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Dass kaum ein anderer Regisseur so harmonisch, vielseitig und extrem mit Marlon Brando arbeiten konnte wie Kazan liegt wahrscheinlich in der Vorstellung begründet, die offenbar beide Männer im Umgang mit Filmprotagonisten, bzw. Helden ( Identifikations-Figuren und der Vorstellung, die man seinerzeit davon hatte, geteilt zu haben scheinen. Dekonstruktion, die über den Antihelden hinaus zum bemitleidenswerten, teilweise geradezu erbarmungswürdigen Schatten einer vermeintlich starken Persönlichkeit die, so wird immer angedeutet, eine eben solche vielleicht niemals gewesen ist. So scheint das Motto. Bei einem zweiten Blick auf MUTINY ON THE BOUNTY, der bekanntermaßen in erster Linie eine Brando-Regiearbeit darstellt und keinen Lewis Milestone-Film, fällt sofort auf, wie sehr Brandos ganz eigene, alles andere als einfache Interpretation des Fletcher Christian sich mit seinem Emiliano Zapata aus diesem Film deckt und ergänzt, nur das Brando in MUTINY ON THE BOUNTY schon gar nicht mehr wirklich als Rebellions-Führer agiert, agieren kann, letztlich nur zum Instrument seiner Matrosen wird. So kaputt, selbsttäuschend, labil, schlicht charakterlos wie Brandos Christian (dem das Mainstream-Publikum '62 verständlicherweise die Gunst verwehrte und dem Film an den Kinokassen nicht übermäßig gewogen war) ist Emiliano Zapata hier noch nicht, trotzdem ist auch er ein Mann, der nur nach der Ideologie handelt, von der er glaubt, sie müsse die richtige sein, ungeachtet seiner instinktiven, scharfen Intelligenz, die ihn von der Naivität eines Brandoschen, hyperkontrollierten Christian abhebt. Letztlich sind auch alle Parteien um Zapata geradezu grotesk überzeichnet und mir würde niemals einfallen, dem Film den Verdacht eines "antikommunistischen Kommentars" aufzuerlegen - arbeitet Kazan doch einfach nur beißend, aber in meinen Augen sichtlich ungerührt von den Motiven an sich, den Faschismus heraus, der zwangsläufig aus kommunistischem Fanatismus erwachsen muss, der rücksichtslose Geltungsdrang, der auf beiden Seiten für Willkür und Machtmissbrauch sorgt, die allgemein unmögliche, eindeutige Schuldzuweisung, wie sich in der zweiten Hälfte des Films zeigt. Deswegen ist VIVA ZAPATA auch vielmehr ein moralischer denn ein politischer Film, der soziale und gesellschaftliche Missstände auf die Machtkonstruktion und nicht auf die politische Front ihrer Ingenieure zurückführt.
In erster Linie ist Kazans Film aber ohnehin noch echtes Unterhaltungskino mit einem Anspruch an sich,wie man ihn heute kaum mehr kennt - und ein Phänomen insofern, als man während dieser nur 109 Minuten den Eindruck gewinnt, man würde einem ungemein packenden, vielschichtigen, dreistündigen Epos beiwohnen - während der Sichtung stellte sich bei mir eben jenes Zeitgefühl ein, dass sonst nur Filme wie LAWRENCE OF ARABIA, BEN HUR, DOCTOR ZHIVAGO, C'ERA UNA VOLTA IL WEST, THE GODFATHER und all jene "Über-Filme" erzielen, das Gefühl, es sei viel Zeit verstrichen, als seien viele Ereignisse und eine ungeheure Anzahl komplexer menschlicher Veränderungen in der dafür nötigen Breite vor sich gegangen, mit einem Nachgeschmack von glücklicher Erschöpfung und gefühlter Größe.

Bemerkung am Rande: 1970 haben sich auch mexikanische Produzenten angeschickt, ihre eigene Variante vom National-Mythos und -Helden Zapata auf die Leinwand zu bringen, der EMILIANO ZAPATA betitelte Film ist m. E. trotz ungeheurem Aufwand dem Film von Kazan weit unterlegen und gewinnt der Figur, die dort nur ein unfreiwillig profilloser, markiger Aufrüttler ist, kaum interessantes, geschweige denn authentisch wirkendes ab und ertrinkt weitgehend in ihren allerdings beachtlichen "production values" und ihrem hölzernen Drehbuch. Bezeichnenderweise setzt dieser Film mitten im Kampfgetümmel ein und schert sich kaum um die Vorgeschichte und Entwicklung der Revolution, bleibt in erster Linie ein Schlachtengemälde - was VIVA ZAPATA! gerade nicht ist. Und Antonio Aguilar ist leider auch kein Brando, der sich hier noch, ebenso unverbraucht wie in A STREETCAR NAMED DESIRE, von seiner Rolle mit Haut und Haaren verschlingen lässt - oder auch vice versa.

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