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Wacken. Ein Heimatfilm.

In der nördlichen Provinz bei Itzehoe liegt dieses nicht einmal zweitausend Seelen zählende Dorf, das aufgrund des Open Air Festivals dennoch einen internationalen Ruf hat und einmal jährlich zig tausende Besucher anzieht, die so gar nicht in das vorherrschende Bild passen.

Doch von Aufstand der Bewohner keine Spur. Im Gegenteil, die meist eher Konservativen nehmen’s vornehmlich gelassen und haben sich arrangiert. Das Festival besteht ja nun auch nicht mehr erst seit gestern und jeder hat seinen persönlichen Weg gefunden, damit umzugehen. Die Dorfjugend begibt sich natürlich ins Getümmel, der Pfarrer und so mancher Senior fährt in Urlaub, wer zu Hause bleibt betätigt sich als Ordner und Fremdenführer oder eröffnet die Megasause gleich selbst mit der Kapelle, die jedes Jahr mit Blasmusik den Auftakt markiert.

Doch das Festival ansich steht ja gar nicht zentral im Fokus des wohl menschlich witzigsten Dokumentarfilm des Jahres, der zurecht schon im Vorfeld in Feuilletons gelobt und Kultursendungen herausragend besprochen wurde, aber leider mit nur sehr wenig Kopien an den Kinostart ging. Es sind die Bauern und Angestellten die diesen Film ausmachen, die Jugend und vor allem die Senioren die ihn tragen, schlicht: Die Bewohner von Wacken. Dem Dorf. Nicht dem Open Air.

Natürlich kann man über das Dorf Wacken keine Doku drehen ohne auf die Massenveranstaltung einzugehen, doch Cho Sung-Hyung beschwört keinen künstlich aufgebauschten Konflikt herauf den es so nicht gibt und lässt die Bewohner für sich selbst sprechen. Das ist mitunter überaus amüsant, doch niemals peinlich oder entblößend. Bauer Plähn plaudert verquickt über Gott und die Welt, erklärt Cho Sung-Hyung den Unterschied zwischen "Kuh" und "Jungtier" und lässt es sich einfach gut gehen. Das seit einer halben Ewigkeit verheiratete Ehepaar Trede muss bisweilen untertitelt werden wenn der Dialekt zu starkt wird, hat es aber ebenfalls faustdick hinter den Ohren und sorgt für prächtige Momente. Ebenso die beiden Seniorinnen, die hinter stets hoch aufgetürmter Kuchenplatte über ihre Sicht der Dinge sinnieren. Eine eher tragische Figur stellt dagegen Norbert Venohr dar, der eigentlich Mitbegründer des Wacken Open Airs war, aber ausstieg als die Sause größer wurde, ihm die ganze Sache finanziell zu heikel wurde und über den Kopf wuchs. Nun ist er arbeitslos und schraubt weiterhin an seinem Motorrad herum.

Konterkariert wird sie Szenerie der Interviews und Einblicke in das Dorfleben jeweils mit kurzen Einblendungen der Aufbauarbeiten des Festivals, sozusagen die Ruhe vor dem alljährlich unvermeidlichen Sturm, bis die beiden Welten gegen Ende sozusagen erneut aus dem theoretischen in den wirklichen Kontakt treten. Neben der sehr behutsamen punktuell scheinbar tröpfelnden musikalischen Untermalung, die den Bildern des Dorfes einen ganz eigenen touch gibt, mischen sich immer mal wieder vereinzelte Klänge der härteren Gangart, doch bleibt man auch hier insgesamt recht sparsam, was sicherlich die richtige Entscheidung war.

So wie das Dorfgebiet in den ganz speziellen Tagen des Jahres die denkbar unterschiedlichsten Menschen friedlich beherbergt, ist "Full Metal Village" im Grunde für jeden etwas. Schon allein das Kinopublikum zeigt, dass die ganze gesellschaftliche Bandbreite daran Gefallen finden kann. Neben Studenten und jugendlichen Metalfans mit langer Mähne finden sich Mittsechziger der kulturellen Bildungsschicht ein. Teilweise wird an unterschiedlichen Stellen geschmunzelt, aber auch bei denselben Szenen gelacht. Gelohnt hat es sich den Reaktionen und Gesprächen nach für alle.

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