Letztens durfte ich in großen Lettern auf einem Kleintransporter den Satz "Todesstrafe für Kinderschänder" lesen und alleine die Tatsache, wie unumwunden mit dieser dem Grundgesetz widersprechenden Forderung an die Öffentlichkeit gegangen wurde, verdeutlichte, dass sich der Autor im Einklang mit der öffentlichen Meinung vermutete.
Die USA ist in der Bestrafung von Sexualdelikten schon ein ganzes Stück weiter, indem jede auffällig gewordene Person in ein Melderegister mit Angabe der Adresse eingetragen wird, unabhängig davon, ob Jemand mit ein paar Fotos erwischt wurde, als Spanner oder Exhibitionist auffiel oder Beihilfe zu einem bestialischen Mord begangen hat. Jeder kann im Internet auf diese Daten zurückgreifen und "Flock" verfolgt in seiner Story die möglichen Konsequenzen, die sich aus dieser Tatsache ergeben.
Regisseur Wai-keung Lau baut in seinem ersten US-Film die Story geschickt auf, indem er zur Einführung der Hauptfigur Erroll Babbage (Richard Gere) parallel die Entführung eines Teenagers zeigt. Während Babbage einen Mann in einem Trailer besucht und ihm Fragen zu seinen sexuellen Vorlieben stellt, wird immer wieder zu der jungen Frau übergeblendet, bis diese an einem Bahndamm gewaltsam in ein Auto gezerrt wird. Die filmische Grafik ist dabei auf der Höhe der Zeit und kann schnell mit Farbfiltern, Verwischungen, kurzen Schnittfolgen und Soundeffekten eine düstere, unheilschwangere Atmosphäre erzeugen, die den Betrachter in seinen Bann zieht.
Erst langsam wird deutlich, dass Babbage für die städtischen Behörden arbeitet, und in einem bestimmten Gebiet für die Betreuung von Sexualstraftätern zuständig ist. Eine Schautafel zu Beginn des Films machte allerdings sofort darauf aufmerksam, dass die Anzahl der behördlichen Betreuer viel zu gering ist, angesichts der ständig steigenden Rate von Sexualdelikten. Und Richard Gere vermittelt in seiner Rolle als gealterter, wortkarger Einzelgänger schnell den Eindruck, dass er die bisherigen juristischen Methoden für unzureichend hält. Eigenmächtig erweitert er den Fragebogen an die Vorbestraften und versucht durch eine aggressive Gesprächsführung, diese aus der Reserve zu locken. Da er nicht an deren Besserung glaubt, verprügelt er viele von ihnen zusätzlich mit einem Baseball-Schläger, um so die Abschreckung zu erhöhen.
Verständlicherweise häuften sich die Klagen gegen ihn und so wurde seine Entlassung beschlossen. Ausgerechnet in dem Moment, als wieder die Entführung eines unschuldigen Opfers die Öffentlichkeit erregt, soll er die junge Allison Lowry (Claire Danes) als Nachfolgerin einarbeiten und muss sie deshalb zu seinen eigenwilligen Einsätzen mitnehmen. Er vermutet, dass einer seiner "Schützlinge" für diese Tat verantwortlich ist und als er am Morgen eine Zeitung findet, in der seine penible Art, wichtige Informationen zu umkreisen, karikiert wurde, vermutet er dahinter einen Hinweis für ihn. Gegen den Willen der Polizei, seines Arbeitgebers und auch der neuen Kollegin macht er sich auf unkonventionelle Art auf die Suche nach dem entführten Opfer.
In diesen Anfangsszenen kann der Film noch ein Gleichgewicht zwischen der Möglichkeit des Wahnsinns der Täter und der Paranoidität des Verfolgers aufrecht erhalten. Gere spielt den Ermittler stur, detailversessen und unnachgiebig, und in seiner Art Selbstjustiz auszuüben, liegt auch immer ein Hauch von fehlender Selbstbeherrschung und Lust an der Macht über die oft hilflos und harmlos wirkenden Mitbürger. Viola (KaDee Strickland) ,deren Mann als Serienmörder hingerichtet wurde, kann Allison im Gegensatz zu Babbage davon überzeugen, dass sie selbst nur ein Opfer ihres Mannes war und Babbage gerät zunehmend in den Verdacht, sein Einfühlungsvermögen auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit, in der er offensichtlich ein Trauma erlitt, verloren zu haben. Sein Chef Bobby Stiles (Ray Wise) hält nichts von seinen Methoden und ist froh, dass er den Mann bald los wird.
