Review

Mein Freund, der Stumpfsinn, sass auf meiner Schulter, als ich ins Kino ging, um “Pathfinder” über mich ergehen zu lassen - spätestens nach der erbärmlichen Werbung, die es nötig hat, mit dem KJ-Siegel der FSK hausieren zu gehen, mit einem ganz üblen Verdacht auf Nichtgefallen. Aber was tut man nicht alles, um dem demokratischen Druck nachzugeben (Guillermo, mi compadre, wir sehen uns dann auf DVD).
Also, mein Freund der Stumpfsinn. Er kann manchmal ganz behilflich sein, wenn es dumme Filme zu rezipieren gilt. So bekommt der anspruchsvolle Haus-Artist in mir auch mal was vom Bodensatz des Niveaus und kann sich darüber sogar noch freuen wie ein Schneekönig.

Schnee ist das Stichwort, denn Marcus Nispel greift für seinen neuesten Remake-Streich 20 Jahre in die Vergangenheit und lässt olle Wikinger aus dem eisigen Norwegen wieder auferstehen und sie gegen einen Indianerstamm antreten, der einen zurückgelassenen Wikingerjungen seit nunmehr 15 Jahren in den eigenen Reihen weiß. Und das macht er so uninspiriert, dass selbst mein Kumpel, der Stumpfsinn, genervt von meiner Schulter gesprungen und eine rauchen gegangen ist. Ich wäre ihm gerne gefolgt. Zu schade, dass ich Nichtraucher bin - ich habe tapfer durchgehalten. Meine Erkenntnisse aus 90 Minuten “Pathfinder”.

Pathfinder ist so substanziell wie...
Eine hohle Nuss. Der Plot, wenn man ihn so nennen kann, weiß nichts weiter aufzufahren als ein aufs Rudimentärste beschränktes Gut-Böse-Schema. Die Synchronisation der Indianer und das Untertiteln der Wikinger soll die Seitenwahl erleichtern, wenn man schon nicht weiß, dass die Hauptfigur zugleich die Identifikationsfigur sein soll. So sind wir also auf Seiten von harmlosen, weichbäuchigen rosa Indianern, die gegen spitzhackige, gepanzerte und bis an die Zähne bewaffnete berittene Giganten um ihr Leben kämpfen. Der Clou soll der auf die Gegenseite gewechselte junge Kämpfer sein. Wäre sicher auch ein dufte Clou, wenn das nicht bereits das 1001te Mal wäre, dass diese Geschichte erzählt wird - aber schon lange nicht mehr so schnarchig wie hier.

Pathfinder ist so redselig wie...
Ein Stummfilm. In den wenigen Dialogen werden dann glatt zwei Dinge versucht: Erstens eine kritische Hinterfragung von geerbtem und erzogenem Verhalten. Der Metzel-Flashback, in dem das kleine Kind mitten in einer Schlacht steht und von seinem Vater gezwungen wird, aktiv die Axt zu schwingen, könnte glatt in die Debatte um “Killerspiele” und den Unterschied zwischen aktiv und passiv erlebter Gewalt einfließen. Und die Indianer, in diesem Film ohnehin nicht der Weisheit letzte Festung, werden in ihrer Prognose getäuscht, Klein-Wikinger sei ein böser Geist. Ist er nicht, nur ein Kind. So. Zweitens wird versucht, dem Titel “Pathfinder” eine Doppeldeutigkeit zu geben. Ein Pfadfinder, der das Aufspüren von Pfaden als Job ausübt, muss ja immerhin auch mal irgendwann die Pfade seiner Identität ergründen... bla bla bla, entlässt uns die monologierende Frauenstimme seiner Squaw in den wohlverdienten Abspann.

