Es ist schon einige Zeit her, da schrieb ich in meiner Kritik zu „Sin City“, das die Auslotung der technischen Möglichkeiten des neuen tricktechnisch maximierten Cyberfilms nur solange funktionieren würde, wie die Künstlichkeit des Geschehens die Künstlichkeit der Bilder im Zaum halten würde. Und ich fürchtete, das das nächste Experiment misslingen könnte.
Schon im zweiten Großprojekt für die Kinoleinwände scheint dies jedoch leider der Fall zu sein, denn „300“ ist eine ziemlich zwiespältige Angelegenheit geworden, die zwar optisch überzeugen, aber inhaltlich und ideologisch eher bedenklich ausfällt.
Zwar basiert auch „300“ auf einem Comic, jedoch basiert dieser wiederum auf eine historischen Begebenheit, die tatsächlich so stattgefunden hat und beugt sich dem Irrationalen damit lange nicht so gut wie die Pulp Stories von „Sin City“.
Die Verteidigung Griechenlands durch 300 Spartaner (ich erspare mir den deutschen Begriff „Spartiaten“ mal bewusst) an der Felsenge der Thermopylen gegen gut 120.000 persische Krieger des Xerxes ist nun mal eine historische Tatsache und sowohl die Autoren wie auch Regisseur Zack Snyder hielten sich in den wesentlichen Zügen an die von damals bekannten Abläufe.
Gedreht ausschließlich vor Greenscreens, ausgestattet mit allerlei künstlichen Hintergründen präsentiert Snyder dem Publikum also ein grün-grau eingefärbtes rauchiges Griechenland, in dem die Sonne stets durch Wolkenberge lugt und stets ein Look vorherrscht, als seien irgendwo große Menge Chemikalien ausgetreten, die nun durch die Luft wabern. Wenn man so will, herrscht permanente Dämmerung.
Dennoch: ganz großes Tennis auf dem visuellen Sektor, wenn die unendlich erscheinende persische Armee sich wie ein Lindwurm über mehrere Meilen über die Strände erstreckt; Leichen zu Mauern und Bergen aufgetürmt werden, Göttertempel gegen einen übergroßen Vollmond leuchten, in Zeitlupe geschlitzt und geschlachtet wird und sich Figuren in der Totalen samt Zeitlupeneinsatz wie historische Statuen ausnehmen.
In diesem Bereich wird „300“ die Zuschauer durchaus in einen Rausch versetzen, seine entsprechende Faszination entfalten und das Publikum später schwärmend entlassen.
Aber Gott behüte, dass man beginnt, über das Gesehene nachzudenken.
Dann bemerkt man nämlich, wie holzschnittartig das alles angelegt ist, der Hauch der Geschichte ist zur Windstille verkommen, wenn die Schauspieler bedeutungschwer und todernst ihre Sätzchen aufsagen. Zum Verglück gerät es nie in die Nähe des Lächerlichen, jedoch wirken so ziemlich alle leblos und hölzern im Vergleich zum Aktionismus der Bilder.
Aufgrund der historischen tragischen Begebenheiten muß sich der Film auch größtenteils den modernen Einflüssen von Ironie oder auch nur einem simplen Augenzwinkern versagen, was unpassend gewesen wäre, jedoch kann die unglaubliche Seriösität in dieser technischen Leistungsschau auch nicht gerade faszinieren.
Noch schlimmer gerät der (ungewollte/naive?) ideologische Unterbau.
Die aufrechten Spartaner mit ihren heute brachialen Erziehungsmethoden und ihrem Berufssoldatentum der reinsten Form leisten der allseits bekannten Herrenmenschenideologie den nötigen Zündstoff. Da wird hart & kantig & muskulös & übermenschenhaft eher belustigt-resignativ über die übrigen Griechenkrieger gelächelt – hier ist das Soldatentum, der Tod fürs Vaterland, die Identität als Berufsmörder das entscheidende Ein und Alles, der erstrebenswerteste Zustand. Nur sie können Sparta und Griechenland und die restliche Welt retten, mit missionarischem Ernst und faschistoidem Ideal transportiert.
