Die 13-jährige Vic zieht mit ihren Eltern nach Paris. Schnell freundet sie sich an und lernt einen Jungen kennen, in den sie sich schnell verliebt. Während ihre Eltern eher mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind, steht ihre Urgroßmutter Vic mit Rat und Tat zur Seite...
Mit 20 Jahren habe ich „La Boum“ das erste Mal bewußt miterlebt, und obwohl die Handlung nicht in meiner Jugendzeit, Anfang der 80er, spielt und ich längst aus dem Teenageralter heraus bin, kann ich dem Film einen gewissen Zauber nicht absprechen. Anders als die platte, mitunter schier unerträgliche „Eis am Stiel“-Reihe, geht Claude Pinoteau sehr einfühlsam und glaubwürdig zugleich mit den Problemen Heranwachsender um, und das in einer weitaus hintergründigeren amüsanten Form. Dramatische Aspekte jedoch werden ebenfalls nicht umschifft.
Ein großes Lob verdient sich Pinoteau für die Auswahl der jungen Hauptdarstellerin: Die außerordentlich süße und erfrischend agierende Sophie Marceau erweist sich als Idealbesetzung für „La Boum“. Völlig unverkrampft geht sie in der Rolle der jungen Vic auf. Es verwundert daher nicht, daß sie eine Art Teenie-Idol wurde und lange Zeit Schwierigkeiten damit hatte, sich von ihrem Image zu lösen, woran auch freizügigere Auftritte in Thrillern wie „Abstieg zur Hölle“ nichts ändern konnten. Ihre natürliche Art ist es, die es dem Zuschauer leicht macht, sie gern zu haben.
Sehr treffend zeigt Pinoteau am Beispiel Vic auf, wie man sich innerhalb der Pubertät verändert: Ist sie anfangs, als sie mit ihren Eltern nach Paris umgezogen ist und die Schule gewechselt hat, noch völlig unbedarft, gewinnt sie alsbald zwangsläufig - immerhin spricht man in der Schule von nichts anderem mehr - das Interesse am anderen Geschlecht. Auf der ersten Party, an der sie teilnimmt, verliebt sie sich erstmals, und andere Dinge, wie ein Skifahr-Trip während der Ferien, auf den sie sich zuvor so sehr gefreut hatte, werden plötzlich zur Nebensache und lästigen Pflicht. Wieder aus dem Urlaub zurück, muß Vic registrieren, daß sich ihr Freund ein anderes Mädchen geangelt hat. Der Liebeskummer läßt nicht lange auf sich warten, bis Mathieu doch wieder in ihre Arme zurückkehrt. Zeitgleich befinden sich ihre Eltern in einer größeren Ehekrise und entschließen sich, vorübergehend getrennte Wege zu gehen. Das alles sind typische Beispiele von Problemen, mit denen wohl fast jeder in seinem Leben zu tun hat/te. Themen, die Pinoteau auch von der komischen Seite angeht, was zu einigen köstlichen Momenten führt, etwa wenn Vic Mathieu eifersüchtig machen will, sich kurzerhand ihren verdutzten Vater, den der nicht kennt, schnappt und ihm einen Kuß auf die Lippen drückt.
Marceau verkörpert die Durchschnitts-Jugendliche, in der sich sicherlich hauptsächlich gleichaltrige Zuschauer wiedererkennen dürften. Aber auch der ein oder andere der älteren Generation wird in Erinnerungen schwelgen und sich fragen: War’s bei mir früher nicht genauso? Oder zumindest: Wie war’s eigentlich bei mir damals? Insofern kann man kaum abstreiten, daß „La Boum“ auch nach gut und gern 25 Jahren noch erstaunlich modern ist.
Ohne Hast entwickelt der Film aber auch seine anderen Charaktere. Letztlich dreht sich alles um die zentrale Figur Vic, doch nicht ausschließlich: Auch ihre Filmeltern Claude Brasseur und Brigitte Fossey werden einer näheren Untersuchung unterzogen. Die Sympathien verlagern sich deutlich zugunsten von Brasseur (allein schon wegen seines liebenswürdigen Erscheinungsbildes), der sich zwischenzeitlich zwar einen unentschuldbaren Seitensprung erlaubt und damit die Ehekrise auslöst, sich darüber hinaus aber wenigstens um seine Tochter bemüht zeigt, auch wenn er in Liebesdingen wahrlich nicht der richtige Ansprechpartner ist. Brigitte Fossey indes kümmert sich, nachdem sie endlich einen Job als Comiczeichnerin gefunden hat, kaum um Vic, bietet ihr mehrfach das klassische Mutter-Tochter-Gespräch an, um dann doch abzublocken, sobald z.B. das Telefon klingelt, weil andere Dinge ihr einfach wichtiger zu sein scheinen. Bleibt als Ratschlaggeberin und Ansprechpartnerin nur die rüstige Urgroßmama, der sich Vic immer anvertraut, wenn sie mal nicht weiter weiß. Mit ihrer Hilfe kann sich Vic mit dem Jungen ihrer Träume treffen, ohne sich hinterher mahnende Worte anhören zu müssen. (Wobei an dieser Stelle angemerkt werden muß, daß Vics Eltern durchaus liberale Personen sind, die nicht gleich verständnislos reagieren, wenn ihre Tochter sich mit einem anderen Jungen trifft. Gerade das ist auch wieder so ein Punkt, der die Glaubwürdigkeit der hier vorgestellten Figuren unterstreicht - denn so wie Vics Eltern ist im Querschnitt garantiert ein Großteil der Eltern in der Realität.)
Am Ende feiert Vic ihren 14. Geburtstag und läßt zu dem Anlaß eine große Sause steigen. Sehnsüchtig wartet sie auf „ihren“ wankelmütigen Mathieu, und als der dann schließlich kommt und sie zum Tanz auffordert, erfährt Vic am eigenen Leib, wie sprunghaft man während seines Wachstumsprozesses doch sein kann...
Bei der Auswahl der Musik verläßt sich Pinoteau anders als die Regisseure von „Eis am Stiel“ - die Reihe schmeißt ja mit Oldies nur so um sich - auf eine sehr begrenzte Anzahl von Liedern. Er vertraut ganz auf die Wirkung des Sängers Mort Shuman, insbesondere auf die wundervolle, zum Träumen einladende Schmuse-Ballade „Dreams Are My Reality“, die sowohl als Vorspannmusik dient als auch in unregelmäßigen Abständen auf den gesamten Film verteilt wird. Ohrwürmer sind vorprogrammiert! Und da auch ich ein Fan von alten Musikklassikern bin, fühlte ich mich sogleich ausgesprochen wohl.
„La Boum“ entwickelte sich nicht zu Unrecht zu einem überraschenden Kassenschlager in Frankreich und erwies sich auch im Ausland als beliebt, so daß eine Fortsetzung nur drei Jahre später unumgänglich wurde.
Fazit: Eine liebevolle, einfühlsam und jederzeit glaubhaft inszenierte Teenager-Geschichte, die in gleichwohl behutsamer wie auch größtenteils humorvoller Art und Weise die Probleme Pubertierender behandelt und sich dabei glücklicherweise zu keinem Zeitpunkt auf ein niedriges Niveau hinabläßt, wie es etwa „Eis am Stiel“ tat oder auch viele US-Komödien der letzten Jahre, mit einer überragenden Sophie Marceau. Erfreulich, und sicherlich insbesondere Kult für diejenigen, die Anfang der 80er selbst vorm Erwachsenwerden standen.
GESAMT: 8/10