Jetzt weiß ich endlich, warum es in den USA so viele Serienkiller gibt - es wird ihnen verdammt leicht gemacht.
So hatte der Kerl, der sieben Frauen auf bestialische Art und Weise umgebracht hatte und diese dann in einer Wand seines Hauses in Austin, Texas, eingemauert hatte (wo sie dann gefunden und für das Internet abgelichtet wurden), das Haus einfach unter falschem Namen gemietet - verdammt guter Trick ! Und dann trug er wahrscheinlich jahrelang eine Gesichtsmaske, damit ihn weder Nachbarn, der Vermieter oder der Milchmann wiedererkennen konnten. Arbeiten musste er selbstverständlich auch nicht, wozu er sowieso wegen seines zeitaufwändigen Hobbies kaum gekommen wäre...
Jedenfalls vermutet Kale (Shia LaBeouf), dass es sich bei seinem Nachbarn Mr. Turner (David Morse) um besagten Killer handelt, nachdem er die Vermisstenanzeige einer jungen Frau, die ins Beuteschema des oben beschriebenen Mörders passt, im Fernsehen sah und ein blauer Ford Mustang mit Beule gesucht wurde. Und als dann kurz darauf genauso ein Ford in die Garage des Nachbarn fährt und dieser tatsächlich auch eine Beule am linken Kotflügel hat, liegt der Verdacht nah. Da hatte Mr.Turner (oder wie er auch immer richtig heisst) in Austin verdammt viel Glück, dass er dort nicht so einen aufmerksamen Nachbarn hatte.
Allerdings hatte sich Kale in den Jahren zuvor auch noch nicht mit ihm beschäftigt, doch zu Mr.Turners Unglück muss Kale nach einem Faustschlag in das Gesicht seines Spanischlehrers eine Fussfessel tragen, weil er zu drei Monaten Hausarrest verurteilt wurde. Nachdem ihm seine Mutter (Carrie-Ann Moss) zudem noch X-Box und Fernseher weggenommen hatte, blieb dem armen Jungen nichts anderes übrig, als seine Nachbarn auszuspionieren. Zum Teil durchaus aus erfreulichen Gründen, weil wundersamer Weise die hübsche Ashley (Sarah Roemer) in die Luxus-Nachbarvilla einzog und sich regelmäßig im knappen Bikini im Swimmingpool tummelt, zum anderen aus eher gruseligen Gründen, wenn Kale das Treiben des Mr.Turner beobachtet.
Nun wird von allgemein begeisterter Kritikerseite gerne der Vergleich zu Hitchcocks "Fenster zum Hof" gezogen, da es hier ja auch vordergründige Verknüpfungspunkte gibt - der Blick durchs Fernglas und Kales beschränkter Bewegungsraum, der durch witzige Szenen erfahrbar gemacht wird. Allerdings wars das auch schon mit den Ähnlichkeiten, denn leider verzichtet "Disturbia" in den wichtigsten Punkten auf die Nachahmung des vermeintlichen Vorbildes.
So dauert es bei Hitchcock sehr lange, bis der Mörder den Beobachter entdeckt, weswegen es auch logisch ist, warum dieser bis zum Verscharren der Leiche sein Werk fortsetzt. Hier dagegen bemerkt Mr.Turner schnell den ungebetenen Zeugen, ohne das ihn das davon abhält, seine Taten weiter auszuführen. Zudem ist Kales Einschränkung eher theoretischer Natur, da er selbst völlig beweglich ist und die Überschreitung der Demarkationslinie sogar den Vorteil hat, dass die Polizei gleich angetrabt kommt. Die gesamte klaustrophobische Situation, in der sich James Stewart bei Hitchcock befindet, gibt es hier gar nicht, da auch Kales Freunde seinen Verdächtigungen sehr schnell Glauben schenken, während Grace Kelly lange skeptisch blieb. So kommt es nach einer Übertretung des Arrestraumes auch zu einer kurzen polizeilichen Besichtigung von Mr.Turners Haus, bei der natürlich nichts gefunden wird. Spätestens jetzt wäre eher eine Pause beim Killen angeraten und dann ein dezenter Umzug. Vielleicht käme er nochmal mit dem falschen Namen davon ?
