„Officer down, heist up!"
„Triple 9" ist einer dieser Filme, über dessen Qualitäten sich ebenso leicht positiv wie negativ urteilen ließe. Der Plot wirkt wie ein „Best of Gangsterthriller" mit besonderer Vorliebe für Michael Mann. Eine straff organisierte, hoch professionelle Einbrecherbande mit offensichtlich militärischem Hintergrund narrt die Polizei von Atlanta mit minutiös geplanten und präzise ablaufenden Überfällen. Es gibt Verbindungen zum organisierten Verbrechen sowie zum örtlichen Polizeiapparat, ein ebenso gefährliches wie komplexes Kosten-Nutzen-Verhältnis, das innerhalb der Gruppe zunehmend für Spannungen sorgt. Auf Seiten der Gesetzeshüter gibt es fast ebenso viele Grauzonen, zusätzlich verdüstert durch ein gehöriges Maß an Desillusion und Gewaltbereitschaft. Die Parallelen zu Manns Meisterwerk „Heat" drängen sich also regelrecht auf und dennoch führen sie lediglich in die Irre.
Sicher, den direkten Vergleich hinsichtlich Epik, Bildgewalt, Actionwucht und menschlichem Drama verliert „Triple 9" recht deutlich, aber er wird John Hillcoats Film auch nicht gerecht, schlicht weil er nicht relevant ist und die vorhandenen Stärken mit den falschen Argumenten angreift. Wo Mann mit großer Geste ein panoramaartiges Gangster-versus-Cop-Tableau im dafür prädestinierten LA entwirft, skizziert Hillcoat mit wenigen Bleistiftstrichen einen Blick in den Abgrund der von Gangkriminalität und mafiösen Clanstrukturen verseuchten Problemviertel amerikanischer Großstädte aus der zweiten Reihe.
Das mag weniger beeindrucken wie Manns barockes Gemälde, visuell weniger versiert sein und charakterlich nur an der Oberfläche kratzen. Hillcoats reduzierterer Ansatz wirkt aber gerade aufgrund seiner sachlichen Abgründigkeit und seiner nihilistischen Weltsicht ebenfalls lange nach. Zwar werden psychische und emotionale Verwerfungen nur angerissen, der Fokus deutlich auf Situationen und Zustände gelegt, hinsichtlich Milieuschilderung und Spannungsaufbau ist dies aber mindestens kein Nachteil.
Wem das dennoch zu wenig scheint, der kann sich wenigstens an einer stattlichen Zahl bekannter Namen und Gesichter erfreuen. Zunächst wäre da Oscar-Preisträgerin Kate Winselt, die als grell geschminkte, eiskalte russische Gangsterpatin kaum wieder zu erkennen ist. Als ihre deutlich harmlosere kleine Schwester darf die gerade als „Wonder Woman" durchstartende Israelin Gal Gadot ihre Model-Erfahrungen einbringen.
Auf Seiten der Gangster tummeln sich angesagte TV-Stars wie Norman Reedus („The Walking Dead") und Aaron Paul („Breaking Bad") sowie die beiden leinwanderprobten Chiwetel Ejiofor („12 years a slave") und Anthony Mackie („Avenger" Falcon). Und auf Seiten der Cops gibt der gewohnt groß aufspielende Woody Harrelson („True Detective") einen kaputten Politisten, dessen Drogensucht seine ermittlerisches Talent noch nicht vollends zerstört hat. Ben Afflecks Bruder Casey schließlich darf als einziger so etwas wie die Hoffnung haben, dem zerstörerischen Abwärtsstrudel gerade noch zu entkommen.
Der Hauptplot ist fraglos nicht sonderlich originell oder komplex, geschickt gewählt ist aber die Ausgangslage. 999 steht für den innerpolizeilichen Notruf bezüglich eines nieder geschossenen Officers. Geht ein solcher ein, strömen praktisch alle Einheiten zum Tatort und blasen zur Jagd auf den vermeintlichen Copkiller. Die für die jüdisch-russische Mafia Atlantas arbeitenden Einbruchsspezialisten um Michael Atwood (Ejiofor) und Marcus Belmont (Mackie) wissen das und führen ebendieses Szenario bewusst herbei, um zeitgleich am anderen Ende der Stadt nahezu unbehelligt von jedweden Ordnungskräften ihren letzten großen Coup durchzuziehen. Doch diesmal hat der perfekte Plan ein zwei Unbekannte zu viel ...
Der Australier John Hillcoat arbeitet von Beginn an intensiv und zielstrebig auf die personelle wie situative Zuspitzung im dramatischen Schlussakt hin. Sämtliche von bekannten Darstellern verkörperte Personen spielen dabei eine Rolle bzw. sind in irgendeiner Form involviert. Zahlreiche Twists vor allem auch für die handelnden Figuren sorgen trotz der bekannten Bausteine für eine fiebrige Spannung, zusätzlich gespeist durch die latente Ungewissheit hinsichtlich Verlauf und Ausgang. Das Schicksal eines jeden Charakters ist offen, keiner scheint sicher und sein mögliches Überleben mehr zufällig.
Für den Zuschauer, zumal den Genre-affinen, ist das mal eine willkommene Abwechslung von dem häufig formelhaften Spiel mit gängigen Konventionen und der gerne auch pathetischen Narration. Die vielerorts geäußerte Kritik an der fehlenden Tiefe ist letztlich eine Frage der persönlichen Gewichtung und Erwartungshaltung, muss dem Filmgenuss im vorliegenden Fall daher keineswegs zwingend im Weg stehen.