One ring to rule them all...
Ein Kreis schließt sich. Der Jersey-Zyklus kehrt nach zwölf Jahren an seinen Ursprungspunkt zurück. Was ist in dieser Zeit alles Wahnsinniges passiert? Ein Toter bekommt auf der Toilette einen letzten Blowjob... ein Kaufhaus erlebt ein komplettes Fiasko... eine Lesbe sorgt für den ultimativen Kollaps in einer Dreierbeziehung... Gott selbst steigt auf die Erde hinab... und schließlich erfährt Hollywood, was es heißt, sich über Jay und Silent Bob lustig zu machen.
Ach ja, wo ist nur die Zeit geblieben.
Nun sind wir wieder bei den Wurzeln, vor dem dreckigen kleinen Convenience Store irgendwo in der Arschritze der USA, denn zu Hause ist es irgendwie am schönsten. Will man der erneut gebotenen Kleinstadtphilosophie von Dante und Randal irgendwas abgewinnen, dann ist es vielleicht diese Botschaft. Sicher war “Clerks” ein Sammelbecken der nicht vorhandenen finanziellen Möglichkeiten, doch ist es eine Tugend, sich auch mit einfachen Dingen zu begnügen, so lange das Ergebnis nur ordentlich rockt. Mies bezahlter Job als Ladenangestellter for life... so what?
Kevin Smith eröffnet in Huldigung an seine Independent-Wurzeln in schwarzweiß, Alfred Hitchcocks Beispiel folgend, der die erste Szene von “Blackmail” ohne Ton drehte. Was für ein Bild. Der grauweiße Betonklotz mit heruntergelassenen Rolläden, auf denen man ein großes Schild mit der Aufschrift “We Assure You We’re Not Open...Yet” vermuten könnte. Dann werden die Rolläden vom schlaftrunkenen Dante hochgelassen und die erste Farbe kommt ins Spiel. Es kann losgehen.
“Clerks II” ist mutig genug, eigenständig zu sein, ohne jedoch darauf zu verzichten, jede erdenkliche Gelegenheit zu ergreifen, auf den eigenen Kosmos zu verweisen. Wer “Dogma” gesehen hat, weiß, um welches Gebäude es sich handelt, das Dante und Randal neu beziehen. Szenenwechsel, aber nicht gerade ein Aufstieg auf der Karriereleiter: Burgerbrater und Kassierer. Auch alte Bekannte wie Ethan Suplee, Ben Affleck oder Jason Lee stecken per Cameo mal ihre Nase in den neuen Laden. Gott, man fühlt sich auf der Stelle heimisch.
Zur Freude aller wird das Geschäft wieder nur nebenbei geführt und eher als Location genutzt, um die Dialoge das Regiment übernehmen zu lassen. Die sind nicht mehr ganz so auf die Pointe konstruiert wie im Original, dafür aber natürlicher und unter dem Strich nicht weniger klug und dumm zugleich. Versaut sind sie sowieso; Randals Mund ist eine Dreckschleuder, die ununterbrochen Fäkalien produziert. Einen Rezensenten stellt es vor Probleme, zu erklären, was genau an diesem eigenwilligen Mix so faszinierend ist. Alles sprudelt laissez-faire vor sich hin, passt aber immer punktgenau. Und dem Intro von Kevin Smith und Scott Mosier vor dem Hauptfilm nach zu urteilen, scheint es nicht einmal große Schwierigkeiten zu bereiten, diese unverwechselbaren Dialoge zu produzieren. Das scheint in der Natur von View Askew zu liegen.
Wer sind die Neuen? Vor allem Trevor Fehrman als Lord of the Rings-Nerd Elias und Rosario Dawson als Burger-Chefin Becky. Sie tragen zu einem festen Storygerüst bei, das sich tatsächlich unaufdringlich und integrativ irgendwo zwischen all den Einzelepisoden entwickelt. Es hat mit Liebe und Freundschaft zu tun und geht damit zurück auf die Erkenntnisse von “Chasing Amy”. Aber viel besser, was hat “Dogma” mit “Clerks II” zu tun? Oh ja, das Hauptmotiv - den Glauben. Der wird zunächst ganz banal über die Filmzitatemaschinerie von “Mall Rats” transportiert. Meine Freunde... macht euch bereit auf die entscheidende Schlacht zwischen zwei der drei (neben “Star Trek”) größten Nerd-Vereinigungen der Welt: “Star Wars” gegen “Herr der Ringe”. Das kleine Wortgefecht, das sich da fast unbemerkt anbahnt, gehört zu den größten Brüllern in der Geschichte der Filmparodie.