Doch stattdessen vertreibt sich Mr.Turner lieber seine Zeit mit uneffektiven Drohgebärden und genau hier verliert der Film jegliche Glaubwürdigkeit, die letztlich auch die Spannung deutlich sinken lässt. So brutal und konsequent der Mann sonst ist, so schlaff ist er gegenüber unseren Freunden. Während einem Polizisten mit einem kurzen Griff das Genick gebrochen wird, droht er Miss Ashley mit dem Zeigefinger und haut mit dem Baseball-Schläger immer so sanft zu, dass die netten Jungs nur mal kurz entschlummern. Keine Sekunde kann "Disturbia" die Atmosphäre wirklicher Gefahr aufbauen, so dass das actiongeladene Treiben immer hohl bleibt.
Aber da gibt es ja noch das Serienkiller-Motiv und mit diesem Pfund wird hier erfolgreich gewuchert. Die vielen Andeutungen und die grässlichen Bilder im Internet bereiten den Betrachter auf grauenhafte Entdeckungen vor, die dann auch von Kale gemacht werden. Gut das er dabei genug Musse hat, denn obwohl der Killer vor der Tür steht, lässt er sich viel Zeit ,bis er wieder hinein geht, damit Kale in Ruhe in das nachbarliche Haus eindringen kann und dem Zuschauer alles zeigen kann.
Problemlos könnte man noch weitere Storyschwächen auflisten, aber das würde darüber hinweg täuschen, dass "Disturbia" durchaus unterhalten kann. Das liegt zum Einen am Hauptdarsteller, der locker und sympathisch spielt, und an der schnellen Inszenierung, die in der ersten Hälfte eher wie ein Teenager-Film rüberkommt und die Annäherung zur schönen Nachbarin beschreibt. Zwar verzichtet "Disturbia" dabei auf alberne Effekte, aber die Emotionen wirken nicht überzeugend und Ashleys schnelle Begeisterung für ihren Nachbarjungen eher unglaubwürdig.
Das was "Disturbia" allgemein positiv angerechnet wird, ist meiner Meinung nach seine grösste Schwäche - der Genremix aus Thriller und Teenie-Komödie. Der Film kann sich nicht entscheiden ,weswegen ihm jegliche Konsequenz fehlt. Die Love-Story wird viel zu schnell abgehandelt, der Tod des Vaters wird nur auf Kales Überreaktion, die zum Arrest führt, reduziert, die Verdachtsmomente gegen den Nachbarn werden zu schnell erhärtet und dessen abschliessende Reaktion passt nicht im Geringsten zu einem erfahrenen Serienkiller, der schon jahrelang der Polizei entkommt.
Auf Emotionen, die Spannung erzeugen könnten, wird völlig verzichtet - so regen Kale weder Selbstzweifel, noch Trauer, noch Verunsicherung, noch Schüchternheit gegenüber der Nachbarin - er ist hier immer ein actiongeladener junger Mann, der Mal zornig werden kann, der aber niemals zögert, wenn er Jemand zu Hilfe kommen muss. "Disturbia" zeichnet sich durch völlige Glätte aus, da die hier beschriebenen Probleme nur Oberfläche sind und sich nie im Verhalten widerspiegeln.
Fazit : Bei Filmen wie "Disturbia" ist man schnell bereit, über Logiklöcher und fehlende charakterliche Vertiefungen hinwegzusehen, weil hier alles so schön munter abläuft, hübsche Mädels zu sehen sind, das eine oder andere Späßken gemacht wird und es dazu noch einen bösen Serienkiller gibt. Was will man mehr ?
Verdammt viel - Glaubwürdigkeit der Charaktere, Schlüssigkeit der Handlung, wirkliche Überraschungseffekte und eine dichte Atmosphäre, die echte Gefahr vermittelt. "Disturbia" ist ein sympathischer Film, der ein paar nette Ingredenzien besitzt, aber deshalb ist er nicht gut und leider nur ein weiteres Produkt des immer mehr am Massengeschmack orientierten Kinos (3,5/10).