„Die Spione, die sich lieben"
Langweilig wird es mit Guy Ritchie nie. Gut, vielleicht sieht Madonna das etwas anders, aber die hat vermutlich etwas mehr von ihm gesehen als nur seine Filme. Zwar darf der Erneuerer des britischen Gangsterkinos inzwischen mit deutlich höheren Budgets jonglieren als noch zu seiner Sturm-und-Drang-Zeit, sein Faible für schräge Typen, Situationskomik und ein perfekt arrangiertes Setting hat er aber glücklicherweise in den Mainstream herüber retten können. Seine beiden Sherlock-Holmes-Action-Komödien mit dem Screwball-Dreamteam Robert Downey Jr. (Holmes) und Jude Law (Watson) sind dafür der schlagende Beweis.
Offenbar wollte der stilbewusste Brite vor seinem dritten Holmes-Streich mal ein wenig Abwechslung vom düster-blaugrauen, viktorianischen Gothic-Look. Mit einem Zeitsprung in die grell-bunten Swinging Sixties könnte der Kontrast auch gar nicht größer sein. Die Adaption der 60er-Jahre-Agentenserie „Codename U.N.C.L.E. bietet aber auch abseits einer exaltierten Ausstattungsorgie eine Menge typischer Ritchie-Zutaten.
So ist der ehemalige Kunstdieb und Snob aus Leidenschaft Napoleon Solo nicht gerade der typische CIA-Agent an der vordersten Frontlinie des Kalten Krieges. Sein Partner wider Willen ist ähnlich unauffällig. KGB-Spion Illya Kuryakin ist ein beinahe 2-Meter-großer Modellathlet mit ausgeprägtem Aggressionspotential. Eine weltpolitische Notlage - ehemalige Naziwissenschaftler sind offenbar im Besitz einer Atomwaffe - zwingt die beiden Pfaue zusammen zu arbeiten, was bei ihrem völlig gegensätzlichen Temperament natürlich ein geradezu monströses Konfliktpotential birgt.
Und genau darin liegt der große Spaßfaktor des Films. Henry „Superman" Cavill spielt den amerikanischen Paradiesvogel mit einer schwungvollen Mischung aus tiefenentspannter Coolnness, süffisanter (Selbst-)Ironie und nonchalantem Charme, was die drängende Frage aufwirft, warum er in seinen bisherigen Blockbusterrollen so stocksteif und hölzern agierte. Ähnliches könnte man Arnie Hammer angesichts seines „Lone Ranger"-Auftritts auch fragen, denn als cholerischer Sowjet-Agent mit zartem Beschützerinstinkt ist er eine fast noch größere Schau als Cavill. Eine solche ist auch die umwerfend hübsche Schwedin Alicia Vikander („Ex Machina"). Als ostdeutsche Kfz-Mechanikerin und Nichte eines der gesuchten Wissenschaftler steht sie zwischen den beiden selbstverliebten Kampfhähnen, ist aber ebenfalls nicht auf den Mund gefallen und ähnlich austeilungsfreudig.
Im Zusammenspiel der drei sprühen dann auch regelrecht die Funken, die ein Feuerwerk aus Frotzeleien, (Macho-)Sprüchen und bissigen Onelinern entzünden, das die etwas wirre Handlung völlig in den Hintergrund drängt.
Das ist auch dringend nötig, denn Ritchie widmet der eigentlichen Spionage-Geschichte weit weniger Aufmerksamkeit als seinen schillernden Figuren. Nach einem furiosen Auftakt mit einer Verfolgungsjagd über die Zonengrenzen des nächtlichen Nachkriegs-Berlin, stagniert der Plot merklich und dient nur noch als Stichwortgeber für fetzige Buddy-Kabbeleien. Das ist überaus kurzweilig und spaßig, aber Spannung kommt dabei kaum auf.
Dafür liefert Ritchie eye candy bis zum Überfluss. Ritchie und sein Kameramann schwelgen geradezu im grell-bunten Popart-Design der 60er-Jahre. Ob Autos, Interieurs, Accessoires, oder Kleider, alles ist perfekt aufeinander abgestimmt, platziert und inszeniert. Alicia Vikander und die nicht minder attraktive Australierin Elizabeth Debicki („The great Gatsby") wechseln für beinahe jede Szene ihre Garderobe und veranstalten eine sich genseitig überbietende, extravagante Modenschau.
Garniert wird diese fluffige Agentensause dann noch mit einem auf den Punkt ausgesuchten 60s-Score, einer Rennaissance der seit „Thomas Crown" nicht mehr so schwungvoll eingesetzten Split-Screen-Technik sowie einem knackigen Kurzauftritt von RomCom-Ikone Hugh Grant, der wieder einmal zeigt, dass er als sarkastischer Sprücheklopfer eine fast noch bessere Figur abgibt, denn als trotteliger Liebhaber.
Schade nur, dass das Massenpublikum nicht in ebensolchen die Lichtspielhäuser stürmte. Denn von dem extravaganten Agententrio würde man gerne mehr sehen. Schließlich ist ein Knistern zwischen den Protagonisten weit schwerer herzustellen, wie ein Knarzen im Handlungsgebälk zu beseitigen. Und wo gibt es heute schon noch eine Garantie auf Kurzweil?