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1965 war bei der Rialto Film die Zeit reif, einen neuen Schritt in Richtung des inzwischen von internationalen Produktionen verwöhnten Publikums zu gehen: Farbe sollte ins Spiel kommen. Doch vor diesem entscheidenden Umbruch der offenbar nach Auffassung vieler Fans entscheidende Qualitäts-Einbußen bewirkte wollte man noch einmal einen echten Kracher, einen Reißer der „Superlative“ und auch eine Art Resümee der schwarzweißen Wallace-Ära von der Leine lassen. Dieser 20. und letzte Schwarzweißfilm der Rialto-Reihe ist „Der unheimliche Mönch“ geworden, inszeniert von Dr. Harald Reinl der das deutsche Kinophänomen 1959 mit dem findigen Constantin-Chef Walfried Barthel aus der Taufe gehoben hatte. Und man kann mit Fug und Recht behaupten das Reinl mit diesem beispielhaften Streifen sein Denkmal im Pantheon deutscher Kriminalfilmregisseure für alle Zeiten fundamentiert hat.

Der Vorwurf einiger Kritiker, Reinls Filme seien „handwerklich zwar einwandfrei aber seelenlos“ wird mit diesem Film einmal mehr entkräftet. In vieler Hinsicht könnte man den österreichischen Regisseur als einen frühen, deutschen Enzo. G. Castellari („Keoma“, „Tote Zeugen singen nicht“) bezeichnen. Genau wie in dessen Filmen spürt man auch bei Reinl in jedem Film die Leidenschaft, Begeisterung und Freude am Umsetzen spannender, stimmungsvoller und romantischer Stoffe. In „Der unheimliche Mönch“ paart er sein Talent, zügig und actionreich zu erzählen mit der schaurigen Nacht-und-Nebel-Stimmung, die bislang eher seinem Kollegen Alfred Vohrer und dessen Kameramann Karl Löb vorbehalten geblieben war.

Von der Gewitterumtosten Pre-Title-Sequenz an lässt Reinl nichts anbrennen und stellt uns sogleich die Hinterbliebenen des verstorbenen Herren von Schloss Darkwood in einer spannungsreichen, unterschwellig agressiven Auseinandersetzung vor: Lady Patricia (Ilse Steppat, „Im Geheimdienst ihrer Majestät“), die einzige ehrlich trauernde und aufrechte Erbin die um ihre Nichte Gwendolyn- die Alleinerbin- bangt, Sir Richard (ein unglaublich boshafter und guter Siegfried Lowitz, „Der Alte“, „Der Fälscher von London“) der das Testament seines Vaters auf krummen Wegen in seinen Besitz gebracht hat und nun zu seinem Vorteil eine Vereinbarung mit seinem Bruder Sir William (Dieter Eppler, „U47- Kapitänleutnant Prien“), Lady Patricia und ihrem ebenso hitzköpfigen wie verschlagenen Sohn Ronny (Hartmut Reck) treffen will.
Nach dieser brillanten Sequenz sind die Fronten abgesteckt. Für das nun folgende kriminalistische Gruselspektakel hat man eine Kulisse gefunden die alle bisher da gewesenen „Gruselschlösser“ der Reihe in den Schatten stellt: Das Schloss Hastenbeck (nahe Hameln) und der dazugehörige Park dienten hier nicht nur als Außen- sondern auch Innenkulisse und verleihen dem Film einen deutlich edleren und authentischeren Look als ihn die zu großen Teilen im Atelier gefertigten Vorgänger aufboten. Stellenweise wirkt „Der unheimliche Mönch“ schon beinahe wie ein Gothic-Horrorfilm und sicherlich war er auch eine Referenz, die die Constantin Film zwei Jahre später bewog, Reinl die Regie bei oben erwähntem „Die Schlangengrube und das Pendel“ zu übertragen- statt Alfred Vohrer, dessen exploitativere Gangart sich dort beinahe noch eher empfohlen hätte. Doch auch wenn Reinl oft nachgesagt wurde, er würde „milder“ mit „seinen“ Mordopfern verfahren- schon in den Wallace-Derivaten „Der Würger von Schloss Blackmoor“ und „Die weiße Spinne“ hatte er bewiesen das er sich auf die harte, breit ausgespielte und nicht selten sadistische Inszenierung für damalige Verhältnisse ungemein drastischer Tötungen verstand. Die Waffe des Mönchs gibt ihm hier erneut Gelegenheit zu eindrucksvollen Mordsequenzen: Eine lange Peitsche, am Ende mit einer Bleikugel bestückt, wickelt sich um den Hals der unglücklichen Opfer und bricht ihnen das Genick. Sicherlich eine der originellsten Mordwaffen der um obskure Todesarten nie verlegenen Krimireihe, geführt von einer faszinierenden Schreckensfigur.

