"Wild Hogs" hätte man als typisches geistloses Kommödchen hollywoodscher Schubladenmachart abtun können, wenn die Macher sich nicht eingebildet hätten, ihre Story über frustrierte Exemplare der Midlife-Krisis ausgerechnet unter dem Deckmäntelchen der Motorradgangs und ihrem anarchistischen Freiheitsdrang anzusiedeln. Ganz bewusst zieht der Film eine Verbindung zum Klassiker des Genres "Easy Rider", auch wenn der Originaltitel im Gegensatz zu dem Deutschen wenigstens noch so viel Respekt aufweist, nicht direkt darauf anzuspielen.
Nun wäre es völlig legitim, sich mit einer abgedrehten Komödie auch über das 69er Original lustig zu machen, aber "Wild Hogs" geht den konsequenten Weg der Anpassung, sowohl an die aktuellen Moralvorstellungen in den USA als auch an die "Legendenbildungen" über das angeblich so unabhängige Biker-Leben. Das zeigt sich keineswegs nur in den vier Figuren, die hier mit ihren ständig blankgewienerten Harleys über die staubigen Strassen fahren, sondern in sämtlichen Nebenfiguren, die entweder einen übertrieben chargierenden "bösen" Motorradboss abgeben (Ray Liotta) ,brave Dorfpolizisten mimen, die selbstverständlich keinerlei Vorurteile gegenüber den "Lederkerlen" haben, oder zickige Ehefrauen darstellen, die ihren Ehemännern das Leben schwer machen.
Spätestens die Szene, die hier zum Kulminationspunkt der Story hochstilisiert wird, zeigt deutlich, dass die Story nicht ernst gemeint sein kann. Woody (John Travolta) kehrt noch einmal allein zu der Kneipe der "bösen" Motorradgang zurück, um Dudleys (William H.Macy) gestohlenes Motorrad zurückzuholen. Bevor er damit wegfährt, schneidet er noch schnell die Benzinleitungen der anderen Motorräder durch. Erst dann erkennen die zahlreichen Gangmitglieder seine Tat und rennen nach draussen, allerdings ohne das inzwischen ausgelaufene Benzin trotz des starken Geruchs zu bemerken. Liottas achtlos weggeworfene Zigarette entzündet sofort das Benzin und führt zu der unmittelbaren Explosion der Kneipe. Nicht nur , das das in der Kürze völlig unmöglich ist ,sondern auch der Fakt, dass dabei selbstverständlich Niemand zu schaden kommt (merkwürdigerweise scheinen wirklich alle Gangmitglieder, incl. des Barkeepers gleichzeitig herausgelaufen und auf Abstand gegangen zu sein), verdeutlicht, dass sämtliche Konflikte hier an den Haaren herbeigezogen sind.
Wenn sich Regisseur Walt Becker konsequent seiner Märchengeschichte gewidmet hätte, wären solche unlogischen Aspekte völlig nebensächlich, aber die Story kann es nicht lassen, ständig Themen wie Unabhängigkeit, persönliche Freiheit und Selbstverwirklichung anzusprechen. Dabei handelt es sich bei den vier Freunden (mit der sehr dezenten Ausnahme von Dudley) keineswegs um Freigeister, denen die Gesellschaft etwa in Gestalt ihrer Ehefrauen oder Arbeitgeber fiese Grenzen aufgelegt hätten. Man fragt sich ernsthaft, was sie vor der hier spontan beschlossenen "Abenteuerfahrt" jemals mit ihren Motorrädern gemacht haben - ausser sie jeden Tag zu putzen - ganz abgesehen davon, dass Bobbys (Martin Lawrence) Kritik an seiner angeblich geizigen Ehefrau wenig glaubhaft ist, wenn sie ihm bisher die teure Maschine erlaubt hat.
