Trotz unzähliger Liebesfilme und einschlägiger Komödien gibt es kaum einen größeren Mythos als den des so genannten "One Night Stand". Alleine die Frage, ob solch ein Erlebnis glücklich macht, scheidet schon die Geister. Es gibt Filme, die sich auf den Frust nach dem Abklingen des Rausches konzentrieren, andere sehen es als den Beginn einer großen Liebe und Partnerschaft.
"En la cama" betrachtet es als das, was es tatsächlich erst einmal wertfrei ist - die erste intensive Begegnung zwischen zwei Menschen. So nahe liegend und unterhaltend erzählt die Story hier ist, so ungewöhnlich ist sie gleichzeitig, denn sie konzentriert sich ausschließlich auf die Nacht zwischen einer Frau und einem Mann in einem Hotelzimmer. Dabei wirkt der knapp 90minütige Film fast wie in Echtzeit gedreht und macht die Abläufe der Beziehungsentwicklung für jeden Betrachter erfahrbar.
Wie universell die hier gezeigten Stimmungen sind - bestehend aus Ängsten, Erfahrungen, Begehren und Streit - ist auch daran zu erkennen, dass es keine Rolle spielt, dass es sich bei den beiden Protagonisten um hübsche, gebildete Chilenen um die 30 handelt. Im Gegenteil vermeidet Regisseur Mathias Bizé damit jeden komödiantischen oder anbiedernden Ansatz und kann sich ganz intensiv dem überzeugenden Spiel von Daniela (Blanca Lewin) und Bruno (Gonzalo Valenzuela) widmen.
Der Film blendet während des ersten Sex in die Nacht ein, indem die Kamera langsam in die Totale geht. Ohne im Geringsten pornographisch zu wirken, wird der sexuelle Akt manchmal minutenlang gezeigt. Erstaunlicherweise können die Bilder dabei die Leidenschaft und Intensität vermitteln, ohne irgendeine stilisierte Optik oder künstlerisch anmutende Blickwinkel zu nutzen – der Akt wirkt so natürlich anregend wie er auch von den beiden Protagonisten empfunden wird. Die Sex-Häufigkeit nimmt ebenso natürlich immer mehr ab und die Gespräche erhalten einen größeren Raum, was einfach der Tatsache geschuldet ist, dass Bruno größere Pausen benötigt, um wieder aktiv werden zu können.
Schon nach dem ersten Sex ist zu spüren, dass die Beiden an mehr interessiert sind, als nur an der reinen sexuellen Interaktion. Doch gleichzeitig ist auch ihre Unsicherheit zu spüren, denn Niemand wagt es, zu viele Emotionen zu zeigen, die dann eventuell vom Gegenüber nicht erwidert werden. Die Art wie „En la cama“ dieses „aufeinander zu bewegen“ hier schildert, ist in seiner einfachen Sensibilität und Authentizität großartig. Dabei gelingt ein Gleichgewicht zwischen Frust und Lust, was jede Einseitigkeit in der Beurteilung einer solchen Nacht vermeidet. Immer wieder werden sie mit ihren Realitäten konfrontiert, mit ihren Wünschen und dem Gefühl der Unerfüllbarkeit, aber genauso spüren sie die intensive Nähe und plötzliche Vertrautheit.
Oberflächliche Betrachtungen, wie die Behauptung, hier erleben zwei Menschen in einer Nacht mehr Intensität als mit ihren langjährigen Partnern, werden der Intelligenz und Sensibilität des Films nicht gerecht, denn „En la cama“ verdeutlicht auch die Ausnahmesituation einer solchen Nacht. Es ist eine extreme Form einer Nähe, deren Ende schon vorauszusehen ist, und der Film lässt auch erkennen, dass sich Menschen in einer solchen Situation in einer Art öffnen, wie sie es nach dem Übergang in die Realität nicht mehr vermögen. Letztlich kann und will auch „En la cama“ das Mysterium einer solchen Nacht nicht entschlüsseln, aber er lässt uns Zuschauer an dem Erleben zweier Menschen teilhaben. Und es wird nur Wenige geben, die sich nicht zumindest in Details darin wieder erkennen (8/10).