Stichwort Filmparodie: Dafür zeichnet vor allem wieder das Gespann Jay und Silent Bob verantwortlich, das insgesamt zwar schon besser in die Handlung integriert wurde, aber immerhin wieder für einen guten Schlusspunkt gut ist. Und die “Das Schweigen der Lämmer”-Nummer ist eigentlich kaum zu fassen. Wie war das noch gleich bei “Clerks”? Interviews zufolge soll sich Jason Mewes damals geschämt haben, vor den Crewmitgliedern zu tanzen und sie bei der Aufnahme (...”BERZERKER!!!”) herausgebeten haben. Kaum zu glauben, wenn man sieht, was er hier abzieht.
Der Soundtrack? Nicht mehr ganz so radikal, aber mit einer feinherben ironischen Note, wenn Jay und Bob etwa in Anlehnung an Salma Hayeks Table Dance aus “Dogma” zu Jackson 5's “ABC” abtanzen oder wenn “Raindrops Keep Fallin’ on My Head” übertriebene Fröhlichkeit untermauert - wie in “Spider-Man 2", created by Smith’s Buddy Stan Lee, der auch einen Auftritt in “Mall Rats” hatte. Es wirkt alles so locker und einfach - es passt so exakt zusammen, dass ein einzelnes Haar an der falschen Stelle das ganze Konstrukt zu zerstören droht. Und trotzdem ist es so beneidenswert locker, als in der Esel-Show mal wieder alle Stränge miteinander vereint werden. Wie in “Mall Rats”. Erstaunlicherweise auch wie in “Star Wars” und “Herr der Ringe”. Natürlich dort ohne Esel.
Apropos Lockerheit: Filmkritiker Joel Siegel verließ das Kino nach 40 Minuten (“First movie I’ve walked out of in 30 fucking years!”). Randals Mundwerk ist nicht die einzige dreckige Sache in “Clerks II”. Unglaubliche Geschmacklosigkeiten, die zwar nicht per se auf der Leinwand gezeigt werden, in der Imagination des Zuschauers aber zerstörerisch zu Werke gehen. Aber wenn es droht, unpassend zu werden, weiß Smith sich plötzlich sehr gut von Teencom-Perversitäten abzunabeln, indem er jene Liebes- und Freundschaftsgeschichte wieder geschickt mit den schier unfassbaren verbalen Entgleisungen verknüpft.
Klartext: “Clerks II” war ein Projekt, das großes Potenzial barg, ein künstlerischer Flop zu werden. Es handelt sich um das Sequel eines Independent-Hits, der nach über einer Dekade nichts von seiner Aura verloren hat. Smith ist inzwischen erfolgreich und konnte eigentlich nur verlieren, wenn er in diesen Tagen zu seinen Wurzeln zurückkehrte. Aber der verfluchte Mistkerl hat es uns wieder allen gezeigt. Die “Passion of the Clerks” ist ein spritziges, hochintensives, leicht nostalgisches Komplettvergnügen geworden, bei dem man mehr als nur einmal am Boden liegt und Tränen vergießt. Lange Planungen gehen dieser Arbeit voraus, und das merkt man ihr insofern an, als dass sie besser nicht hätte konstruiert werden können. Was für ein bescheuert-geniales Drehbuch. Und doch ist von Verkrampfung keine Spur. Jeff Anderson und Brian O’Hallorann könnten besser kaum harmonieren, Rosario Dawson wirkte seit ihrem Debüt in “Kids” nicht mehr so echt und die Afflecks und Lees dieser Welt wissen schon, warum sie stets zu ihrem bärtigen Meister zurückkehren.
Das alles lässt sich auch auf die inhaltliche Ebene übertragen; wo der Fäkalhumor anspruchsloser kaum sein könnte, pult sich aber doch eine primitive Lebensweisheit heraus. Die “Clerks” verbreiten die Philosophie des kleinen Mannes in einer infiniten Spirale, die auffällig dem Ring gleicht. Einem Ehering oder wo sonst sich dieses Muster in der Natur ergibt. Ein Ring, sie alle zu knechten... von Kevin Smith, Master of the View Askewniverse, lasse ich mich gerne knechten. Schade nur, dass er nach diesem Abschluss jetzt vielleicht eher an “Jersey Girl” anknüpfen muss, denn sein Hauptwerk ist nun dicht verschlossen.
Aber vielleicht gibt es ja noch eine Prequel-Trilogie. Ich freue mich auf “Clerks X minus 3: The Phantom Menace”.