Besonders gut ist das in einer der peinlichsten Szenen zu erkennen, deren primitiver Humor niedrigsten Ansprüchen genügt. Als sich die vier Herren entschliessen, in freier Wildbahn in einem (sehr künstlich aussehenden) Teich zu schwimmen, lassen sie bis auf Dudley ihre Unterhosen an, von denen sie sich dann in einem gemeinsamen Akt mutigster Freiheit entledigen. Trotz einsamster Ortslage erscheint plötzlich - Stichwort Komödie - eine Familie mit kleinen Kindern, die sich natürlich nicht von den vier wilden Gesellen abschrecken lässt, sondern sich sofort in die Fluten stürzt, um dann genauso schnell wieder empört zu entfliehen, als sie der männlichen Nacktheit gewahr wird.
Könnte man das noch wohlwollend als sanfte Kritik am amerikanischen Puritanismus deuten, verhalten sich unsere Freunde kurz danach ähnlich. Denn als ein offensichtlich schwuler Streifen-Polizist (John C. McGinley) ebenfalls das Gewässer betritt, stürzen die vier Biker geradezu panisch aus dem Wasser, was der Film noch durch eine übertriebene Straffung der Szene unterstützt. Dabei ist gar nicht der homophobe Charakter, der sich verhältnismässig dezent durch die gesamte Story zieht, als solcher zu kritisieren, sondern der kindlich unreflektierte Umgang damit. Für ein amerikanisches Publikum, dass sich vor nackten Penissen und leichtesten Tendenzen der Homosexualität wahnsinnig zu fürchten scheint, wird hier ein Grusel-Effekt hervorgerufen, der auch zum Lachen animieren kann, aber der angeblichen Suche nach der eigenen Freiheit wird damit ein Bärendienst erwiesen.
Egal ob Dougs (Tim Allen) Frust beim langweiligen Zahnarztdasein nebst fehlender Anerkennung des Sohnes, ob Woodys finanzieller Bankrott, ob Bobbys Dasein als Pantoffelheld oder Dudleys Misserfolg bei Frauen - sämtliche Konflikte werden auf das konventionellste gelöst und weisen nicht den Funken eines anarchistischen Freiheitsgedankens auf. Die Gesellschaft wird nicht in Frage gestellt - es genügt ein Schlag mit der Faust, ein wilder Motorradritt und das Einstehen für seine Freunde in der (angeblichen) Not, um alles in Wohlgefallen aufzulösen - Fortsetzung ansonsten wie bisher. Wo kämen wir denn dahin, wenn wirklich Jemand sein bisheriges Leben in Frage stellen würde ?
Alle diese Kritikpunkte könnte man mit dem Hinweis abtun, dass es sich hier um eine harmlose, voraussehbare Komödie handelt, die nur gut unterhalten will. Aber genau das tut sie nicht, denn ihr fehlt dafür jede Tiefe und ein glaubwürdiges Szenario. Gerade im Vergleich zu "City Slickers" kann man das gut erkennen, denn dieser Film, der sich einem ähnlich Mythos - den Cowboys - widmet, verfügt über die ironische Distanz, die den "Wild Hogs" fehlt. Wenn dort am Ende die Protagonisten in ihre Heimat zurückkehren, dann ist dem Zuschauer bewusst, dass kurzfristiges "Cowboy-Spielen" keineswegs genügt, um seinen Alltag in den Griff zu bekommen. Die Charaktere sind dort wesentlich differenzierter ausgestaltet, woraus auch die eigentliche Komik entspringt.
Fazit : "Wild Hogs" ist ein Fake - gut auch an der finalen nicht originalen Version von "Good Vibrations" zu hören - dass auf Feel-Good-Movie, Coming-of-Age und freiheitliches Denken macht, aber tatsächlich angepasstestes Hollywood-Komödien-Kino der anspruchslosesten Sorte bietet. Auch die ordentliche Riege guter Schauspieler kann nicht darüber hinwegsehen lassen, dass rücksichtslos Raubbau an anarchistischem Gedankengut betrieben wird und gleichzeitig konventionellste Anpassunng gepredigt wird (2,5/10).