Die Maßstäbe im Leben der 9jährigen Miranda haben sich verschoben. Wenn man ein Modell eines spanischen Forts mit in die Schule bringt, in dessen Innenhof viele kleine Leichen liegen, die an einem eingeschleppten Virus der Eroberer gestorben sein sollen, dann kann man den Termin beim Schuldirektor gleich buchen. Seitdem ihre Mutter die Familie verlassen hatte, wird sie von ihrem Vater Charlie (Michael Douglas) allein erzogen, und dieser hat ganz eigene Vorstellungen vom Leben und seinen Realitäten.
Diese Erfahrungen liegen schon einige Jahre hinter ihr, als sie zu Beginn des Films ihren Vater aus einer Heilanstalt, in der er fast zwei Jahre verbringen musste, abholt, aber die Auswirkungen sind offensichtlich. Obwohl Miranda (Even Rachel Wood) erst knapp 17 Jahre alt ist, wirkt sie in ihrem Verhalten um ein Vielfaches reifer als ihr Vater, der eher an einen verwirrten Waldschrat erinnert. Noch minderjährig hatte sie sich ein Auto gekauft, die Schule verlassen, um einen Job anzunehmen, und hatte zwei Jahre allein in dem alten Haus gelebt, welches ihre Familie zu einem Zeitpunkt in der kalifornischen Steppe baute, als noch Niemand in dieser Einöde leben wollte.
Doch auch dieser Maßstab hat sich verändert, denn inzwischen entstehen ständig neue Einfamilienhäuser und Supermärkte in ihrer Umgebung. Das ficht ihren Vater nicht an, der sich - kaum aus der Nervenheilanstalt entlassen - wieder auf die Spuren eines alten Tagebuchs setzt, in der ein Padre von einem spanischen Dublonenschatz erzählt. Gezielt gräbt er an den dort beschriebenen Stellen, aber die Spur führt ihn direkt in einen riesigen Supermarkt, unter dessen Betonbodenplatte der Schatz verborgen sein soll…
„King of California“ erzählt eine Geschichte über ein klassisches Thema, aber Regisseur und Drehbuchautor Mike Cahill fand eine sehr eigenständige Form der Umsetzung. Er stellt eine unangepasste Lebensform, die weltfremd und altmodisch wirkt, den heutigen Zeiten mit ihren selbstverständlichen Umgangsformen gegenüber, aber durch den Vater-Tochter-Konflikt verdeutlicht er auch, dass diese Individualität in der Erziehung eines Kindes Grenzen hat. Obwohl Cahills Sympathien eindeutig auf Seiten des „Losers“ Charlie liegen, vermittelt er auch dessen Egoismus und völlige Unfähigkeit, sich in die eigene Tochter einzufühlen. Diese hat sich gezwungenermassen von ihrem Vater entfremdet. In ihrer notorischen Verweigerung, ihn „Dad“ zu nennen, versucht sie dem Ausdruck zu geben, aber es ist immer offensichtlich, dass sie ihn liebt.
Cahills Umsetzung überzeugt besonders darin, diese gesamten Konflikte lakonisch und in sehr ruhiger Form zu erzählen. Unterstützt wird er darin von Michael Douglas, der der Versuchung einen von Depressionen und Visionen geplagten Mann mit expressiven Mitteln darzustellen, nicht erliegt, sondern auch Even Rachel Wood für ihre ruhigere Rolle genügend Raum gibt. Trotz der dramatischen Konstellation verfügt der Film durch den Verzicht auf Sentimentalitäten über ein komödiantisches Potential, welches die unmaßstäblichen Dimensionen wieder zu recht rückt – auch ein etwas verrückter Vater und sein Versuch in einem Supermarkt einen alten Schatz zu heben sind von dieser Welt, genauso wie es nicht nötig ist, die üblichen Konventionen zu lehren, um seinem Kind Stabilität zu geben…
Fazit: Ruhig und unprätentiös erzählter Film, dem es gelingt einen Vater-Tochter-Konflikt ohne übertriebene Dramatisierungen zu schildern. Cahills Erstlingswerk kann durch eine schlüssige Inszenierung, eine originelle Geschichte mit amüsanten Momenten und nicht zuletzt zwei sehr guten Hauptdarstellern überzeugen (7,5/10).