Auch wenn der Film ganz offensichtlich bei "Seven" und dem "Schweigen der Lämmer" einiges abgeschaut hat, so verfügt er doch im ersten Drittel über eine eigene Linie, gerade bezogen auf das reale Szenario der behördlichen Überwachung von Sexualstraftätern. Unterstützt wird das von einigen sehr guten Darstellern wie etwa Russell Sams als reicher junger Schnösel mit Baby-Face, der seine Opfer verprügelt, oder Avril Lavigne, die eine überzeugende Vorstellung als seine Freundin gibt, bei der man nicht feststellen kann, ob sie Opfer oder Täterin ist.
Doch um so mehr sich Richard Gere zu einem Einzelkämpfer entwickelt, um so stärker verliert der Film sein Gleichgewicht und bekommt in seiner Aussage eine klare Tendenz. Die zuerst regelrecht von Babbage's Methoden und Gedanken angewiderte Allison muss zunehmend feststellen, dass der Mann recht hat und das sich hinter den harmlosen Gesichtern von scheinbar geläuterten Straftätern, die Fratze der Perversität verbirgt. Es handelt sich zwar nicht immer um Mörder, die ihren Opfern vorher alle Gliedmassen amputieren, aber selbst der dickliche Loser arbeitet nur in der Fotoabteilung, weil er so an Kinderfotos kommt, und der Mann mittleren Alters, der seine Zeit im Einkaufszentrum verbringt, beobachtet nur die jungen Mädchen beim Shoppen, was ihm eine Tracht Prügel auf dem Parkplatz einbringt. Selbst der junge Mann, der im Familienlokal heftig mit seiner Freundin knutscht, bekommt Ärger mit Babbage. Zu diesem Zeitpunkt ist der Film schon ganz auf seiner Seite und klar in seinen Sympathien für den Kämpfer nicht nur gegen die Sexualtäter, sondern auch gegen die staatlichen Institutionen, die nicht in der Lage sind, ihre Bürger ausreichend zu beschützen.
Unter diesen Gesichtspunkten erstaunt es nicht, dass "The Flock" es nicht für nötig hält, noch irgendwelche Begründungen für die Art und Ausführung der hier gezeigten Taten abzuliefern, denn der Film entwirft ein Szenario, dass jede überraschende Wendung und jede Gewalttat auf Grund der Ansammlung von Straftätern, nur logisch erscheinen lässt. Das führt soweit, dass Babbage, um den Ort des entführten Opfers herauszubekommen, in eine therapeutische Versammlung ehemaliger Sexualtäter platzt, weil er vermutet, dass er hier einen Hinweis bekommen kann, so als steckten sie alle unter einer Decke. Er hatte zuvor herausbekommen, dass die Straftäter die Internetpräsenz dazu nutzen, selbst in Kontakt untereinander zu treten.
Hier liegt der deutliche Unterschied zu Filmen wie "Das Schweigen der Lämmer", der zwar auch nicht begründet, warum "Buffalo Bill" zu einem perversen Mörder wurde, aber der es bei einem Einzeltäter belässt. In "The Flock" wird dagegen die These vertreten, dass es sich bei Sexualtätern nur um unverbesserliche Menschen handeln kann, die bei nicht ausreichender Überwachung und Bestrafung sofort wieder tätig werden. Und durch eine Art Netzwerk, dass sie miteinander aufbauen, noch verstärkt ihrer mörderischen, menschenverachtenden Sucht nachgehen. Eine Meinung, mit der die Macher sicher nicht allein dastehen, die in ihrer hier dargestellten Rigidität, die keinen Platz für Differenzierungen oder humane Gedanken lässt, äusserst fragwürdig ist.
Ohne Frage handelt es sich bei "The Flock" um einen spannenden Film mit einer überzeugenden Atmosphäre, die an den Nerven zerrt, aber die dahinter verborgene Aussage, die zum Schluss mit der Keule daher kommt, kann Niemanden kalt lassen. Sie wird die Geister scheiden und viele in ihrer Meinung bestätigen, aber für mich, der ich die hier dargestellten Verbrechen ,die niemals Wiederholungstäter ausschliessen können, nicht im Geringsten verharmlosen will, kann diese Sichtweise nur als reaktionär und unmenschlich ablehnen.
Gerade weil der Film höchst professionell gemacht wurde, auf jegliche Ironie verzichtet und seine Message sehr ernsthaft vermittelt, halte ich ihn für ein gefährliches, die Bemühungen für einen humanen Strafvollzug unterwanderndes Machwerk(1/10).