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Beethovens 14. Klaviersonate, Opus 27 Nr. 2, hierzulande besser bekannt als “Mondscheinsonate”, erfuhr mit der Zeit durch ihren Gebrauch in Kunst und Popkultur zunehmend Assoziationen zu der Vorstellung von Gefangenschaft, Traurigkeit und dem daraus resultierenden Streben nach Befreiung. Beethovens eigene Bezeichnung “Sonata quasi una Fantasia” schon stellt die emotionale Verknüpfung deutlich als ursprünglich heraus, was sie zu einem der Vorläufer der musikalischen Epoche der Romantik machte.

Einmal mehr steht sie einem Film als Metapher zur Verfügung. Einmal mehr auch erzählt ein Film in diesem Zusammenhang die konventionelle Geschichte eines Mädchens in der Entwicklung zur Reife, das von seiner herrischen Mutter im eigenen Hause in Quasi-Gefangenschaft gehalten wird - dies nicht einmal psychologisch sonderlich tiefgehend. Und dennoch, in Anbetracht der anachronistischen Erzählweise darf “Sonata” trotz seines fehlenden thematischen Mehrwertes für die Filmgeschichte als Gewinn betrachtet werden, denn lange vertraute der Regisseur eines Gruseldramas nicht mehr der schieren Kraft der inneren Ruhe seiner Bilder.

Gerade dies freilich wird schockerprobten Horrorfans unbedingt den Geschmack verderben, denn wer mit Schockeffekten am Laufband rechnet, geschweige denn etwaige Arten von Splatter oder Gore erwartet, ist auf dem falschen Dampfer gelandet. Man möchte in Anbetracht der schlichten Bilder aus dem Inneren einer Villa, dunkel und trist beleuchtet von Vance Piper, “The Others” als Vergleichsobjekt anführen, nicht zuletzt auch aufgrund gewisser thematischer Überschneidungen und der weitläufigen Anbahnung der Gruselsequenzen, doch in der letztendlichen Entladung des Horrors unterscheiden sie sich wieder zu sehr voneinander. Aufgrund der Unmittelbarkeit der Bilder - als würde man bloß durch eine beschlagene Fensterscheibe vom Geschehen im Film getrennt sein und nicht durch den Bildschirm - und der Dezentralisierung der wenigen Schocksequenzen möchte man dann David Lynch zitieren und tatsächlich, so oft Lynch herbeizitiert wird, wenn es ums Mysteriöse geht, selten traf der Vergleich besser als in gewissen Sequenzen aus “Sonata”. Vorrangig an “Lost Highway” fühlt man sich erinnert; nicht in Reminiszenz, vielmehr in Kollegialität, was das Zitieren des europäischen Kinos anbelangt.

Dabei befindet sich “Sonata” merklich in einem Zwiespalt, insofern er einen Kampf austrägt zwischen der erfrischend ereignislosen Inszenierung und der Gewöhnlichkeit seiner Geschichte. Man hat es mit einem Film zu tun, der nicht erschreckt, oder zumindest kaum, auf den die Bezeichnung “unheimlich” jedoch passt wie auf kaum einen Zweiten. Das sind optimale Voraussetzungen, um das Kryptische darzustellen. Eine vielgesehene Geschichte wie diejenige aus der Feder des auch Regie führenden Boris Undorf muss dem jedoch zwangsläufig im Wege stehen, und schlimmstenfalls wird er sich des Vorwurfs eines “Lynch für Arme” aussetzen müssen.

Das wiederum täte der Gesamtqualität unrecht. Zu beeindruckend ist alleine die Zeichen- und Bedeutungshaftigkeit, die Undorf aus den mit geringen Mitteln geschaffenen kargen Bilden zu generieren imstande ist. “Sonata” verzichtet auf Schreckgespenster und Wackelgestalten und geht lange Wege, in deren Schrittfolge selbst das freundlich lächelnde Gesicht der Mutter aussehen kann wie eine dämonische Fratze. Die auf die Protagonistin bezogene Puppensymbolik ließ mich dann selbst eine Übertragung auf die Medien Bild und Musik wagen: die schwedische Band Opeth ließ den Artworkkünstler Travis Smith für das Albumcover von “Damnation” ein von Licht durchflutetes Kinderzimmer in Schwarzweiß gestalten. Eine leblos dreinschauende Puppe im Vordergrund. Dazu die Musik, eine von Mellotron und klarem Gesang geprägte Huldigung des progressiv-melancholischen Rocks der 70er-Jahre. Für die Fans der Progressive Death Metaller Opeth war “Damnation” mitunter eine Geduldsprobe; “Sonata” und seine angepeilte Zielgruppe von Fans des psychologischen Horrors verhalten sich dazu in Analogie. Und Beethovens 14. Klaviersonate ist Verdammnis und Erlösung zugleich.

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