aufgeheizten und unwirklich wirkenden Emotionen. Auch der Anblick von Willis Lebensverhältnissen und Achims Gespräch mit seiner wütenden Ehefrau verstärken den Eindruck des Niedergangs, aber beide Szenen werden wieder abgeschwächt durch blödsinnige Einlagen wie der Heckenscherenfall des unnötigen Nachbarn in Svens Leiche, dem Abtransport nebst Knochenbruch in einer Mülltonne und dem wahnsinnig überraschenden Kleinwagen in Achims Garage.
Diesen unausgewogenen Charakter aus satirischen Seitenhieben und komödiantisch überzogenen Einfällen behält "Bis zum Ellenbogen" bis zum Schluss bei. Zwar werden die beiden Protagonisten, die sich in ihrem Charakter nicht ändern, aber immerhin begreifen ,dass sie zusammen mehr erreichen können, mit der Zeit sympathischer - was auch am überzeugenden Spiel von Liefers und Kolb liegt - aber es ist nicht zu erkennen, was Von Dohnanyi mit seinem Film letztendlich bezweckte. Der sezierende Blick des Anfangs geht über eine Vielzahl von komödiantischen Einlagen verloren und kann deshalb auch am Ende, welches diesen Charakter wieder aufnimmt, nicht mehr überzeugen.
Fazit : "Bis zum Ellenbogen" vermischt einen kritisch-satirischen Blick auf die deutsche Gesellschaft mit einer slapstickartigen-makabren Komödie. Wer sich auf die Satire einlässt, kann mit den vielen Deformierungen, die Svens Leiche erleiden muss, wenig anfangen, wer Spass an diesem Geschehen hat, wird sich in der Anfangssequenz eher langweilen und öfter über schwache Witze klagen.
Trotz dieser Unausgewogenheit hinterlässt "Bis zum Ellenbogen" insgesamt einen positiven Eindruck, auch weil der Film abwechslungsreich und schnell inszeniert ist und besonders die Angfangssequenz ohne Abstriche überzeugen kann (6,5/10).