Sieben Tage Frist
Nachdem Alfred Vohrer als Regisseur 18 Edgar-Wallace-Filme betreut hatte und 1968 sein Vertrag bei der Rialto-Film auslief, ging er mitsamt seiner Assistentin Eva Ebner zu Luggi Waldleitner's Roxy-Film - und weil Vohrer augenscheinlich Kriminalfilme am Besten lagen, war Luggi's erster Auftrag die Verfilmung des Paul-Henricks-Romans "Sieben Tage Frist für Schramm", damals gerade hoch im Kurs. Zum Jahreswechsel 68/69 versammelte man sich im hohen Norden - St. Peter-Ording, Schloss Plön - um mit einer hochkarätigen Besetzung einen der besten Kriminalfilme des Jahres zu verfertigen.
Henricks bezieht sich in seinem Buch auf wahre Ereignisse. Dass Vohrer den Stoff visuell noch reichlich aufpeppte und den Zeitvorstellungen anpasste, braucht man wohl nicht weiter zu erwähnen. Die Story um mehrere unaufgeklärte Todesfälle an einem norddeutschen Privatinternat ruft nicht nur die Lehrer- und Schülerschaft, sondern auch die Polizei auf den Plan. Nach verschiedenen Ver- und Entwicklungen offenbart sich schließlich eine Auflösung, die man in dieser Form wohl überhaupt nicht erwartet hätte.
Die Hauptrolle des Studienrates Henricks ging an Joachim Fuchsberger, der eine gewohnt gute Leistung abliefert. Der 2. Main Part des von allen hochgeschätzten Lehrers Fromm wurde indes übernommen von Konrad Georg, der neben Paul Albert Krumm die schauspielerischen Glanzpunkte setzt. Krumm spielt mit seiner zerbrechlichen Stimme Mitleid erregende Szenen. Den ermittelnden Kriminaler legt Horst Tappert als zigarrespuckenden Sarkasten an, während "Die Berliner My Fair Lady" Karin Hübner als vom Leben enttäuschte Hausmeistersgattin eine beeindruckende Charakterstudie vorlegt. Petra Schürmann hat mit "Blacky" als dessen Love Interest einige hübsche Auftritte, während Robert Meyn und Otto Stern in ihren Rollen ebenfalls aufgehen. Unter den Schülern stechen Frithjof Vierock (als pseudo-moralistischer Faxenmacher), Arthur Richelmann (als nachdenklicher Kurrat) und Gunther Beth (als hintertriebener Aufschneider) hervor.
Auch der Cast hinter der Kamera weiß zu gefallen: Für's rechte Bild sorgt Harald Reinl's Stammkameramann Ernst W. Kalinke, dessen an der schneebedeckten Küste eingefangene Aufnahmen den Film zu einem echten "Wintermovie" machen - und sein Herumgeschwenke (in Zusammenspiel mit Lichttechnik und Musik) während der Striptease-Szene von Hilde Brand sucht wahrhaft seinesgleichen. Das Drehbuch schrieb der spätere "Simmelautor" Manfred Purzer unter seinem Pseudonym Ernst Flügel, welches er noch einige andere Male bemühte (u.a. auch bei dem ein Jahr später entstandenen Sleaze-Kracher „Perrak“). Die wundervolle musikalische Untermalung stammte von Hans-Martin Majewski, damals eine der lebenden Legenden der deutschen Filmmusik. Majewski versah den Streifen mit teilweise atonalen Bläserfetzen, mengte knackige Gitarrenriffs, sonore Klavier- und Cembaloakzente sowie feuriges Schlagzeug dazu und gab somit Atmosphäre en gros. Ein schönes Stück aus dem Score findet sich übrigens auf der CD "Deutsche Filmkomponisten Vol. 10 - Hans-Martin Majewski" aus dem Hause Bear Family.
"Deutschland's Krimispürnasen auf einen Blick" - so schrieb einst eine Tageszeitung zu diesem Film. Doch es wäre eine Verkennung von Qualitäten, würde man diesen Film rein als Krimi sehen. Vohrer gibt der stringent ablaufenden Handlung zusätzlichen Pfiff durch einige Halbseidigkeiten und viel sozialem Flor - und die Auflösung sogar mit einer "Vergesst nie das Vergangene"-Attitüde zu versehen, hat großen Stil (Noch dazu weil einem dieses Ende wirklich nahe geht).
Zusammengefasst - Ein prächtig agierendes Ensemble mit einem grandiosen Zusammenspiel von Fuchsberger und Georg, eine fesselnde Story, die meisterhaft triste Stimmung und der geniale Soundtrack von Majewski ergaben eine gekonnte Zeitstudie und einen der ruhigsten, gleichzeitig aber auch besten Kriminalfilme des ausklingenden Jahrzehnts. Es besteht Ansichtspflicht.