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Herbert Asch (Joachim Fuchsberger), inzwischen zum Leutnant befördert, nähert sich mit seiner Einheit dem heimatlichen Stützpunkt. Allerdings kann von einem geordneten Rückzug nicht mehr die Rede sein, denn das Land befindet sich im Frühling 1945, kurz vor dem Ende des 2.Weltkrieges, in Auflösung. Während die amerikanischen Truppen, ohne noch auf großen Widerstand zu treffen, die einzelnen Ortschaften übernehmen und neue Organisationen aufbauen, versuchen sich die Deutschen auf diese Verhältnisse einzustellen. Alles was eine zu große Nähe zur nationalsozialistischen Partei nachweisen könnte, wird hastig entfernt, während viele Soldaten versuchen Zivilkleidung zu bekommen, um so der Gefangenschaft zu entgehen.

"08/15 - In der Heimat" vermittelt diese Übergangsphase in einer Authentizität, wie sie ähnlich im Film nicht mehr gezeigt wurde. Bernhard Wickis "Die Brücke" konzentrierte sich auf das letzte sinnlose Gefecht kurz vor dem Ende des Krieges, in dem Jugendliche in politischer Verblendung noch geopfert wurden, als es längst geboten war, die Waffen niederzulegen. "08/15" verwendete dieses Motiv ebenfalls, aber es ist nur eines von vielen Themen, die sich in dem entstandenen Chaos ereignen. Der Tod zweier Jungen der Hitlerjugend erfolgt zwar aus einem ähnlichen Grund, vermittelt aber durch die Einbettung in den Gesamtkontext nicht die gleiche Tragik. Ein Film wie Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns" beschäftigte sich wiederum mit der unmittelbaren Phase nach dem Krieg. Die Verleugnung der eigenen Vergangenheit spielte hier eine wesentliche Rolle, genauso wie die Ungewissheit des Einzelnen, aber das totale Chaos war zu diesem Zeitpunkt schon wieder vorbei.

Dieses Chaos zeigt sich in „08/15 – In der Heimat“ nicht nur inhaltlich, sondern auch in der inszenatorischen Form. Kirst verlässt zum ersten Mal die soldatische Einheit, die er zuerst in der Kaserne und dann im Krieg beschrieb. Stattdessen sind die Soldaten nur noch auf sich allein gestellt, während zwei Kriegsverbrecher die Handlungslinie vorgeben. Oberst Hauk (Hannes Schiel) und sein Adjutant Oberleutnant Greifer (Michael Janisch), bei denen es sich in Wirklichkeit um Vertreter des Sicherheitsdienstes der SS handelt, haben sich fälschlicherweise Wehrmachts-Uniformen angezogen, um sich diverse Reichtümer anzueignen. Sie nutzen die allgemeine Verunsicherung und scheuen bei ihren Unternehmungen weder Folter noch Mord. Asch durchschaut schnell deren wahren Beweggründe und macht sich zusammen mit Kowalski (Peter Carsten) auf die Verfolgung.

Während im zweiten Teil ein aus der Berliner Zentrale geschickter Hauptmann für die "böse Tat" (in diesem Fall ein Angriff auf russische Soldaten) zuständig war, ist Kirst in der Schuldzuweisung an Außenstehende noch rigoroser. Die äußerst negative Darstellung der SS-Sturmbannführer, die es auch noch wagten Armee-Uniformen anzuziehen, soll die gesamte Schuld an Kriegsverbrechen diesen zuweisen und die Wehrmacht damit "reinwaschen". In diesem Zusammenhang verwendet Kirst noch weitere Motive, die die letzten Kriegstage prägten. Schnell ausgesprochene Todesstrafen bei geringsten Straftaten, die als Wehrkraft zersetzend galten, während parallel Jeder versuchte, sich so gut wie möglich aus der Affäre zu ziehen. Alte Männer und Kinder, die in der Kaserne gedrillt wurden, um sie in ein letztes Gefecht zu schicken, weil einige wenige Verblendete immer noch an den Sieg glaubten, der für jeden Vernünftigen schon seit Jahren ausgeschlossen war. Und besonders der allgemeine Opportunismus, mit dem sich die Zivilbevölkerung genauso schnell an die Brust der Besatzer schmissen, wie sie sich von alten politischen Überzeugungen verabschiedeten.

