Review

Achtung, Review enthält Spoiler!

Es muss ja nicht immer Splatter sein: Heute hauptsächlich als Regisseur der drei Zombieklassiker schlechthin bekannt - "Night", "Dawn" und "Day" -, glänzte Mr. George A. Romero in den Siebzigern durchaus nicht nur mit seinen zwar intelligenten und sozialkritischen, aber doch auch in zuvor nicht bekanntem Maße blutigen Horrorfilmen. Sein Regiedebüt in Form von "Night of the Living Dead" (1968) deutete es ja schon an: Trotz aller Effekte, trotz Kannibalismusmotiven und allem in den Augen der Sittenwächter potenziell jugendgefährdenden Inhalts, bewies der damals noch junge, langhaarige Typ mit Brille doch auch ein ganz spezielles Händchen nicht nur für Suspense, sondern auch für (zwischen-)menschliche Dramen und mehr oder minder beabsichtigte, aber auf jeden Fall bohrende Sozialkritik.

Vier Jahre später hatte Romero dann gerade sein Zweitwerk, das bis heute völlig unbekannte Drama "There's Always Vanilla", abgedreht und veröffentlicht, als er schließlich mit "Season of the Witch" sein ganz persönliches künstlerisches Kleinod schuf. Dieses macht es dem Zuschauer sicherlich nicht einfach: Über weite Teile ein langsam und ruhig erzähltes Emanzipationsdrama, gedreht mit 16mm-Kamera und dementsprechend körnigem, farbreduziertem Bild und mit leicht surrealen Einsprengseln, hält der Film erst im Endspurt, was das Plakat in giftgrünen Tönen verspricht: einen Hexengrusler unter dem Motto "Every Night is Halloween".

Joan Mitchell (Jan White) ist nicht mehr die Jüngste und in letzter Zeit fühlt sie sich vermehrt von ihren Mitmenschen gefangen: Ihr Ehemann Jack (Bill Thunhurst) ist ein Patriarch in klein, der uneingeschränkte Herrscher in seinem Haus, der selbst dann, wenn er auf Geschäftsreisen ist (und das ist er ständig), im Haus und in Joans Träumen noch allgegenwärtig ist. Ihre junge Tochter Nikki (Joedda McClain) hat nur wenig Respekt vor ihr und, was viel schwerer wiegt, verdeutlich ihr Tag für Tag ihr Altern, ihre vergangene Jugend. Auch der Uni-Professor Gregg (Raymond Laine), mit dem Joan eine Affäre anfängt als Jack mal wieder auf Geschäftsreise ist, interessiert sich nicht nur für sie, sondern auch für Nikki, verdeutlicht ihr also abermals, dass sie nie wieder so jung sein wird, wie sie einmal war. Ihre Nachbarinnen sind oberflächliche, alberne und lästernde Hühner, die nicht hinter die Fassaden ihrer Ehe gucken, sich mit dem, was sie haben, zufrieden geben, weil sie ihre Gefangenschaft nicht sehen - und Joan so noch einmal verdeutlichen, wer und was sie geworden ist und wie sie sein wird, wenn sie sich ihrem Schicksal weitherhin fügt.
Doch dann zieht die geheimnisvolle Sylvia (Esther Lapidus) in die Nachbarschaft, eine praktizierende Hexe, die all das darstellt, was Joan für sich verloren fühlt: Freiheit, einen (spirituellen) Sinn im Leben, Unabhängigkeit. Joan interessiert sich mehr und mehr für Sylvias Praktiken und ist schon bald von der Hexerei in den Bann gerissen. Trotz Sylvias Warnung, die Praktiken und Techniken der Hexerei nicht leichtfertig anzuwenden, probiert Joan in ihrer Verzweiflung und der Wut auf ihren Ehemann ein Ritual aus, um den jüngeren Gregg zu verhexen und das herbeigesehnte sexuelle Abenteuer mit ihm zu bekommen. Ihre Albträume, zunächst mehr oder weniger realistisch und Joans Gefangenschaft verdeutlichend, werden zunehmend surrealer, bedrohlicher, bis das Böse schließlich in ihr Haus kommt - in Form ihres Ehemannes Jack. In einem verzweifelten, verängstigten Aufbegehren tötet sie Jack - symbolisch das Böse, das sie heimsucht - und lebt fortan glücklich weiter, zwar weiter in ihrer oberflächlichen Nachbarschaft, aber wissend lächelnd.

Ein sehr emanzipatorisches Drama also, das scheinbar völlig falsch als Horrorfilm beworben wurde. So gibt es abgesehen von den zunehmend surrealer und beklemmender werdenden Traumsequenzen kaum Horrormomente, zwar ist eine gewisse Beklommenheit den ganzen Film über spürbar, diese jedoch aus der Gefangenschaft Joans in ihrem eigenen Leben, ihrem eigenen Umfeld heraus und somit eher dramatischer Natur.
Romero arbeitet also geschickt mit unserer Sympathie, indem er uns die Gründe und Motive für Joans Handeln verdeutlicht und sie für uns spürbar macht, sodass sie für uns den Sympathieträger darstellt - sehen wir uns einmal als männlichen, weißen US-amerikanischen Protestanten der frühen Siebziger, ist das ein sehr gewagtes, aber auch ein sehr geschicktes Vorgehen.

Insofern ist "Season of the Witch" also ein sehr interessantes Machwerk, welches zwar in Sachen Suspense, Intensität und vielleicht auch Genialität nicht an andere Werke Romeros herankommt, aber als kleines, in seiner Konzeption fast schon experimentelles Low(est)-Budget-Filmchen durchaus zu beeindrucken weiß.
(8/10)

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