Wie man die Metapher hinter dem deutschen Titel "Herz aus Stahl" zu verstehen hat, ist mir ehrlich gesagt etwas rätselhaft. Das lakonische Fury des Originaltitels hingegen ist wesentlich treffender, denn in Fury herrscht tatsächlich genau das: wahlloses Wüten. Die Handlung ist dabei so gut bekannt, wie schnell erzählt: April 1945, Deutschland. Ein Frischling wird einer eingeschworenen Panzercrew zugeteilt, um den jüngst verschiedenen MG-Bordschützen zu ersetzen. Durch das Grauen des Krieges mutiert er zum „echten“ Soldaten. Seine abschließende Feuertaufe widerfährt ihm im finalen Kampf, der natürlich gleichermaßen hoffnungslos wie heroisch ist.
Entscheidend ist dabei das Grauen – oder besser das Abschlachten – im Krieg. Seit James Ryan scheinen Kriegsfilme dazu verpflichtet zu sein, ein (hyper)realistisches Abbild der Schlachten und des Schlachtens zu zeigen. Fury bemüht sich vor allem um letzteres. Die Grausamkeiten sind dabei jedoch nicht auf die Soldaten beschränkt. Von der SS erhängte Zivilisten, die sich dem Volkssturm widersetzt hatten, säumen die Masten der Landschaft, Flüchtlingsströme kämpfen sich über matschige Feldwege in Richtung eines unbekannten Ziels und Städte brennen vom Feuersturm der Nacht. Das Schockmoment wird dabei aber auch gerne über Logik und Glaubwürdigkeit gestellt; so zum Beispiel als die GIs einen alten Deutschen fragen, wo sich die Soldaten aufhalten, und dieser auf ein Haus deutetet. Prompt wird er erschossen, anstatt der deutsche Scharfschütze sinnigerweise den Panzerkommandeur neben ihm aufs Korn nimmt.
Auch die im Film gezeigten Panzereinsätze sind nur bedingt realistisch. Auch hier wurde der Dramaturgie und Inszenierung wesentliche Teile einer realistischen Darstellung geopfert. Holzstangen (!) wehren Panzergeschosse ab, die auch sonst wie Ping-Pong-Bälle durch die Gegend flitschen, Panzerabwehrgeschütze sind im Grunde ganz wirkungslos usw. Das alles wirkt zwar unheimlich realistisch und ungeheuer atmosphärisch, aber man muss sich nicht besonders gut mit der Thematik auskennen, um jede Menge Ungereimtheiten aufzudecken.
Die deutsche Zivilbevölkerung tritt, wie oben schon erwähnt, im Übrigen sehr deutlich in Erscheinung, während die gegnerischen Soldaten eher unsichtbar bleiben. Zwar bekommt man den Volkssturm und ein paar Gefangene zu Gesicht, aber den Löwenanteil haben vermummte SS-Truppen, die vor allem im letzten Teil des Films mehr an die Orks aus Isengart erinneren, als an alles andere. Begleitet von dumpfen Chorälen, die Gesichter im Kampf immer irgendwie verborgen, lassen sie sich wie die Orks vor Helms Klamm anscheinend völlig hirnbefreit zu Hunderten niedermähen, indem sie sich der Panzercrew vor die MGs werfen. Auch hier hapert es an der Glaubwürdigkeit, wenn die vorher als Elitetruppe aufgebauschten Gegner sich dümmer anstellen als die handvoll Volksturm-Truppen, gegen die man vorher gekämpft hat. Es bleibt ein Rätsel, warum grade die finale Schlacht nicht dezenter, glaubwürdiger und damit letztlich eindringlicher inszeniert wurde. So ist es nur ein weiterer Kampf gegen eine Übermacht, in der jeder zum Helden wird – allein schon, weil er dabei ist.
Dem amerikanischen Zuschauer mag das Gefallen, aber wer die deutsche Geschichte kennt, der sollte Heldentum und Aufopferungsbereitschaft zu Recht sehr kritisch gegenüberstehen.
Man könnte viel zu den schauspielerischen Leistungen in Fury sagen, viel zu den Charakteren und viel zu ihrer Entwicklung. Vor allem in den amerikanischen Kritiken wurde all das besonders gelobt, aber ehrlich gesagt fragt man sich warum. Bis auf Neuling Norman überbieten sich alle Figuren gegenseitig an Zynismus und Kaputtheit, indem sie dauerhaft markig-philosophische One-Liner zum Wesen des Krieges von sich geben, oder sich einfach völlig unmenschlich verhalten. Man kann zwar nicht sagen, das hier irgendjemand positiv dargestellt wird, aber das schon erwähnte Heroentum zum Schluss des Films relativiert das vorher gezeigte auf merkwürdige Art und Weise. Auch die im Film gezeigte Brutalität wirkt manchmal weniger erklärend als viel mehr entschuldigend, ganz nach dem Motto: Die Jungs sind innerlich zwar völlig kaputt, aber wer wäre das nicht in der Situation? Auch insgesamt wird der Krieg so entschuldigt. Grausam? - Ja, und genau deshalb notwendig, um das zu beenden. Eine perfide Logik.
Fury hat also ganz klar eine Menge Probleme, aber vielleicht sollte man ihn nicht als Film über den zweiten Weltkrieg sehen. Man hat vielmehr den Eindruck, dass Fury die Erfahrungen der Amerikaner in Afghanistan und Irak verarbeitet und die modernen Sichtweisen auf die damalige Zeit projiziert: Der Gegner wird dämonisiert, die Zivilbevölkerung leidet, die GIs werden zu unmenschlichen Bestien. Dem Leid kann sich dabei keiner entziehen; die Kontrolle über sich selbst, sein Wohlergehen und das Geschehen ist längst abhanden gekommen. Dazu passend lautet auch eine der Leitfragen des Films, wie die Grausamkeiten des Krieges den einzelnen, aber auch eine Gesellschaft im Allgemeinen verändern. Die Antwort die Fury liefert ist eine pessimistische.
Und damit sind wir bei einem Alleinstellungsmerkmal des Films angelangt: Seine düstere, hoffnungslose Atmosphäre, die im Genre bis auf Ausnahmen wie Hamburger Hill ihresgleichen sucht. Alles, wirklich alles, ist dreckig, nass, verschlammt, kaputt. Die Uniformen der Soldaten sind zerschlissen, die Panzer zerkratzt und ein besonderes Augenmerk legt der Film darauf, dass alles individualisiert und damit identifizierbar ist. Kein Soldat, Amerikaner wie Deutsche, gleicht dem anderen, das Wort Uniform ist hier fehl am Platze. Jeder hat große wie kleine Narben, schlechte Zähne usw. Die wenigen Momente der Hoffnung zerstört der Film durch das barbarische Verhalten seiner Protagonisten und den letztlich unausweichlichen Tod. Zwar wird gesagt, dass der Krieg bald vorbei sein würde, aber im Film scheint er wie ein ewiger Zustand dem keiner Entkommen kann. Die explizite Gewalt, die die Charaktere zynisch kommentieren oder stoisch ignorieren, wird dem Zuschauer mit einer Beiläufigkeit präsentiert, die sie umso eindringlicher wirken lässt.
Ist Fury nun einseitige Heldenverherrlichung, ein total übertriebenes Actionspektakel, eine Allegorie auf die modernen Kriege der USA oder ein bitterböser Abgesang auf patriotischen Kitsch à la James Ryan? Ich bleibe unschlüssig und bin auch nicht unbedingt glücklich mit diesem Film.