Die Soldaten werden dagegen wieder als "Opfer" der Umstände stilisiert, denn Asch und seine Kameraden verhalten sich weit weniger beweglich, geraten in Gefangenschaft und müssen hilflos zusehen, wie schnell sich die Zivilbevölkerung an die neuen Verhältnisse anpasst. Wenn Asch zum Schluss als unerwünscht abtritt, dann traf damit Kirst 1955 das Lebensgefühl vieler ehemaliger Soldaten, die teilweise erst wenige Jahre aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt waren, während die junge Bundesrepublik ihr fröhliches Wirtschaftwunder erlebte.

Mit diesen Schilderungen wagte sich Kirst im Detail zwar erneut weit vor, hinterlässt im dritten Teil aber insgesamt den zwiespältigsten Eindruck. Das zeigt sich darin, dass bestimmte Konstanten hier nicht mehr weiter ausgeführt wurden. Aschs Ehefrau, die dieser im zweiten Teil offensichtlich betrog, (und auch ihr gemeinsames Kind) ist nicht mehr existent, womit Kirst eine noch größere Konfrontation zwischen Soldaten und der Zivilbevölkerung vermied. Auch Aschs Schwester Ingrid, die in den ersten Teilen mit ihrer BDM-Begeisterung für das nationalsozialistische Element sorgte, und als Geliebte des tragischen Vierbein, der ebenfalls keine Erwähnung mehr findet, versagte, taucht nicht mehr auf. Man kann auch nicht von deren Tod ausgehen, weil Asch die weiblichen Familienmitglieder auch beim Wiedersehen mit seinem Vater nicht mehr erwähnt.

Dieser Bruch in der Kontinuität, der sonst so konsequent eingehalten wurde (auch O.E.Hasse spielt als Oberbefehlshaber hier wieder eine wichtige Rolle), könnte darauf hinweisen, dass Aschs Verhalten im zweiten Teil weniger gut ankam und man ihn hier wieder von familiären Banden losgelöst charakterisieren wollte. Dafür spricht auch das unverkrampfte Verhältnis, dass er mit einem Offiziersliebchen (Renate Ewert) eingeht, die er ungeniert mit sich nimmt. Einem allein stehenden Mann konnte man diesen Flirt durchgehen lassen.

Auch der Stimmungsniedergang, der die zweite Folge von der ersten unterschied, lässt sich in der dritten nicht mehr feststellen. Während die Soldaten im russischen Winter einen demoralisierten Eindruck hinterließen, überzeugt Leutnant Asch hier wieder mit vorbildlicher Frisur und selbst Kowalski läuft frisch rasiert durch die Gegend. Bedenkt man die Tatsache, dass die Protagonisten seit 6 Jahren im Krieg sind, so ist ihnen das weder psychisch noch physisch anzumerken. Man gewinnt den Eindruck, dass der zweite Teil mit seiner Abkehr von soldatischer Disziplin ebenfalls zu weit ging.

Weiterhin fällt im dritten Teil durch die enge Verzahnung mit dem Zivilleben stärker auf, dass Themen wie Konzentrationslager, Verfolgung von Juden und politisch anders Denkender ausgespart wurden. Damit wird die Mär weiter gesponnen, dass der "Normalbürger" davon nichts gemerkt hätte. Angesichts der Tatsache, wie intelligent Soldat Asch von Beginn an Armeevorgesetzte und politische Würdenträger durchschaute, kann ihm das nicht entgangen sein, abgesehen davon, dass sein respektloser Stil in der Realität kaum akzeptiert worden wäre.

An Kirsts „08/15“- Trilogie erkennt man die Möglichkeiten, aber auch die Nachteile, die ein großer Publikumszuspruch bei dieser Art der Vergangenheitsbewältigung mit sich brachte. Man kann Kirst nicht vorwerfen, dafür vordergründig Zugeständnisse gemacht zu haben. Viel mehr entsprach seine authentische Schilderung eines ebenfalls Betroffenen den Gefühlen einer Bevölkerung, die sich selbst als Opfer ansah. Die Schwächen und Kompromisse, die der dritte Teil aufweist, machen aber auch deutlich, bis zu welchem Punkt das Publikum bereit war, eine kritische Sichtweise mitzugehen (5/10).

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