Review

GOMORRHA (Season 1)

***WIE DER VATER ... SO DER SOHN***

Die gefürchtete und mächtige Camorra Familie Savastano gerät langsam aber sicher in größere Schwierigkeiten. Im unbeschreiblichen Moloch Neapel ändern sich die Regeln. Kriminelle afrikanische Einwanderer werden aufmüpfig. Pate Don Pietro duldet den Conte Clan nicht länger und legt es auf darauf an, deren Boss aus seinem Gebiet zu vertreiben. Pietro wird mehr oder weniger paranoid (bringt einen unschuldigen langjährigen "Soldaten" um), macht bei einer Polizeikontrolle Fehler und kommt in Haft. Da sein verwöhnter vergnügungssüchter Sohn Genny NULL Führungsqualitäten besitzt, muß Pietros Frau Imma "die Geschäfte" übernehmen. Was niemand  in der "Familie" ahnt, Ciro - Der Unsterbliche, der beste Mann der Savatanos, ein eiskalter Killer, welcher sich instinktiv immer wieder aus lebensbedrohlichen Situationen heraus "aalt", spielt ein mieses Game. Er intrigiert, verrät und tötet nach eigenem Ermessen und stürzt durch sein Verhalten den Clan (und später auch sich und seine Lieben) ins Chaos ...

