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Wie stark hat die Globalisierung den Kinogeschmack weltweit egalisiert ? - "The Host" kommt jedenfalls mit großen Vorschuß - Lorbeeren in unsere Kinos, denn es handelt sich um den erfolgreichsten Film Südkoreas aller Zeiten. Ein schöner Anlaß, mal die Internationalität von "Blockbustern" zu überprüfen.

Regisseur Bong Joon-Ho hat sich mit "The Host" einen Jugendtraum erfüllt. Schon auf der Schulbank erdachte er die Geschichte über das Monster, das plötzlich aus den Fluten des Han auftaucht. Und genau diesen Eindruck einer Jugendgeschichte kann der Film über seine gesamte Laufzeit nicht verwischen, trotz einer sehr modernen Optik, einem düsteren fast tristen Blick auf seine Heimatstadt Seoul, einer sehr gut animierten Bestie und einer Unmenge Zitate zeitgeschichtlicher Ereignisse.

Das beginnt gleich mit der ersten Szene, die an Action aus dem Kindertheater erinnert. Ein amerikanischer Wissenschaftler reibt genüßlich den Staub von der mit Formaldehyd gefüllten Flasche, um kurz danach seinem südkoreanischen Assistenten zu befehlen, hunderte Flaschen mit dem Gift in den Gulli zu schütten. "Aber dann fließt doch das Gift direkt in den Han-Fluss !" - "Gieß es in den Gulli!" - "Okay !"

Nach diesem Pulitzer reifen Dialog und dem heroischen Widerstand des Südkoreaners gegen den amerikanischen Teufels-Wissenschaftler ,verschwindet das Formaldehyd ungefiltert im Abfluß und erzeugt in wenigen Jahren ein amphibienartiges häßliches Monster. Auf mich wirkt diese gesamte Szene völlig dilettantisch und dient nur als billiger Anlaß, um die Entstehung des Ungeheuers zu begründen. Doch für die Südkoreaner steckt deutlich mehr dahinter. Eine amerikanische Chemiefabrik hatte vor wenigen Jahren den Han-Fluß stark verunreinigt und allein das Wissen darüber genügt in Korea wahrscheinlich schon, um eine solche Szene nicht nur zu legitimieren, sondern als Kritik an den USA zu verstehen.

Die dann folgenden Szenen sind die stärksten des gesamten Films, in denen die Macher auch zeigen, daß sie sich über ihre eigenen Leute lustig machen können. Am Ufer des Han herrscht alltägliches Treiben. Mittendrin steht ein typisches asiatisches Imbißhäuschen, in dem unser Held zu Hause ist. Park Kang-Du hilft seinem Vater bei der Bedienung der Gäste - eine Tätigkeit, die ihn sichtlich überfordert. Ob das nun spezieller koreanischer Humor ist, kann ich nicht sagen, aber Park ist ein Musterexemplar an Debilität, ein Geisteszustand, den sein Vater später mit Eiweißmangel in dessen Kindheit begründet und der wohl noch durch seine blond gefärbten Haare betont werden soll.

In dem Moment als Parks Tochter aus der Schule kommt, entdecken die am Fluß verweilenden Menschen eine unförmige Masse unter einer Brücke, die dann plötzlich in die Fluten eintaucht. Neugierig stellen sie sich alle ans Ufer und werfen Essen in den Fluß, als ob sie Entchen füttern wollen. Doch als das Monster dann an Land springt sieht man sie - wie seit seligen Godzilla-Zeiten gewohnt - alle in die selbe Richtung weglaufen. Die Szenen machen wirklich Spaß und hier gelingt am besten die Symbiose aus Horror und Komik.

Doch das einzige durchgehende Stilelement des Films ist seine Uneinheitlichkeit. Sicherlich sind die Szenen in der Trauerhalle mit den Bildern der vielen Verstorbenen eine ziemlich makabre Anspielung auf asiatische Gepflogenheiten, den Tod eines Verwandten besonders lautstark und tränenreich zu beklagen, aber das wird hier so überzogen dargestellt, daß es nervt und das man zumindest als Europäer keinerlei Bezug zu der eigentlich traurigen Situation bekommt. Es ist gut möglich, daß die Koreaner diese Szenen wesentlich gelungener finden, aber das ändert nichts daran, daß Joon-Ho gleich wieder neue Ideen hervor kramt und damit ständig den Charakter des Films ändert..

Und da ist er wieder - der Junge, der mal so einen richtig spannenden Film drehen will und der alles hinein packt, was irgendwie nach Action klingt. So stellt sich erst einmal heraus, daß Parks Tochter doch nicht von dem Monster getötet wurde, aber irgendwo in einem Abwasserkanal gefangen gehalten wird. Seine Schwester, die dazu noch Leistungssportlerin und Koreas beste Bodenschützin ist, und sein Bruder haben sich inzwischen ihm und dem Vater angeschlossen und begeben sich gemeinsam auf die Suche nach Parks Tochter...

