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Michael Mann ist ein Unikat, eine präzedenzlose Institution, ein unnachahmlicher Artist des Visuellen. Wenn er denn will. „Collateral" (2004) und „Miami Vice" (2006), seine beiden Ausflüge in farbgefiltertes, optisches Nonplusultra, waren in der Lage, allein aufgrund ihres äußeren Eindrucks in Verbindung mit der geradezu vollendeten akustischen Untermalung zu unterhalten. Es hätte im ersten Fall eigentlich gar nicht des faszinierenden Psychogramms eines menschelnden Killers bedurft, um einen überzeugenden Kinofilm zu drehen. Allein die visionäre Farbgebung hätte für Aufsehen gesorgt. So war es auch drei Jahre später, als sich die Story um zwei ein Drogenkartell unterwandernde Undercover-Polizisten eher spärlich ausnahm, und doch ein Film inszeniert wurde, der allein vom auf seinen Look reduzierten Schauwert her jedem Vergleich spottete. Doch auch ohne in ästhetisierende Bilder gegossene nächtliche Städte und einfallsreich beleuchtete Settings vermochte es Michael Mann stets mit seinen Geschichten zu überzeugen. Selbst wenn sie etwas zu sehr von der Stange genommen wirkten, wie etwa „Public Enemies" (2009).

Ganze fünf Jahre musste man als Filmfreund auf einen neuen Michael Mann warten. Nicht ungewöhnlich für den nicht gerade als Fließbandarbeiter bekannten Amerikaner. Und einmal mehr widmet sich der inzwischen zweiundsiebzigjährige Regisseur den Abgründen menschlicher Existenz. Einer der schlechtesten Typen der Welt ist leider zugleich einer ihrer besten Hacker. Und um den aufzuhalten bedarf es eines noch besseren Mannes vom Fach. Chris Hemsworth ist Nikolas Hathaway, ein Programmierer wie sonst keiner. Nur sitzt er derzeit im Knast. Da kommt es ihm gerade recht, dass seine Hilfe im Kampf gegen einen Unbekannten benötigt wird, der eben ein chinesisches Atomkraftwerk in die Luft gesprengt hat und leider noch Größeres vorhat. Hathaways Bedingung: Straferlass gegen EDV gestützte Detektivarbeit. Da bleibt den Schreibtischtätern der Bundesbehörden keine Wahl.

Von Beginn an fällt auf, dass Mann Chris Hemsworth als Nachfolger Colin Farrells in Szene setzt. Gestik, Habitus und Mimik sind nahezu identisch. Das schlägt vor allem unter dem Aspekt negativ zu Buche, dass beide keine begnadeten Darsteller sind. Doch ließe sich „Blackhat" dennoch uneingeschränkt genießen, wenn dieses uninspirierte Aufwärmen von bereits Gesehenem nicht erst der Auftakt zu einer ganzen Reihe unschöner Stillosigkeiten wäre.

Wie einst bei „Miami Vice" ist auch der 2014er Love Interest des männlichen Hauptdarstellers eine Asiatin. Doch im Gegensatz zum Techtelmechtel damals in der Karibik bahnt sich hier keine feurige Romanze an, die zwei Welten miteinander verschmelzt. Die Schwester (Wie Tang) seines früheren Studienfreunds Chen (Leehom Wang) - der auch mit von der Partie ist - tastet sich diesmal nicht behutsam an ihre neue Beziehung heran. Die Liaison der beiden wird mit einem schmerzhaften Ruck ins Bild geschoben. Und so tut die mangelnde Überzeugungskraft der Gefühle der beiden für einander in den entsprechenden Szenen beinahe weh. Es wirkt fast so, als wolle ein anderer Regisseur erfolglos einen Michael Mann Film imitieren. Leider entsteht dieser Eindruck nicht nur bei der lieblos inszenierten Liebschaft.

Musik, Bilder, Farbvariationen, Charakterzeichnung und sogar die Choreographien entpuppen sich als leblose Schatten vergangener Großtaten. Wenn ein bestenfalls durchschnittlich orchestrierter Score ohne Wiedererkennungswert zu Bildern ertönt, die ganz offensichtlich mehr sein wollen als sie sind, dann vermögen auch Erinnerungen an ganz ähnliche Einstellungen mit ihren langen Brennweiten nicht darüber hinwegzutrösten, dass man es hier mit im Vergleich minderqualitativer Unterhaltung zu tun hat. Und dieser desillusionierende Eindruck gewinnt im Gegensatz zur Substanz des Films mit jeder weiteren Minute an Kraft.

Langeweile macht sich breit, wenn Nikolas Hathaway und seine multinationale Ermittlertruppe ohne Höhe- oder gar Siedepunkte durch Kalifornien, Hongkong, Malaysia und Indonesien vor sich hin fahnden. Dabei erledigt der Profihacker von Anfang an nicht nur seinen Part als Computerexperte, sondern übernimmt sonderbarerweise bald die gesamten Ermittlungen des Teams. So scheinen ihm Polizeiarbeit und Umgang mit Waffen wie auch Kampfsport ebenso leicht zu fallen wie das Erfassen sensibler politischer Zusammenhänge, das Durchdringen komplexer Börsenmaterie oder das Spielen auf der Klaviatur internen Gefüges ihm völlig fremder Institutionen und Behörden. Dass bei genauerem Hinsehen sein herausragendes Können als weltbester Programmierer, seine eigentliche Hauptaufgabe also, nur in groben Pinselstrichen aufs Papier gebracht wird und damit jegliche dem Thema potentiell innewohnenden erzählerischen Möglichkeiten ungenutzt bleiben, muss als weiterer Beleg für eine schwache Inszenierung und ein unausgereiftes Drehbuch hingenommen werden. Um Hathaways Ausnahmewissen begreiflich zu machen, begnügt sich Michael Mann damit, ihn vor einem PC kurz in die Tasten hauen zu lassen, um in Sekundenschnelle Banktransfers von fremden Konten zu bewerkstelligen oder Regierungsseiten samt ihrer Geheimnisse wie Seifenblasen platzen zu lassen. Es bedarf keiner inszenatorischen Expertise ohne weitere Erläuterung solchen Tastenzauber vorauszusetzen.

Michael Mann misslingt sein Hauptcharakter viel zu omnipotent und das in viel zu viel Spielzeit. Für einen kriminalistisch angehauchten Film wirkt Chris Hemsworths Figur zu apokryph und die Story zu zusammenmontiert. Für einen Actionfilm ist die Action insgesamt zu kurz und die Geschichte zu lang. Und keine malerischen Bilder oder genreübergreifenden Klangwelten, die über diesen Missstand hinweghelfen! Der völlig farblose Gegenspieler, der am Schluss in einer südostasiatischen Menschenmenge auf Chris Hemsworth wartet, wirkt fast wie eine Metapher für die ermüdende Einfallslosigkeit des Skripts, das von einem ehemaligen Ausnahmeregisseur trotz seiner Defizite sträflich sich selbst überlassen bleibt.

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