Review

Im Jahr 1984 gründete eine Gruppe amerikanischer Collage Studenten die HPLHS (Howard Phillips Lovecraft Historical Society) unter dem Motto "Ludo Fore Putavismus" (Wir dachten, dass es spaßig wäre) und begannen mit der Verarbeitung diverser Umsetzungen von Lovecrafts Geschichten in Merchandise, Rollen- und Hörspielen, sowie 2005 auch endlich filmisch mit der Adaption der Kurzgeschichte Cthulhu's Ruf (Call of Cthulhu) geschrieben 1926, erstmals veröffentlicht 1928 im Weird Tales Magazin. Die Geschichte spielt eine zentrale Rolle in Lovecrafts Cthulhu-Mythos und war daher die erste Wahl für eine Umsetzung. Mit minimalem Budget und der Hilfe von Freunden, Verwandten, anderer Fans und einem Haufen Laiendarstellern, machten sie sich ans Werk. Im Bestreben Lovecraft den Tribut zu zollen, der ihm zu Lebzeiten nie gegönnt war, inszenierten sie den Film mit den Methoden (oder denen am nähsten kommenden, die heute verfügbar und preiswert waren) der Zeit, aus der die Kurzgeschichte stammt. Und heraus kam ein schwarz/weißer Stummfilm mit kaum 50 Minuten Laufzeit, der nicht weniger als ein Meilenstein des lovecraftschen Kinos sein sollte.

Seit der ersten Umsetzung einer seiner Geschichten (1965 Die, Monster, die! aka Das Grauen auf Schloss Witley von Daniel Haller, basierend auf The Colour out of Space) hatten alle folgenden eine Sache gemeinsam. Keine konnte wirklich die Atmosphäre des Ursprungsmaterials einfangen. Das Maximalste erreichte vermutlich Stuart Gordons Re-Animator (1985) dem es gelang einen gewissen (und gerechtfertigten) Kultstatus zu erlangen. Doch erst 20 Jahre später gelang es mit The Call of Cthulhu die erste originalgetreue Umsetzung zu drehen. Bis auf kleinere Unterschiede (unter Anderem: Todesumstände des Großonkels, des Protagonisten und die Entdeckung des zweiten Schiffs), welche dem geringen Budged geschuldet sein können, wurde nichts wichtiges ausgelassen. Man merkt dem Film in jeder Szene an, dass Fans dahinter standen, die ihr Bestes gaben, der Geschichte gerecht zu werden. Auch die Liebe zum Detail stimmt. Ohne zu viel verraten zu wollen; achtet auf ein paar der zu sehenden Bücher.

Es beginnt mit dem namenlosen Protagonisten, der einem Mann (später erfahren wir, dass es sich bei ihm um einen Nervenarzt handelt) vom Tod seines Großonkels erzählt. Dieser hinterließ ihm eine Kiste voller Zeitungsartikel und anderer Dokumente. Darunter ein Relief mit dem der erste von 3 Vorfällen eingeleutet wird, dem der Protagonist auf die Spur kommt. Die Geschichte dahinter handelt von Henry Wilcox, der dieses Relief nach dem Angesicht eines Monsters modelierte, das ihn seit einiger Zeit in seinen Alpträumen verfolgt. Die Traumsequenzen sind hier sehr gut in einer Überlagerung der Aufnahmen des Darstellers und einer Modelstadt umgesetzt. Besonders was die Gestaltung der (so unter Lovecraft-Kennern bezeichneten) Anti-Architektur der Stadt angeht, hat man sich offenbar viele Gedanken gemacht.

Dem folgt die Geschichte des Inspektor Lagrasse, der in den sümpfen Louisianas einem Voodookult hinterherjagd, der einen Götzen verehrt, welcher dem Monster aus Wilcox' träumen ähnelt. Nicht direkt, doch in sehr graphischen Andeutungen, wird dem Zuschauer auf einem Fest der Kultisten nahe gebracht, dass diese Menschen fressen (einige abgenagt wirkende Leiber hängen herum und Knochemasken werden von ihnen getragen). Der düsteren Aura kommt hier auch noch ein hervorragender Einsatz von Beleuchtung zu gute. Was den Gewaltgehalt angeht, hält sich der Film weitestgehend zurück und setzt lieber auf die Vorstellungskraft des Unterbewusstseins.

