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Es gibt Filme, die mit bekannten Zitaten spielen und von dem Wiedererkennungswert für den Zuschauer profitieren und es gibt die, die eine irre und unwahrscheinliche Rahmenhandlung schaffen, und darin eine logische und nachvollziehbare Story erzählen. "Der eisige Tod" kehrt diese beiden Erzähl-Prinzipien um und schafft damit etwas Neues und Überraschendes, das aber gleichzeitig verwirrt und die üblichen Erwartungshaltungen, die den Kinoabend so schön befriedigend ausklingen lassen, nicht erfüllt.

Dieses Prinzip hält der Film über seine gesamte Laufzeit konsequent durch und immer wenn der Zuschauer ein bekanntes Erzählmuster ausgemacht hat, wird es entweder kurz darauf umgekehrt oder einfach nicht mehr aufgenommen. Nur zwei berechenbare Elemente geben dem Film eine Linie - die ständige Eiseskälte, die optisch so gelungen umgesetzt ist, dass man im warmen Kinosessel zu frösteln beginnt, und Hauptdarstellerin Emily Blunt, die trotz ihrer Rolle als Studentin in kein typisches Hollywood-Klischee passt, sondern in ihrer Mischung aus selbstbewusster Arroganz und gleichzeitiger Unsicherheit, Intelligenz und Freundlichkeit äußerst attraktiv ist.

Die Weihnachtsferien stehen an und sie will nach Hause. Anstatt wie üblich zu fliegen, will sie diesmal den Bus nehmen, aber als sich am "Schwarzen Brett" eine Mitfahrgelegenheit bietet, greift sie spontan zu. Der erfahrene Filmkenner sieht natürlich sofort das kommende Unheil, dass ja üblicherweise bei plötzlichen Meinungsänderungen auftaucht. Und als sich der Fahrer (Ashton Holmes) als uncooles Milchgesicht mit Schrottkarre herausstellt, wird das Vorurteil noch bestärkt. Dazu lässt die Studentin, nachdem sie ihre Sachen in dem vollgerümpelten Kofferraum verstaut hatte, ausgerechnet noch eine Tasche auf dem Parkplatz zurück. Das muss ja böse enden...

Die Stärke des Films liegt von Beginn an in der bedrohlichen, dichten Atmosphäre, so dass man als Zuschauer ständig gewarnt ist, obwohl das vordergründige Geschehen dafür keinen Anlass bietet. Im Gegenteil ist das Gespräch zwischen den beiden Protagonisten während der Fahrt durch die verschneite Landschaft von realistischer Plausibilität. Der etwas blasse, leicht verhaltensgestörte Jüngling und die schnippige Schönheit wirken so, dass sie sich im Leben kaum über den Weg laufen würden, ohne das der Film dafür überzogene Stereotypen bemühen muss.

Stattdessen leistet sich "Der eisige Tod" Normalitäten, wie sie normalerweise in einem solchen Genrefilm nicht zu sehen sind. Nachdem das Gespräch wieder verebbt ist, lackiert sich "Madame" die Fussnägel und fordert den Fahrer darauf auf, anzuhalten, weil sie auf Toilette gehen muss. Er hält sofort an einer Raststätte an, womit sie in der Kürze nicht gerechnet hatte, weswegen ihr Fussnagellack noch nicht getrocknet ist. Da sie nicht in ihre Schuhe schlüpfen kann, bietet er ihr an, sie vom Parkplatz huckepack zur Toilette zu tragen, was er dann auch vor den erstaunten Augen merkwürdig aussehender Einheimischer umsetzt.

Solche Storyelemente kommen üblicherweise nur in Komödien vor, aber hier wirkt das völlig pragmatisch innerhalb einer Atmosphäre, die wiederum stark an bekannte Horrorfilme erinnert. Diesen Faden nimmt die Story auch sofort wieder auf, als sie alleine zu der dreckigen, funktionsgestörten Toilette kommt und ihre Tasche auf dem Becken liegen lässt, während sie ins WC geht. Die Kamera kehrt erst wieder zu dem Waschbecken zurück, nachdem sie aus dem WC gekommen ist, aber die Tasche liegt noch da. Doch als sie die Toilette wieder verlassen will, lässt sich die Tür nicht mehr öffnen. Verzweifelt ruft sie um Hilfe, doch obwohl man gut die Stimme ihres Fahrers hört, erscheint Niemand. Wird sie gleich von einem der freakigen Hill-Billys angefallen ? - Macht ihr Fahrer gemeinsame Sache mit den Kerlen oder wird er selbst festgehalten ? - Minutenlang lässt der Film diese Szene andauern...