Beim Publikum kam „Der unheimliche Mönch“ so gut an, das sich Produzent Horst Wendlandt bereits zwei Jahre später entschloss, ein diesmal farbiges Remake des Films in die Kinos zu bringen- „Der Mönch mit der Peitsche“ wie der Titel lautete blieb allerdings weit hinter den Qualitäten des Originals zurück. Die düster-gespenstischen Impressionen des nebligen Schlossparks, der schwarzen Mönchssilhouette, des Schlosses sowie die mitreißenden Actionszenen und die insgesamt außergewöhnlich stimmige Atmosphäre konnten in Farbe von Alfred Vohrer mit einem zusätzlich sichtlich niedrigeren Budget nicht wiederholt werden.

Zu dem ausgefeilten und dramaturgisch nahezu makellosen Skript gesellen sich jedoch noch eine Handvoll weiterer entscheidender Komponenten an denen es- fast schon unheimlich- kaum etwas auszusetzen gibt. Die Träume eines Kenners deutscher Kinogrößen der 60ziger nehmen mit der hochkarätigen Besetzungsliste Gestalt an. Neben den oben bereits gewürdigten Darstellern soll hier besonders auf Harald Leipnitz hingewiesen werden, der hier zum ersten Mal den Inspektor gibt (und es leider nur noch ein weiteres Mal tun sollte). Sein zurückhaltendes, trockenes und leicht bissiges Spiel bietet eine überaus gelungene Abwechslung zu den übermächtigen Konkurrenten Heinz Drache und Joachim Fuchsberger. Sein Inspektor Bratt wirkt nicht selten erwachsener und besonnener als die ironisch-impulsiven Figuren die das deutsche Publikum durch die Kollegen bereits kennen und lieben lernte. Leipnitz, einer der meist unterschätzten Charakterdarsteller des damaligen deutschen Kinofilmes entsprach weder in Auftreten noch Aussehen so recht den damaligen Idealen und kam so als Wallace-Darsteller leider nur zu bescheidener Ehre. An seiner Seite erfreut zum letzten Mal bei Wallace die diesmal etwas weniger grazile aber dennoch liebreizende Karin Dor („James Bond 007- Man lebt nur zweimal“), Frau des Regisseurs und damals einer der weiblichen Topstars der Bundesrepublik. Wie üblich wagt sie sich auch hier neben ihrer weiblichen Ausstrahlung ihre burschikose Seite nach außen zu kehren und profiliert sich damit noch einmal als resoluteste Protagonistin der schwarzweißen Wallace-Ära. Rudolf Schündler („Der Exorzist“, „Suspiria“) mimt den wunderlich-fahrigen Turmbewohner Mr. Short mit Bravour, desgleichen füllen auch der obligatorische Siegfried Schürenberg als vertrottelter Yard-Chef Sir John („Der Mönch, der Mönch! Wenn das ein Mönch ist dann bin ich eine Nonne!“) und der hier eher gesetzte Eddi Arent ihre Rollen mit einer angenehmen Dosis Humor die dem Zuschauer jedoch nie so penetrant aufgezwungen wird wie etwa in dem sympathischen Trash-Krimi „Die Gruft mit dem Rätselschloss“. Uschi „Schätzchen“ Glas absolviert hier ihre erste, kleine Rolle, allerdings unter ihrem richtigen Vornamen Ursula und mit Synchronstimme (Ihr bayerischer Akzent war damals noch zu ausgeprägt), in der Riege der jungen Internatsschülerinnen trifft man außerdem noch Uta Levka („Im Todesgriff der roten Maske“), die spätere Schlagersängerin Dunja Rajter und Susanne Hsiao, heute Harald Juhnke-Witwe.

