Review

Als Dominique Aury 1954 ihren Roman Histoire d'O veröffentlichte, kam es kurze Zeit später zu einem Skandal. Wie über die Erniedrigung und Hörigkeit einer sadomasochistisch veranlagten  Frau geschrieben wurde, war zu explizit und obszön für die Sittenwächter. Der Roman landete in Frankreich - wie später in Deutschland - auf dem Index, gilt aber heute als ein Klassiker der erotischen Literatur.

1975 nahm sich mit dem aus dem Metier des Modefotographen stammenden Just Jaeckin ein im Erotikfilm schon erfahrener Regisseur der ersten Verfilmung des Stoffes an. Nur einem Jahr nach Emanuelle drehte er Histoire d'O und verursachte dadurch ebenfalls einen Skandal: Von der FSK der Filmwirtschaft 1982 als sexualfaschistisches Werk indiziert, ist es erst im Jahre 2008 wieder rehabilitiert wurden; in Neuseeland ist der Film bis heute verboten. Allein schon an dieser Rezeptionsgeschichte der literarischen Vorlage wie seiner filmischen Adaption lässt sich also erkennen, dass es sich um durchaus anstößiges Material handelt. Die idealen Voraussetzungen also, mit denen auch ein weniger talentierter Filmemacher durchaus für Aufsehen sorgen kann.

Diese Rechnung ist allerdings bei der amerikanischen Produktion The Story of O: Untold Pleasures nicht aufgegangen. Im Zuge der Veröffentlichung von Just Jaeckins O-Adaption war diesem von der Kritik wenig beachteten Film in Deutschland vom gleichen DVD-Label aus Marketinggründen auch ein DVD-Release vergönnt. Die Gestaltung des Covers und die Extras der DVD unterstützen diese These: Hinweise auf andere O-Adaptionen sind darunter zu finden (inklusive eines Trailers), aber keinerlei Informationen zu Untold Pleasures selbst. Dabei drängt sich nun natürlich ein Vergleich auf zwischen Just Jaeckins mittlerweile klassischer Romanverfilmung und Phil Leirness' moderner Neuauflage.

Die erste halbe Stunde von Jaeckins Film halte ich für sehr gelungen. In stets leicht verwischter Weichzeichner-Optik bringt René (Udo Kier) seine Geliebte (Corinne Clery), die sich später anonym mit dem Namen „O" vorstellen soll, auf ein Anwesen namens Roissy, wo sie Unterwürfigkeit und Gehorsam lernen soll. Eine träumerische, unwirkliche Atmosphäre durchweht diese in helle, rot-braune Bilder getauchte Szenerie, die durch ihre Abgeschlossenheit jeglicher zeitlichen Einordnung enthoben scheint. Danach gibt sich der stets auf Stil, denn auf Inhalt bedachte Film den Schilderungen der Beziehungen unter den Figuren innerhalb einer Vierecks-Liebesgeschichte hin, die jedoch eher kitschig denn tiefschürfend daherkommen. Im Zentrum: Renés Auslieferung „O"s an Sir Steven (Anthony Steel) und seine Leidenschaft für eine Andere, die „O" ihm gefügig machen soll. „O"s Beruf der Modefotographin wird nur selten thematisiert, dafür sind immer wieder ihre leiblichen Vorzüge und die anderer weiblicher Figuren buchstäblich ins rechte Licht gerückt. Als drastisch bleiben insbesondere die Züchtigungen von „O" im Gedächtnis haften, wie wenn sie ausgepeitscht wird. Insgesamt kann der Film jedoch auch nicht wirklich überzeugen.

Stellt man dieser trotz allen kunstvollen französischen Produktionen nun sein amerikanisches Pendant gegenüber, so offenbaren sich bei diesem auffällige Schwächen. „O", der dieser „außergewöhnliche" Name von ihren Eltern tatsächlich so gegeben wurde (selten so gelacht), arbeitet wieder als Modefotographin. Dieses Element wurde hier, in Untold Pleasures allerdings stärker ausgearbeitet. Die Vorspann-Sequenz geht gleich in ein Fotoshooting mit einer Freundin von ihr über, deren nackter Körper und Silikonbrüste vollständig mit Farbe bedeckt wurden. Insbesondere bei den Erotik-Szenen (Sex oder Auspeitschen) wird dabei auch mit dieser Oberflächlichkeit gearbeitet: Farben und Aussehen werden so eingesetzt, dass explizite Szenen, also Tabubrüche (was man durchaus als Mehrwert hätte auffassen können), nie zustande kommen. „Female front nudity" gibt es eher selten. Einhergehend mit der in US-Filmen weitgehenden Prüderie entsteht dabei stets der Eindruck eines 08/15-Softpornos, welcher mit etwas stilvolleren Bildern, einer wenig stimmigen Handlung und angedeuteten SM-Szenen um die Standard-Halbnacktheit erweitert wurde. Insbesondere „O"s Beziehung zu Sir Steven, der sie ständig an Andere „ausleiht" steht dabei im Vordergrund, wobei „O" stets als selbstbewusste Foto-Künstlerin und Möchtegern-Autorin dargestellt wird, welcher Auslieferung und Schmerzen sowie das Aushalten einer devoten Situation einfach Lust bereiten, weniger aufgrund der Unterwürfigkeit und Liebe ihrem Freund gegenüber. Die notdürftige Erklärung: schlimme Kindheit. So werden letztlich Stil und erotische Atmosphäre mit Schattensetzung und Verhüllung verwechselt. Dazu eine biedere Ausstattung, die jeder historisch aufgeladenen Atmosphäre entbehrt - ungleich jener in Jaeckins Film, welcher seine Sets sorgfältig arrangierte. Was dort aufwendig anmutete, wirkt in Untold Pleasures lustlos und billig.

Als lustlos kann man auch nur das Schauspiel von Danielle Ciardi, der „O"-Darstellerin in Untold Pleasures bezeichnen. Man empfindet keine Sympathie für ihre stets verstimmt scheinende Figur, die einen nervigen Konflikt nach dem anderen mit den Menschen in ihrer Umgebung ausficht. In schauspielerischem Talent und auch in ihrem Aussehen steht sie zudem Corinne Clery nach, der sehr attraktven „O"-Darstellerin aus Jaeckins Histoire d'O. Den größten Fehlgriff, den man Untold Pleasures jedoch vorwerfen kann, ist, dass Aurys literarische Vorlage in die heutigen USA übertragen wurde. Damit wird ihr sämtliche Faszination wie historische Einbettung genommen, wenn zum Beispiel das schlossähnliche, riesige Gebäude von Roissy durch eine x-belibige, modern eingerichtete Millionärsvilla ersetzt wird oder Geldmangel den Hintergrund für „O"s Hörigkeit gegenüber Stevens „Spiel" bildet.

So bleibt der Eindruck eines konventionellen Erotikdramas, welches zwar einige nette Bilder, aber fernab einer cleveren Vermarktungsstrategie mit einem bekannten Namen der erotischen Literatur im Titel keinen wirklichen Inhalt aufweist. Ein überflüssiges, ja fast schon ärgerliches Werk, welches entgegen Jaeckins immerhin künstlerisch ambitionierten Films nur Kommerz darstellt (3,5/10).      

Details
Ähnliche Filme