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Bei dem Titel I SPIT ON YOUR GRAVE spitzen sich die Ohren erfahrener Horrorfreaks ganz kräftig. Und zwar nicht nur bei dem 1978er Original, sondern auch wegen dem 2010er Remake, das zwar aus meiner Sicht sehr im B-Movie Charakter verhaftet war, mit entsprechenden Dialogen und grober Unlogik, aber immerhin hat es das Filmchen geschafft auf die kultträchtige Beschlagnahmungsliste gemäß 131 StGB wegen Gewaltverherrlichung bzw. Gewaltverharmlosung zu kommen. Und I SPIT ON YOUR GRAVE 2 macht seinen Vorgängern alle Ehre und setzt zumindest vordergründig in Bezug auf Gewalt in der gesehenen Unrated Fassung noch einen drauf.

Und die recht unbekannten Darsteller und insbesondere die Hauptdarstellerin Katie (Jemma Dallender) agieren weit weg von B-Niveau und I SPIT ON YOUR GRAVE 2 stellt einen Terrorfilm höchster Güte dar. Das grundsätzliche Szenario einer mehrfachen brutalen Vergewaltigung, Erniedrigungen aller Art und die anschließende Rache wurde beibehalten und in solcher Form ausgekostet, dass man getrost behaupten kann, das eine Reihe von SAW Filmen mit ihren endlosen Enthauptungen und sonstigen Abtrennungsorgien von Körperteilen dagegen fast harmlos wirken. I SPIT ON YOUR GRAVE 2 erhört das Grauen nämlich noch durch den unschlagbaren Faktor des Realismus.

Hier passiert "Torture" in nachvollziehbarer und fast künstlerisch-authentisch anmutender Form und es benötigt keine Tötungsfabriken mit monatelanger Aufbauarbeit für einen schnellen Tötungsgag. I SPIT ON YOUR GRAVE 2 liefert den Terror in minimalistischer und deswegen so direkter Art, als könnte es im Keller des nächsten Nachbarn passieren. Und es beginnt nach ca. 20 Minuten mit einer nicht enden wollenden minutenlangen Vergewaltigungsszene des Models Katie in Nahaufnahme, die nur noch mit der aus anderen Gründen noch verstörenderen in IRREVERSIBLE verglichen werden kann. Später gibt es noch haufenweise Elektroschocks und andere Erniedrigungen der osteuropäischen bzw. bulgarisch anmutenden Täter, denen Katie vorher in einem Modeljob nicht freizügig genug gewesen ist.

Ob dies als Tatmotiv für den Zuschauer ausreichend erscheint darf gerne diskutiert werden. Diese Diskussion wäre aber in Anbetracht der filmischen Gesetze eines Rape & Revenge Movies entsprechend sinnlos. Doch dieses Vorspiel mutet harmlos an gegen das was im anschließenden Rachefeldzug passiert und Kinnladen reihenweise runterklappen lassen wird. Dabei gehören fiese Schnittwunden und die Umkehrung ihrer Quälungen an den Männern noch zu dem verkraftbaren Auftaktgeschehnissen für den Showdown in den letzten 20 Minuten, die frei nach dem Motto "Torture as torture can" gestaltet wurden. Eine der Schlussszenen werden insbesondere die Männer unter den Zuschauern sicherlich niemals in ihrem Leben vergessen.

Doch was bringt I SPIT ON YOUR GRAVE 2 neben diesen offensichtlichen Schauwerten mit? Ich hätte es nie erwartet, aber der Film wirkt tatsächlich niemals billig oder nur dem nächsten Effekt geschuldet. Vor allem die Hauptdarstellerin Jemma Dallender leistet Schwerstarbeit in der ersten Filmhälfte in der sie meist splitternackt ist, schreit sich die Seele aus dem Leib und wirkt dabei nicht im Geringsten lächerlich. Ihre Intensität kann sie in ihrem Rachefeldzug als blutiger Engel noch steigern und ich sage ihr eine potentiell große Zukunft im Genre voraus wenn sie diesen Weg beschreitet.

I SPIT ON YOUR GRAVE 2 ist kein Splatterfest, aber seine gefühlte Wirkung ist viel stärker. Der Film setzt visuell und von der Konsequenz her Maßstäbe im Genre und wird dabei so schnell nicht überholt werden. Das Zusammenwirken von Soundtrack, hochwertiger technischer Umsetzung, Bildführung, sehr effektiver Locations und grandiosen Gore- und Spezialeffekten hat mich mehr als überrascht, genauso wie die überragende Hauptdarstellerin. Ich wiederhole mich diesbezüglich gerne und schließe hier meine Ausführungen bewusst mit dem Hinweis, dass Regisseur Steven R. Monroe, der auch das letzte Remake gemacht hat, sich damit garantiert in den TorturePorn Olymp katapultiert hat.

8,5/10 Punkten

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