Im dritten Teil kommt unser Protagonist endlich dem Ursprung des Kults auf die Spur, als er über die Besatzung der Emma liest und den einzigen Überlebenden ausfindig macht. So erfährt er wie die Crew auf einer seltsamen Insel anlegte und mit dem Schrecken konfrontiert wurde, welchem der Kult entsprang. Sich der Tatsache bewusst, dass es der Stimmung des Unbewussten schaden würde (und auf Dauer gefahr laufen würde lächerlich zu wirken) hält sich hier die Stop-Motion-Animation des Cthulhu in Grenzen. Obwohl der Protagonist erst im letzten Drittel wirklich aktiv wird, merkt man wie er nach und nach in die Recherchen seines Großonkels hineingezogen wird und letzten Endes selbst Teil dieser Chronik wird.

Dem Ziel einer Verfilmung im Stil der 1920er Jahre ist man absolut gerecht geworden. Nicht alles ist unbedingt perfekt. In Anbetracht der Tatsache, dass man Technikenfür die Stop-Motion-Technik am Ende des Films benutzte, die 5-10 Jahre vor King Kong und die weiße Frau geläufig waren, kann man mehr auch nicht erwarten. Wenn man den Film mehrmals sieht, wirken diese nach und nach ein Bisschen albern, doch mit dem Wissen im Hinterkopf, dass dies kein technischer Mangel, sondern eine bewusste stilistische Entscheidung gewesen ist, bleibt nicht viel daran auszusetzen. Denn als erster Film seiner Art gelingt es ihm die von Lovecraft beabsichtigte Atmospäre einer, die Menschheit im Ganzen überschattenden Bedrohung zu manifestieren. Gerade auch das durchgehend vorhandene Feeling einer Independent-Produktion trägt diesem Aspekt zu Gute, da es dem Zuschauer schwerer fällt, das Gesehene in Umsetzung und Machart, mit den Produktionen anderer Sudios (z.B. die alten Universal-Monsterfilme der 1920er -50er) zu asoziieren. Symbolisch für diese Unbedeutsamkeit des Menschen im Kosmos, hat der Protagonist nicht einmal einen Namen. Fun-Fact: In der ersten Veröffentlichung der Geschichte wurde als Verfasser, Herausgeber und somit auch Protagonist ein gewisser Francis Wayland Thurston genannt.

The Call of Cthulhu läuft zwar "nur" rund 47 Minuten, unterhällt und fesellt jedoch durchgängig. Nicht zuletzt auch durch die wunderbar stimmige Filmmusik, die in ihrer Intensität und Qualität die der meisten damaligen Filme locker an die Wand spielt. Auch die Tatsache, dass man sich die Mühe gemacht hat, den Film mit Zwischentiteln in insgesamt 24 Sprachen (meines Wissens nach allen in die Lovecrafts Geschichten zum damaligen Zeitpunkt übersetzt worden waren) auszustatten (alle auf der bisher einzigen DVD Veröffentlichung der HPLHS selbst enthalten), zeugt davon, wie viel Mühe man sich hier für die Fans gemacht hat. Soweit ich das beurteilen kann sind zumindest die deutschen Zwischentitel (bis auf 2 kleine Flüchtigkeitsfehler) akkurat in Rechtschreibung und Bedeutung im Vergleich zum Englischen.

Die Macher haben mit diesem Film wirklich jedes Ziel erreicht, dass sie sich gesetzt hatten. Bis auf den großen Erfolg vielleicht. Von der überwiegenden Mehrheit der Fanbase gefeiert und auf einigen Film Festivals honoriert, führt der Film leider immer noch ein gewisses Schattendasein, gegenüber anderen Adaption und ist immer noch eher ein Geheimtipp. Was jedoch nicht bedeutet, dass er den Machern nicht genug Geld eingebracht hat, um sich weiteren Projekten dieser Art zu widmen. The Call of Cthulhu makiert nicht zuletzt auch einen Wendepunkt dahingehend, dass eine auf allen Ebenen stimmige Umsetzung von Lovecraft möglich ist. Für mich daher ganz klar eine 10 von 10 möglichen Punkten. Bleibt nur zu hoffen, dass folgenden Projekten ein größerer Erfolg gegönnt sein mag, um Lovecraftgeschichten aus dem Bereich des B-Movies zu holen, in dem sie die letzten 51 Jahre festgesessen haben.

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