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Vorhang auf zur Leistungsschau des deutschen Kinos!
Man stelle sich vor, das oftmals geschmähte Filmland Deutschland, kann inzwischen fast alles, was Hollywood auch kann. Wir können für moderate Budgets Geister animieren, wir können CGI-Schlösser aus dem Boden stampfen, die sich mit Hogwarts messen können und sind in Ausstattungsdetails sowieso schon Weltmeister.
Nur bei den Drehbüchern kämpfen wir leider noch gegen den Abstieg…

So ungefähr könnte man das Gefühl beschreiben, dass den erwachsenen Zuschauer bei „Hui Buh – Das Schlossgespenst“ beschleicht: Sebastian Niemann, der einzige Regisseur, der sich regelmäßig bei Genrewerken im Bereich Horror versucht, lässt die Muskeln spielen. Die Verfilmung der beliebten Kinder-Hörspiel-Reihe (die, wie so viele klassische Reihen inzwischen fast ganz von Erwachsenen okkupiert wurde) ist erste Garnitur und die Besetzung marschiert dabei mit den Tricks und dem Setting voran.

Und ja, rein optisch hat Niemann vermutlich größtenteils sein Ziel erreicht. In spinnwebenerstarrter Schönheit liegt das prachtvoll entworfene Schloß Burgeck vor uns, düster sind die Gänge, finster sind die Ecken und wenn es dann auch noch ins Reich der Geister geht, dann bemüht Niemann sogar den alten style von Tim Burtons „Beetlejuice“, um es noch ein Ideechen schräger zu machen. Da wandern die Geister wie in Escher-Gemälden an den Decken herab und der Bürokratie sind auch im Jenseits Tür und Tor geöffnet, wenn Frankenstein und die Mumie vorbei stapfen und die Ordnung von wilhelminischen Soldaten aufrecht erhalten wird.

Doch leider, leider: das Skript kommt bei all dem Ganzen nicht mit.
Daß man keinen besonders komplizierten Plot braucht, ist ja wohl klar, das fröhliche Zitatepotpourri hier, bringt aber auch keinen Glanz in die Hütte – wie vorformatiert läuft das zu erwartende Geschehen ab und hat nur hier und da ein charmantes Glanzlicht zu setzen.
Zu viel Heilewelt und zu wenig „spirituelle“ Verrücktheiten behindern sich da deutlich, es fehlt ganz einfach an frischem Pfiff und Tempo an den richtigen Stellen.
„Bieder“ ist vielleicht ein gutes Wort für das Geschehen. Lauthals strampeln sich die Schauspieler ab, drücken mächtig auf die Tube, aber selten reicht das Material für mehr als einen Schmunzler. Und die Stärken der Vorlage können leider nicht transportiert werden.

Verantwortlich ist dafür sicherlich auch die personelle Entscheidung, die nun doch zum Qualitätsknackpunkt wird, nämlich aus dem Gruselgerippe „Hui Buh“ einen menschlichen CGI-Geist mit den Zügen von Michael „Bully“ Herbig zu machen. Der liefert zwar generell recht gute Qualität ab, kann aber die Vorgaben der Rolle nicht erfüllen.
Zum einen wirkt er nicht in einer einzigen Szene erschreckend, fraglich, wie er so jemals die Spuklizenz erhalten haben soll. Hier hampelt sich also ein Comic-Charakter durch den Film und verwandelt die hochstochen-ironische Schusseligkeit des frühen Clarin in ein hektisches Gezappel, garniert mit Stakkatogesabbel und leider Gottes immer den gleichen Tricks.
Wer sollte denn, selbst nach den Charaktermaßstäben dieses Films, vor dieser niedlichen Spukgestalt Angst haben, die sich nicht einmal wie in der Hörspielreihe in eine ihrer „berühmten“ Verkleidungen retten kann. Denn so verrückt die Hörspiele auch waren, sie waren auch streckenweise echt „gruselig“, ein Ziel, dass hier dank der Familienkompatibilität komplett ausgespart wird.