Seit ihr (wie ich!) Fans von Mafia Filmen/Serien? Dann vergesst mal bitte ganz schnell jede melankonische "Don Corleone Nostalgie", den "Scorsese Schick" oder jeglichen liebgewonnenen "Sopranos Sarkasmus". Das ist alles "nur" USA Mainstream Kasperle Theater, aufgelockert mit den bewährten amerikanischen Zutaten. Entspannung und Belustigung für die Massen. Die hier besprochene erste Staffel von GOMORRHA ist (glücklicherweise) vollkommen frei davon, amerikanischen Vorbildern zu huldigen. Hier wird nicht (wie von Di Leo, Castellari oder Lenzi) US Erfolgskino kopiert und italianomäßig umfrisiert (was ja auch absolut geil war!), sondern die trostlosen, ja ekelhaften Verhältnisse im verarmten Süden dieses großartigen Landes (ich mag eigentlich Italien und alles was aus Italien kommt sehr sehr gerne!) werden dem interessierten Zuschauer brutal um die Ohren geschlagen. Mir hat ja bereits schon der Spielfilm "Gomorrha  - Eine Reise Ins Reich Der Finsternis" richtig gut gemundet. Ich muß dies erwähnen, da der Autor Roberto Saviano sowohl für diesen Kinofilm, als auch für die Serie verantwortlich ist. Mein Freundeskreis mochte den Film nicht besonders. Mir ist auch völlig klar, warum, es fehlte nämlich bereits da, jegliches Hollywood Feeling! In dokumentarischer Art und Weise wurde dort episodenmäßig gezeigt was organisiertes Verbrechen, gerade in der Gegend Napoli/Kampanien, wirklich bedeutet. Ich will da jetzt aus Zeit und Platzgründen nicht näher drauf eingehen. Besorgt euch den Film, dann wisst ihr genau was ich meine. Roberto Saviano geht mit seiner Serie einen (etwas) anderen Weg. Wir lernen zwar die Akteure sehr genau kennen und dem Gesetz einer TV Serie beugt sich der Autor sehr wohl. Was ich aber so unglaublich (geil) finde ist die Tatsache, dass es eigentlich keine einzige Identifikationsfigur im Gestrüpp des Savastano Clans (jedenfalls für mich) gibt. Diese Typen (und Frauen) sind der reinste Abschaum der Menschheit. Bereits in den ersten Szenen, beschlich mich ein peinliches Gefühl des Fremdschämens. Wie diese "Familie" wohnt, einfach unfassbar. Durch Drogenhandel und Massenmord zu Reichtum gelangt, können oder wollen diese Kreaturen ihre eigentlich primitive Herkunft nicht verleugnen. Während Genregrößen wie ANTONIO MONTANA in prunkvollen Villen hausen und deren Domizile wenigstens nach Geld aussehen (und stinken), lebt der Don mit seiner Donna + fetten Sohn in einem kitschig eingerichteten "Seniorendomizil" (jedenfalls schaut's bei den Savastanos genau so aus)  und die Soldaten (das sind die einfachen Mafia Arbeiter) hausen gar in heruntergekommenen Sozialbauten, mitten unter den Menschen, die sie auspressen wie Zitronen. Halbwüchsige Rotznasen, ja sogar Kinder werden für die miesen Geldvermehrungs oder Menschenbeseitigungs Aktionen im Sinne des Wortes am laufenden Band benutzt und geopfert. Diese Figuren schauen Dir tief in deine Augen, umarmen, ja küssen dich und in diesem intimen Augenblick bist Du bereits tot!!! Ich fieberte eher mit den Nebenakteuren (die höchstens 2 Episoden mitspielten, da sie danach bereits wieder das Zeitliche gesegnet haben), oder gerade noch so mit Donna Imma Savastano (da diese Frau sehr coole  Szenen hat und nen Straßenköter für kurze Zeit nen liebes Zuhause gibt) mit. Die Trabantenstadt Neapel ist ein Drecksloch, wie man es sich als Mitteleuropäer einfach nicht vorstellen kann. Es herrscht absolute Perspektivlosigkeit bei der Jugend, eine Mittelschicht ist nicht zu erkennen. Ein Abrutschen in die Kriminalität ist dort die logische Folge. Die beschriebene Skrupellosigkeit (gerade bei Minderjährigen!) ist in Italien Fakt. Das schwört der Autor des Buches (10 Millionen verkaufte Exemplare Weltweit!), des Spielfims und der Serie  Roberto Saviano. "Alles was man in der Serie sieht, ist wirklich so passiert", verrät der Autor in einschlägigen Interviews. Na dann Servus! Das sich Roberto Saviano seit der mutigen Veröffentlichung seines Romans seines Lebens nicht mehr sicher sein kann, versteht sich ja (in Italien) von selbst. Der Mafiakritiker befindet sich in ständiger Lebensgefahr, Da er die wahren Bosse in seinem peinlichst genau recherchierten Roman sogar beim Namen nennt, ist von der Camorra ein Kopfgeld auf den Mann ausgesetzt. Saviano wechselt ständig die Wohnorte, steht unter strengsten Polizeischutz und wenn er mal öffentlich auftritt, hat er sogar mehr Leibwächter am Arsch als italienische Politgrößen. Zum Schluß möchte ich noch auf den zweiten großen Macher dieser fantastischen Serie eingehen. Regisseur/Produzent Stefano Sollima war eigentlich der Hauptgrund für mich, mir dieses schmutzige faszinierende Epos anzutun. Stefanos Vater ist einer der drei großen "Sergios" des italienischen Genre Kinos der 60er und 70er Jahre gewesen. Ich liebe die Filme von Sergio Sollima! Deshalb bin ich überhaupt auf seinen Sohn Stefano aufmerksam geworden und habe mir seinen Hammer Streifen "All Cops Are Bastards" rein gezogen. Dachte ich damals, es handele sich um einen Hooligan Film a la "Ultra" (von Ricky Tognazzi), war ich da schon angenehm überrascht, dass ich es mit einem authentischen realistischen Blick auf die schockierenden sozialen und politisch unzumutbaren Zustände in unserem (bis in die 80er) liebsten Urlaubsland zu tun bekam. Stefano Sollima geht diesen (mit A.C.A.B. eingeschlagenen) Weg in Zusammenarbeit mit Roberto Saviano unbeirrt (und sehr mutig !!!) weiter und hat eine geniale Serie erschaffen. Wenn ich, was ich ja sehr gerne mache, Vergleiche mit in der BRD produzierten TV Serien anstelle, lache ich mich kaputt. Während aus Italien ein "Monster" wie GOMORRHA auf uns losgelassen wird und wirklich keine Gefangenen macht (ey Jungs und Mädels, ich rede im speziellen von den Ereignissen der letzten beiden Episoden!), möchte uns hierzulande (beispielsweise) der für den Zwangsgebührensender ZDF (ha ha, da wir ja gerade über die Mafia reden, gelle!) ermittelnde KRIMINALIST Christian Berkel tiefe Einblicke in seine (un)realistischen stinklangweiligen Ermittlungen geben, oder die beiden Blödelspastis aus dem TATORT Münster, welche in der BRD so beliebt sind, dass ihre kriminalistischen Hirnpfürze doch tatsächlich vor der ARD (der andere GEZ Sender) Erstausstrahlung im Kino zu bestaunen sind, was man ja eigentlich international nur vom qualitativ hochwertigen KOMMISSAR BECK kennt. Von RTL produzierten (pseudo) actionlastigen Kackwürsten wie etwa ALARM FÜR ... fangen wir erst garnicht an und kleinere Lichtblicke wie "IM ANGESICHT DES VERBRECHENS" vom lieben Dominik Graf beehren den Fanatico realistischer harter Krimikost in der cineastischen Bananenrepublik Deutschland so alle 10 Jahre mal. Musste mal gesagt werden, sorry.

Besorgt euch GOMORRHA, diese ausschließlich an Originalschauplätzen gedrehte Serie ist ein Muss !

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