Doch plötzlich lässt sich die Tür einfach wieder öffnen und in der Raststätte ist alles beim Alten. Ihre berechtigten Vorwürfe, warum der Fahrer auf ihre Schreie nicht reagiert hätte, werden erstaunt wahrgenommen ,denn angeblich hatte er nichts gehört. Diese Szene ist typisch für den gesamten Film, denn er verwendet eine Vielzahl vertrauter Storyelemente (allein das betonte Toilettegehen gilt üblicherweise schon als Weg in die Gefahr), aber er löst sie nicht auf. Trotz der scheinbar normalen Erklärung , bleibt beim Zuschauer eine gewisse Unsicherheit zurück, ob hier vielleicht doch etwas geplant war, was dann aber nicht umgesetzt wurde. Dazu passt auch, dass der Fahrer sich immer mehr in Widersprüche verwickelt und es sich herausstellt, dass er keineswegs ihre Strecke fahren musste, sondern in Wirklichkeit in der Universitätsstadt zu Hause ist.

Gerade als er ihr das erklären soll, nimmt er eine verschneite Abkürzung , die eher wie ein Umweg aussieht, stösst mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammen und bleibt in einer Schneewehe liegen. "Wrong Turn" ?, "The Hills have eyes" ? - Filme, die vor Gefahren vermeintlicher Abkürzungen warnen, gibt es genug und da der Fahrer gar nicht - wie er zuvor noch behauptete - ortskundig ist, stellt sich die berechtigte Frage, was er hier will ? - So ist ihre Reaktion, dass Auto abzuschliessen, nachdem er kurz rausgegangen war, absolut verständlich. Denn kann man diesem kranken Freak noch glauben, der ihr eine äusserst konstruierte Story für sein Verhalten auftischte ? - Andererseits nimmt man als Zuschauer die dramatischen Wendungen nicht mehr recht ernst, nachdem sich bisher alles als "normal" herausgestellt hatte. Doch plötzlich huschen Zombies durch die eiskalte Dunkelheit...

Immer wieder wird in "Der eisige Tod" der Zuschauer an den Punkt gebracht, dass er das Geschehen vermeintlich durchschaut. Unser Wille, ein Muster oder eine innere Logik in dem Geschehen zu entdecken, gaukelt uns ständig eine Vertrautheit vor, die hier immer nur kurzseitig existiert. Auch mit Begriffen wie "Unlogik" ist dem Geschehen nicht kritisch beizukommen, da die unvorhergesehenen Wendungen Teil des Geschehens sind und in dieser scheinbaren Unlogik eine innere Ordnung zu erkennen ist.

Vorwerfen kann man dem Film eine gewisse Konstuiertheit, aber "Der eisige Tod" erfüllt eine Vorgabe, die selten umgesetzt wird - er ist nicht berechenbar. Nie kann man sich sicher sein, wer überlebt, nie weiß man, ob gerade Fantasie oder Realität zu sehen sind, ganz abgesehen davon, dass man mit der Zeit nicht einmal sicher sein kann, ob hier eine Realität überhaupt noch existiert. Selbst das Ende, das verlässlich wirkt, entlässt den Zuschauer nicht mit jener Zufriedenheit, die daraus entsteht, dass man zum Schluss alles versteht, denn der Film erklärt nichts, lässt entstandene Fragen offen und führt gemachte Andeutungen nicht zu Ende...

Abschliessend stellt sich die Frage, warum ein solcher Film nicht allgemeine Begeisterung auslösst, sondern im Gegenteil kritischer betrachtet wird als viele Horrorfilme, denen man locker story-typische Unpässlichkeiten nachsieht. Abgesehen davon, dass der "Eisige Tod", der bis auf wenige kleine Nebenrollen nur mit zwei Darstellern auskommt ,in einem sehr ruhigen Tempo erzählt wird, welches die genretypische Erwartungshaltung nach ständiger Action nicht erfüllt, outet er die von vielen Genre-Liebhabern immer wieder geforderten überraschenden "Story-Wendungen" als hohle Argumentation. Natürlich erhofft man sich unerwartete Ereignisse, aber wenn ein Film wie "Der eisige Tod" dabei die beliebten Erzählrhythmen in Frage stellt, dann ist es auch nicht richtig.

"Der eisige Tod" ist ein Film, der die Geister scheidet, und es lohnt sich, festzustellen, zu welcher Seite man gehört (8/10).

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