Die hinterhältige Kameraarbeit von Ernst Wilhelm Kalinke die im vollen Bewusstseins des subtilen Grauens oft mehr verhüllt als offen präsentiert weist ihn erneut als einen hervorragenden Handwerker aus, der genau weiß wie er die großartige Kulisse und die Darsteller am treffendsten aufs Negativ bannt, die schlussendliche Krönung- neben einigen bemerkenswert aufwändigen London-Aufnahmen inklusive Darstellern- ist aber der brachiale, druckvolle und einzigartige Score von Hauskomponist Peter Thomas („Raumpatroullie Orion“). Ebenso schräg wie passend sind die berauschenden Easy-Listening-Prog-Rock-Hammondklänge, mit denen der Film verschwenderisch um sich wirft. Insbesondere das von Orgeln und Fanfaren dominierte Titelthema, eine Melange mittelalterlicher musikalischer Traditionen und Instrumente, zeitgenössisch arrangiert, setzt sich als Ohrwurm für Tage im Gehörgang fest aber auch sonst ist es dem Komponisten auf beeindruckende Weise gelungen, musikalische Gesetzmäßigkeiten des Genre-Films mit seinem eigenen, verspielt-loungigen Stiel zu verbinden. Möge sich doch bitte einmal ein Soundtrack-Anbieter hierüber erbarmen!

Während sich Reinl im Herzstück des Films auf das Bienengleiche Geschwirr und die Ermittlungen im Schloss konzentriert und eher auf Atmosphäre und spannungsreiche Dialoge setzt drückt er im Finale noch einmal das Gaspedal durch und beschert uns den wohl atemlosesten Showdown der Wallace-Reihe der kurioserweise auf der Verfolgungsjagd einer kriminell missbrauchten Brieftaube aufbaut und in einer herrlich theatralischen Szenenfolge in einer Villa am Rande Londons endet, in der die überraschende Demaskierung des Mönchs vorgenommen wird. Für das deutsche Publikum anno 1965 dürfte der Maskenfall sicherlich ein Schock und massiver Verstoß gegen die eigene Erwartungshaltung gewesen sein doch auch heute noch erfüllt einen die Dreistigkeit der Produzenten mit Überraschung und Bewunderung. Nur die romantisch-verklärte, aufgesetzte Schlusssequenz hinterlässt einen faden Beigeschmack und zeugt davon das Reinl bei all seiner handwerklichen Perfektion und Massentauglichkeit nicht vor der Macht des Produzenten Horst Wendlandt gefeit war denn aus irgendeinem Grund kann man sich des Gefühls nicht entledigen, hier sei etwas schief gelaufen, bzw. anders als vom Regisseur geplant.

Doch nichtsdestotrotz: „Der unheimliche Mönch“ stellt neben „Das Gasthaus an der Themse“ (1962) und „Die toten Augen von London“ (1961) DIE Referenz (und Einstiegsdroge) der 37 Produktionen umfassenden Reihe deutscher Edgar Wallace-Verfilmungen dar, die zwischen 1959 und 1972 entstanden. Alles drin, alles gut? In diesem Falle ja. Das sich Reinls Film sicherlich zuletzt durch psychologische und intellektuelle Tiefe auszeichnet ist klar. Doch mit Erwartungen in dieser Richtung wird man bei den Wallace-Filmen ohnehin auf Granit beißen. Vielmehr gehören die kostengünstigen Produktionen aus den 60zigern bis heute zum kultigsten was das deutsche Kino je hervorgebracht hat. Triviale Filmkost auf hohem künstlerischen Niveau. Das so etwas möglich ist haben Reinl, Vohrer und ihre Kollegen damals immer wieder unter Beweis gestellt. Meine aufrichtige Liebe und Anerkennung werden sie deshalb allezeit erhalten. Ein Hoch auf dieses Meisterwerk des deutschen Unterhaltungskinos. Immer noch toll und das trotz inzwischen achtmaliger Begutachtung. Und wenn er nicht gestorben ist dann peitscht er auch noch heute…

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