Pathfinder verfügt über...
einen Hauptdarsteller aus Glas und eine undefinierbare Gegnerschar. Richtig ausdrucksstark habe ich Karl Urban sowieso noch nie gesehen, aber hier wirkt er wie eine Plastik, durch die man hindurch auf den Hintergrund schauen kann. Leichenblass und in den entscheidenden Momenten behände darauf bedacht, den richtigen Gesichtsausdruck zu finden: glücklich (im Stammeskreis), entsetzt (über den niedergemetzelten Stammeskreis), rachsüchtig (unmittelbar nach dem Entsetzen), entschlossen-wahnsinnig (als Umsetzung der Rachsucht), erschöpft (zwischendurch mal), erleichtert (am Ende - egal ob nun durch seinen eventuellen Tod oder durch seinen eventuellen Sieg als Überlebender; dass er aber am Ende erleichtert ist, sieht man ihm schon in den ersten Minuten an der Nasenspitze an).
Und die Gegner? “Wer ist hier der Boß?”, würde Tony Danza sagen. Einen Kopf in der Wikingermeute auszumachen, benötigt viel Ausdauer. Einer ist da so gut wie der andere. Wer da wann wie vom Überläufer in die ewigen Jagdgründe geschickt wird, macht keinen Unterschied. Das schöne Rachegefühl, das man doch so gerne auskosten möchte, bekommt man also durch Urbans schwache Performance und die Gesichtslosigkeit der Gegner (auch der immer noch mit Vorliebe vom “Gladiator”-Dreh schwärmende Ralf Moeller macht keinen Stich) weder kalt noch sonstwie serviert.

Pathfinder verursacht...
Epilepsie. Die Actionszenen sind ein hysterischer Amoklauf, der jegliche Orientierung zunichte macht. Ganz schwach zusammengeschnitten, kann man nur erahnen, wie die Rutschpartie über die Eispiste vonstatten ging, worüber das Pferd da eigentlich im Lauf gestolpert ist und was genau der Bär (oder war es ein brauner Riesenwurm mit Fell und Zähnen? Schwer zu erkennen...) auf welche Art und Weise angegriffen hat - und wer das Duell gewann. Wer überhaupt hier welches Duell gewinnt. Welcher Darsteller in der nächsten Szene noch auftauchen könnte, ist ein munteres Rätselraten, denn der Schnittewahn und die mitunter ungünstige Ausleuchtung / Kamerapositionierung der Akteure trägt nicht gerade dazu bei, die Herren auseinanderzuhalten. Da beschwere sich nochmal einer, die Chinesen würden alle gleich aussehen...

Pathfinder ist so kreativ wie...
Eintopf. Was auch immer die letzten Jahre so hergaben und was ins Konzept passte, es wurde übernommen. Ghost kriecht durch den Schnee wie einst Rambo durch den Wald, eine Eisplatte bricht teilweise mit einem 1:1 übernommenen CG-Shot aus “King Arthur”, der Pfad verläuft über eine Gebirgswand, an der die Wikinger und ihr Führer aufgereiht stehen wie die Gefährten aus dem ersten “Herr der Ringe”-Kapitel, die Wikinger haben sich ihre Klamotten von den Widersachern des “13. Krieger” ausgeliehen... es ist ein einziges Zugeständnis an die eigene Einfallslosigkeit. Zumal die geklauten Szenen meist auch noch die besten sind.

Pathfinder ist...
Nicht zu rechtfertigen. Ich muss zugeben, von Nispels “The Texas Chainsaw Massacre” nicht allzu begeistert gewesen zu sein, und ehrlich gesagt kommt es mir nicht ungelegen, seinen kommerziellen Zweitling zu verreißen. Doch dieser Umstand wurde schon sehr schnell belanglos. Nach spätestens 10 Minuten denkt man weder an Nispel noch daran, ihm eins auswischen zu wollen, dann schwelgt dieser olle Wikingerschinken ganz im Safte der ihm eigenen Inkompetenz. “Pathfinder” ist vorhersehbar, unkoordiniert, gigantisch blöd (alleine der Showdown ist ein Witz für sich) und obendrein in der Kinofassung nicht einmal für Gorehounds zu gebrauchen, wie die Werbung verspricht. Die wenigen guten Momente beschränken sich auf sekundenlange Bildarrangements, die zu alledem schon überwiegend im Trailer verbraten sind. Wen das nicht abschreckt, der muss halt seinen eigenen Weg finden, So wie der Pathfinder. So, feddich. Schwenk über die schmelzenden Eisgletscher, fade to black.

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