Dagegen stehen natürlich die Perser mit ihrer Übermacht, die in diesem Kanon gleich mehrere Rollen übernehmen.
Zunächst einmal sind es Feiglinge, die ihre maskierten Elitetruppen vorschicken und mit ihrer bloßen Menge jeden Feind erdrücken.
Dann erscheinen die Gegner natürlich auch noch als dekadente, sich an Abnormitäten ergötzende Perverslinge – folglich sind auch ihre Truppen entstellt bis mutiert, gebrochen und umgeformt wie es scheint.
Das geht Hand in Hand mit der sexuellen Unreinheit, denn die vielfach gepiercten Perser, wirken in der heterogen gefärbten Sichtweise der Überkrieger, wie weibische Homo- oder Transsexuelle, die sich auch noch mittels Bestechung die Orakel der Griechen sichern, welche aber selbst nur von inzuchtgeformten, leprösen Priestern geführt werden.
Politik macht aussätzig, das ist hier die Devise.
Das heißt aber nicht, „300“ könnte nicht in ein poliltisches Fähnchen gewickelt werden, kommt diese endlose Armada der Schrecken doch passenderweise aus dem asiatischen-orientalen Bereich gekrochen, gegen die nur die beste Armee der Welt etwas ausrichten kann. Näher muß man da aktuelle Bezüge kaum erklären, eher kann man schon mal erwarten, dass die US-Armee den Streifen als Werbefilm und Motivationsmittel einkauft.
Es ist also alles nur simple und recht gefährliche Schwarz/Weiß-Malerei, die hier betrieben wird, noch dazu wenig originell durch Schauwerte ergänzt – so offensichtlich hat man sich bei den Entwürfen dreist bei Jacksons „Herr der Ringe“ bedient.
Nimmt man den Elitetruppen die Masken ab, kommen Orks darunter zum Vorschein, gegen die Elitekrieger rücken, kaum verhüllt kopiert, „Olyphanten“-ähnliche Riesen vor, von Tolkiens Höhlentrollen abgekupferte Giganten sorgen für Angst und Schrecken und siehe da, es ist sogar ein Verräter in der Mitte der Tapferen – selbstverfreilich ein verwachsener und mißbildeter Spartaner, für den offensichtlich Gollum Pate stand.
Und leider, leider: der Spannungskurve tut der Film auch keine guten Dienste.
„300“ kommt überraschend actionarm und gewaltreduziert daher, von dem monumentalen Dauergeschlachte keine Spur, sorgfältig wurden Kampfhöhepunkte gesetzt, das Blut spritzt, aber von Overkill keine Spur. Gegen Ende hin erwartet man sogar noch ungeheure Großtaten, doch der Film verabschiedet sich dann eher mit einem dramaturgischen Maunzen, denn mit Gebrüll.
„300“ ist ein gefährlicher Film geworden, vielleicht sogar ungewollt und mit Sicherheit werden die meisten Kids, denen optisch vor Freude die Tränen in den Augen stehen werden, nicht so weitreichend darüber nachdenken, um Frust aufkommen zu lassen, aber leider werden solche Machwerke auch vom rechten Rand gesehen und goutiert und diese ironiefreie „Keine Gnade“-Haltung hat schon zu vielem Unheil geführt, wenn sie mit akuter Dummheit in Kontakt kommt.
Ein Werk, in dem man bloß nicht rumprokeln sollte, sonst fliegt einem das ideologische Exkrement meterweit um die Ohren – und so dicht ist die Oberflächenspannung hier nicht.
Punkte maximal für die Optik – den Rest will ich bloß schnell vergessen.
Aber erinnert euch wieder, wenn demnächst nach dem Genuß des Films irgendwo ein paar "Schwule" und/oder "Türken geklatscht" werden. (4/10)