Niemann und Co müssen eine Heidenangst gehabt haben, dass die Jugendschutzverbände und alle Mütter dieser Welt auf die Barrikaden gehen würde (ganz zu schweigen von der Kirche), wenn sie tatsächlich ein Skelett an den Start hätten gehen lassen. Ach, wie schrecklich, lacht das Gerippe doch von jedem Hörspielcover. Nein, Bully musste es als Star auch visuell sein und die tolerabel animierte Figur verliert doch sehr schnell ihren Reiz, spätestens wenn sie das vierte Mal in den ersten 20 Minuten durch eine Wand verschwindet und allerlei Mobiliar dabei lauthals zu Boden scheppert.

Und so beachtlich Herbigs Leistung auch sein mag: gerade die Talentierten unter den Mitspielern kontern ihn eiskalt aus. Da wäre vor allem Christoph Maria Herbst, der mit seinem Understatement-Witz immer wieder die Zappeleien unterläuft und somit echtes Timing beweist, während Rick Kavanian mit dem Ausrichter Charles (übrigens streng genommen auch eine von „Vater der Braut“ geklaute Figur) alles in punkto Abgefahrenheit abräumt, was die Bullyparade damals hergegeben hat.
Und Nick Brimble, der den fiesen Gegner aus dem Jenseits spielt, zeigt allen, wie ein Bösewicht nun wirklich Eindruck macht.

Ansonsten ist nur viel Leerlauf zu verzeichnen. Heike Makatsch ist selbst mit einer simplen „bösen Königin“ so was von überfordert, dass man sich fragt, warum Nina Hagen wohl keine Zeit hatte. Noch schlimmer Ellenie Salvo Gonzalez, die die eh schon farblose Rolle der Konstanzia so geschmacksneutral rüberbringt, dass man sie sogar auf DEFA-Märchenfilmen gefeuert hätte. Martin Kurz schlägt sich zwar wacker als der kleine Tommy, aber wo steht eigentlich geschrieben, dass in einem Familienfilm immer auch ein Kind als Identifikationsfigur mitspielen muß? Der Geisterjägerauftritt von Michael Kessler und Christoph Hagen Dittmann ist leider auch nur ein witzloser Füller und Hans Clarin hat zwar würdevolle Szenen als alter Kastellan, ist aber in dermaßen gebrechlichem Zustand, dass praktisch jede Aufnahme fast körperliche Schmerzen beim Zuschauer verursacht.
Bonuspunkte gibt es, wie gewöhnlich für Wolfgang Völz, der in einer Nebenrolle mal wieder allen zeigt, wie es geht, wenn man für Kinder UND Erwachsene produziert.

Das Endergebnis lässt einen recht häufig lächeln, aber Lacher gibt es fast keine. Amüsant, aber total harmlos kommt das Geschehen her, es fehlt an Ecken und Kanten, am Besonderen, am Unvergesslichen. Gegen Ende hab ich sogar ob aller Offensichtlichkeiten irgendwann das Interesse verloren, der Wunsch von der Abdeckung aller Zielgruppen bleibt hier pure Illusion.
Aber man muß die Produktion auch nicht kleiner machen, als sie ist, es ist solides Handwerk, dass aber leider noch TV-Produktionen zu nahe steht.
Für alte Hörspielfans ist das natürlich alles Mögliche, nur nicht das Wahre – und ob es bis zu einer Fortsetzung reicht, dürfte ob des hier herrschenden kreativen Konsens an allen Fronten, stark bezweifelt werden. Die Kinder im Saal aber haben gelacht, insofern hat man sein Ziel erreicht.
Daß jedoch die Dieter-Hallervorden-Imitation von Christoph Maria Herbst während des Nachspanns am lautesten bebrüllt wurde, könnte allen Beteiligten zu denken geben. (5/10)

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