Die Kamera schlendert durch das Studiogelände, luchst in das eine oder andere Bürofenster herein und belauscht einige Gespräche der wichtig-gestressten Passanten. Hier in einem der größten Studios Hollywoods sieht sogar der Briefbote wichtig und schick aus. Wir spähen in das Büro Griffin Mills hinein, der sich die abstrusesten Drehbuchideen anhören muss. Von „Die Reifeprüfung II“ bis hin zu einem billigen Abklatsch von „Dead Zone“ – es ist sein Job, Griffin Mill ist Produzent. Die Kamera wendet sich Mill wieder ab, hin zu dem einer neuen Assistentin, die erst lernen muss, dass man sich nicht mit Autoren wie Alan Rudolph einlässt, und schließlich wieder hin zu einem Gespräch zwischen dem Postboten und dem Verantwortlichen der Studiosicherheit. Letzterer philosophiert über Stakkato-Schnitte im heutigen Kino, und lobt Alfred Hitchcocks „Cocktail für eine Leiche“… ganze 8 Minuten und 60 Sekunden dauert die Eingangssequenz von „The Player“ – und sie hat keinen einzigen Schnitt.
In diesen ersten knapp 9 Minuten führt uns Regisseur Robert Altman, der zu den Pionieren des unabhängigen Kinos Amerikas gehört, in den Film ein. Denn das einzige, was noch zahlreicher als Filmstars in „The Player“ vorkommt, sind die herrlichen Insidergags für Filmfans und Cineasten. Optisch und verbal – jede Szene sprüht nur so von Filmzitaten und hübschen Referenzen. Aber auch inhaltlich gibt uns Altman schon einen Vorgeschmack auf das, was da kommen mag. Eine zynische Demontage von Hollywood, einer verlogenen Produktgesellschaft – dem Arbeitgeber, dem sich Altman nie unterwerfen wollte. Altman arbeitete nie für den Kommerz und daher nie für Hollywood. Aber da der Altmeister mit seinen Filmen immer genug Kasse machte, sind die Produzenten in Hollywood hinter ihm her. In „The Player“ geht es um den oben erwähnten Griffin Mill, gespielt von Tim Robbins, der nicht nur ob der regelmäßigen Morddrohungs-Postkarten, sondern auch wegen seines wackligen Arbeitsplatzes Angst hat. Die Todesdrohungs-Postkarten kommen ganz offensichtlich von einem frustrierten Autor, der von Mill einst abgeschmettert wurde. Mill findet in David Kehane (Vincent D’Onofrio) einen möglichen Täter. Als der ihn provoziert, ermordet ihn Mill aus Versehen in seiner Wut. Und das ist nur ein kleiner Teil der sarkastischen Geschichte.
Mill ist einer der unsympathischsten Helden der Filmgeschichte. Und doch schafft Robert Altman es, uns den arroganten Schnösel näher zu bringen – bis wir uns schließlich mit ihm identifizieren. Und sein Umfeld ist glamouröser als jede Illustrierte es sein möchte: Über 60 Filmstars unterstützen Altman, und zeigen es Hollywood mal so richtig. Ohne Gagen improvisieren Stars wie Burt Reynolds, Harry Belafonte, Jeff Goldblum, Malcolm McDowell, John Cusack, Peter Falk, Dennis Franz, Robert Wagner oder Susan Sarandon kurze Cameos, die witzig, eigenwillig und wunderbar leicht daherkommen. Cher zum Beispiel trägt zu einen besonderen Lacher bei: Auf einer Party, auf der ausschließlich Schwarz oder Weiß getragen wird, zieht sich die Filmdiva provokant ein rotes Kleid an. Der geneigte Filmkenner weiß, dass dies ein Seitenhieb auf die Schauspielerin selbst ist, die sich oft weigerte, in roten Kostümen in Filmen zu agieren. Doch der Film ist nicht nur ein nettes Spießrutenlaufen von einem Star zum nächsten, es geht ja schließlich um Mord. Doch Altman befasst sich gar nicht erst mit den Ermittlungsarbeiten der absonderlichen Polizisten Whoopi Goldberg und Lyle Lovett, sondern konzentriert sich auf das Film-Arschloch Griffin Mill. Sein widerliches Gelingen und sein unschönes Intrigieren zeigen deutlich, worauf es ankommt in Hollywood: Auf Glück. Nicht auf Talent, nicht auf einen richtigen Riecher. Mill hat den gesamten Film hindurch lediglich Glück.
Parallel zu „The Player“ sehen wir die Entstehungsgeschichte eines zweiten Films. Ein aufgeregtes Autorenpärchen (Richard Edson und …) offerieren Mill ein interessantes Buch, das ohne Stars und ohne Happyend auskommen soll. Altmans beißende Schlusspointe zeigt, welch Hohn eine solche Vorstellung in Hollywood dies wäre. Und auch sein Happend für „The Player“ ist wohl das düsterste „Up“-Ending, seit langem. „The Player“ ist eine intelligente Komödie, ein brutaler Seitenhieb auf alles, was Hollywood so abscheulich macht, ein Fest für Filmkenner und eine Liebeserklärung an die Kunstform Film. Robert Altman zeigte mit diesem Meisterwerk der Kommerz-Maschinerie den Stinkefinger – und hatte damit maßlosen Erfolg. Die Kassen klingelten, die Kritiker überhäuften sich mit Lob. Also: Viel Spass beim Film… und beim Miträtseln, wo, welcher Star sich versteckt hat. Und ganz aufmerksame Zuschauer können sogar herauskriegen, wer sich wirklich hinter der Postkarten-Attacke versteckt.