Manchmal tragen auch vordringlich auf knallige Unterhaltung getrimmte Actionfilme geradezu prophetische Züge. Seit die Nachrichten in immer geringeren Abständen und einer erschreckenden Häufung von Terroranschlägen, blutigen Aufständen und Exekutionen dominiert werden die vor allem unschuldige Zivilisten zum Ziel haben, wirken Filme wie "No Escape" beunruhigend nah an der tagespolitischen Realität. Noch vor wenigen Jahren wären Szenario und Eskalationsgrad der fiktiven Handlung als typische Genre-Übertreibung und billige Effekthascherei abgekanzelt worden, heute bleiben einem solche Kritikreflexe ob der schockierenden Aktualität regelrecht im Halse stecken.
Für den amerikanischen Ingenieur Jack Dwyer (Owen Wilson) läuft es beruflich seit Jahren mehr schlecht als recht. Die Entsendung nach Südostasien ist so ziemlich seine letzte Chance, diese Abwärtsspirale zu stoppen. Also macht er sich mit Frau Annie (Lake Bell) und ihren beiden halbwüchsigen Töchtern auf den Weg in eine vermeintlich bessere Zukunft. Doch bereits kurz nach der Ankunft verdichten sich die Anzeichen für eine Fortsetzung der Tristesse. Niemand holt sie vom Flughafen ab, im Hotel gibt es weder TV- noch Internetempfang und Jacks Firma hat keinerlei Nachrichten hinterlassen. Ihr einzig aufmunternder Kontakt ist ein etwas zwielichtiger und trinkfreudiger Brite (Pierce Brosnan), der sich bestens mit Land und Leuten auszukennen scheint und neben einer Taxifahrt zum Hotel auch für ein paar gut gemeinte Ratschläge sorgt. Die sind allerdings schnell Makulatur als am nächsten Morgen ein blutiger Aufstand ausbricht. Spätestens als der aufgeputschte Lynchmob das Hotel der Dwyers stürmt und dabei sämtliche ausländischen Gäste liquidiert, kann es für Jack nur noch eine Devise geben: den Kampf ums nackte Überleben.
Der in Thailand gedrehte Film lässt den Handlungsort im Dunkeln, es fallen lediglich Begriffe wie „Dritte" bzw. „Vierte Welt". Vermutlich wollte man hier in erster Linie niemand zu Nahe treten, aber der fiktive Schauplatz unterstreicht auch den exemplarischen Charakter der Geschichte, die damit, wenn auch vielleicht unbeabsichtigt, einen universelleren Anstrich verpasst bekommt. Dass hier durchaus ein politisches Statement mitschwingt, beweist Brosnans Figur Hammond. Der undurchsichtige Nothelfer ist nicht nur als dramaturgischer Deus ex Machina-Kniff unterwegs, sondern umreißt auch in einem knappen, aber sehr pointiertem Zynismus-Vortrag die Ursache-Wirkung-Gemengelage zwischen profitgieriger Ausbeutung, politischer Einmischung und destabilisierenden Unruhen. Das mag in seiner etwas simplifizierenden Komprimierung den Plakativitätsvorwurf evozieren, ganz falsch ist diese Interpretation aber sicher nicht.
Ohnehin sollte man „No Escape" zu Gute halten, dass er vor allem ein unterhaltendes Actiondrama mit aktuellen Bezügen sein will und kein anspruchsvoller Politthriller mit ein paar Schauwert-Tupfern. Und genau diesen Anspruch wird der Film vollends gerecht. Spätestens mit der Erstürmung des Hotels schaltet der Film mehrere Gänge hoch und behält das enorme Tempo bis zum Schluss. Der Horror-erfahrene Regisseur John Erick Dowdle inszeniert den Überlebenskampf der Dwyers als halsbrecherische Flucht durch ein maximal feindseliges Terrain, bei dem hinter jeder Straßenecke der Tod lauern kann und dies auch häufig tut. Der Gewaltlevel ist dabei beständig hoch, verkommt aber trotz durchaus drastischer Brutalitäten nie zum Selbstzweck.
Dass man der Familie dabei nägelkauend und mitfiebernd zur Seite steht, ist neben der schweißtreibenden Inszenierung insbesondere ein Verdienst des klugen Castings. Lake Bell und die beiden erfahrenen Kinderdarsteller Sterling Jerins und Claire Geare agieren natürlich und situationsangemessen, soll heißen, sie geben weder die dauerkreischenden Opfer, noch mutieren sie unvermittelt zu Action-Amazonen. Hauptbezugspunkt und damit wesentlich für den Glaubwürdigkeitsanspruch ist aber natürlich Owen Wilson. Wie seine Filmfamilie wird er nicht urplötzlich zum Einzelkämpfer-Heroen, sondern meistert die zahlreichen Bedrohungen mit einer Mischung aus Mut. Einfallsreichtum und Glück. Der auf mal mehr mal weniger schräge, gern auch romantische Komödien abonnierte Wilson ist eine vortreffliche Wahl, eben gerade weil er so gar nicht dem hemdsärmeligen Actionhelden entspricht, den man in einem solchen Szenario vermuten könnte. Dafür hat er andere Qualitäten, die Dowdle geschickt zu nutzen weiß. Denn auch in seinen komischen Rollen schwang häufig etwas Melancholisches und in sich Gekehrtes mit, so dass man ihm eine vollkommen ernste Figur ohne weiteres abnimmt.
Bleibt noch Ex-Bond Pierce Brosnan. Auch hier wird klugerweise der Versuchung widerstanden, den unkaputtbaren Superagenten wieder auferstehen zu lassen. Statt dessen gibt der Ire einen abgehalfterten, desillusionierten Geheimdienstler, der sein Handwerk aber immer noch bestens beherrscht. Image, Alter und Figurenzeichnung verschmelzen so zu einem glaubwürdigen Charakter, womit sich auch dieser Puzzlestein passend ins Gesamtgefüge fügt.
Gut 55 Millionen Dollar hat „No Escape" an den Kinokasse eingespielt, das ist das elffache seines erstaunlich geringen Produktionsbudgets. In die deutschen Lichtspielhäuser hat es der Film dabei nicht einmal geschafft, bleibt zu hoffen, dass ihm in seiner Zweitauswertung ein wenig mehr Aufmerksamkeit vergönnt ist. Einen druckvollen, spannenden Actionfilm mit aktuellen politischen Bezügen bekommt man schließlich nicht allzu häufig geboten. Ein Lichtblick nicht nur für Genrefans.