Joon-Ho nutzt diese prinzipiell sehr einfachen Abläufe zu einigen Seitenhieben auf südkoreanische Gepflogenheiten, so als Parks Bruder mal eben ein paar Molotow-Cocktails herstellt, eine Erinnerung an die Studentenunruhen in Seoul, oder die völlig idiotisch reagierenden Behörden, die einerseits die zum Schutz angetretene Armee am Fluß wieder aus Angst vor Viren abzieht, andererseits die scheinbar infizierte Bevölkerung einfach festhält und in Quarantäne steckt. Dazu haben sie auch keine Probleme, experimentell an Parks Gehirn herum zu bohren - natürlich ohne Narkose.

Dazu erhält das Monster immer mehr Screentime und kann mit regelmäßig sich verändernden Verhaltensweisen überraschen. Ob es kräftig zubeißt, mit dem Schwanz zuschlägt oder zur späteren Verwendung einen Körper in seinen Hamsterbacken speichert, scheint Stimmungssache zu sein, genauso wie die plötzliche komplette Fleischverwertung, incl. Ausscheidung der Knochen. Sämtliche dieser Szenen werden immer mal durch Parks kleine Slapstickeinlagen, plötzliche Familiendiskussionen oder auch den Tod eines wichtigen Protagonisten unterbrochen, so daß man nie genau weiß, ob es jetzt spannend ,tragisch, satirisch, kritisch, bösartig oder einfach nur trashig ist. Dazu kommt der Film auch nicht zum Ende ,so daß sich die Szenen immer wieder leicht variiert wiederholen - man spürt stark, wie sehr Joon-Ho an seiner Bestie hängt und sie nicht so einfach abkratzen lassen will.

Zum Schluß müssen die Amis natürlich noch ein Gift anbringen, genannt "Agent yellow" , offensichtlich auf "Agent orange" anspielend, mit dem die USA halb Vietnam kontaminiert hat. Aber das ist so aufgesetzt (und dann noch mit Demonstrationen gewürzt), daß es einfach nur lächerlich wirkt, besonders da der Apparat, aus dem die gelben Rauchschwaden ausströmen, wie ein Spielzeug aussieht und das Gift auch gar keine Wirkung zu haben scheint. Ähnlich wie in der Anfangsszene scheint in Südkorea jede Art der Kritik an den USA zu genügen, um Begeisterung zu wecken - eigentlich sehr konsequent.

Als Werbung für Seoul kann man "The Host" auch nicht betrachten, dafür wirkt es zu betonlastig, trist ,schmutzig und ständig verregnet. Das alles wird konsequent in gelblich, grauen Bildern gehalten, was den Film immerhin optisch zusammen hält und atmosphärisch überzeugen kann. Gerade durch die Kombination aus einer beeindruckenden Optik, einem schön gräßlich gestalteten Ungeheuer und einer übervollen Story, die sich nicht zwischen Ernsthaftigkeit, Trash und Komik entscheiden kann, entwickelt der Film eine erstaunliche Sogwirkung. Man ertappt sich dabei, wie man sich an die Stirn faßt und gleichzeitig fasziniert den Film weiter verfolgt, auch kann ich letztendlich nicht sagen, ob der Film nicht viel zu lang ist oder ob er nicht noch länger hätte dauern dürfen...

Fazit : "Blockbuster" aus Asien auf dem Weg nach Europa. Es gibt Szenen, bei denen eine gewisse Einfühlung in die südkoreanische Mentalität nicht schaden kann, um sie nicht als reinen Trash zu betrachten. Genauso wie dem Betrachter bewußt sein sollte, daß hier eine in der Jugend erdachte Geschichte umgesetzt wurde, die von einfachster Struktur ist, aber gleichzeitig durch eine Vielzahl hinzu gezogener Elemente einen verwirrenden und uneinheitlichen Eindruck macht.

Doch die qualitative Umsetzung ist sehr gelungen. Die Optik wird im Gegensatz zur Story konsequent durchgehalten und das Monster kann überzeugen. Die Musik ist eine merkwürdige Mischung aus teilweise marschartigen, fast fröhlichen Elementen und streicherlastiger Trauermusik, mal passend ,mal unpassend begleitend. So bleibt das diffuse Gefühl zurück, einen gleichzeitig schlechten und faszinierenden Film gesehen zu haben .Mit der richtigen Einstellung kann man die Betrachtung von "The Host" empfehlen, zumindest wird einem dieser Film in Erinnerung bleiben.

Und wenn der "Held" zum Schluß wieder schwarze Haare hat, dann hat das etwas von einem asiatischen Happy-End (6/10).

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