Richard Burton hat ja viel Scheiße in seinem Leben zusammengedreht, so manches davon mit seiner Saufgenossin Elizabeth Taylor und nicht weniges in seinen letzten 10 Jahren ohne sie. Einiges davon, wie "The Exorzist 2" ist furchtbar, aber manchmal griff er auch eine Perle heraus.
So eine Perle ist Peter Shaffers Bühnenstück "Equus - Blinde Pferde".
In dieser etwas behäbigen, aber inhaltlich fesselnden Umsetzung geht es um einen Jugendpsychiater, der zwar eine Koryphäe auf seinem Gebiet ist, aber dessen Leidenschaft ganz woanders liegt, nämlich in den Altertümern des südlichen Europas, im alten Griechenland. Seine Ehe ist erkaltet.
Eines Tages erhält er den Fall eines Jungen, der mittels Eispickels ein halbes Dutzend Pferde geblendet hat und nimmt sich seiner an. Es erwartet ihn viel Arbeit, denn der verschlossene Junge ist das Produkt einer religiösen Mutter und eines sich selbst wertlos fühlenden Vaters. Dieser Junge hat nach einem kindlichen Erlebnis auf einem Pferd sich seine eigene Religion erschaffen, die der christlichen ähnlich ist, aber ein Pferd, Equus, als höchstes Wesen hat. Seine Sexualität komplett von den Eltern unterdrückt, lebt er in nächtlichen Ritualen den Lebensdruck aus.
Der 140minütige Film widmet viel Zeit dem langsamen Wachsen der Verbindung zwischen Burton und dem Jungen und deckt nur langsam alle Hintergründe auf, die in der Schreckenstat kulminierten, als er seinen "Gott" der eigenen Sexualität wegen vernachlässigte.
Der Film lebt nicht nur von dem bizarren Geheimnis des Jungen, sondern seziert präsize die Lebensumstände und die Figuren der Eltern, die zu diesem Zustand geführt haben. Allerdings bleibt die Sympathie hier dem Abseitigen gewogen, denn die Normalität weist im ganzen Film keinerlei Reiz aus.
So wird der Junge alsbald zu einem Spiegelbild für Burtons Psychiater, der, je mehr er den Jungen therapiert, das Scheitern seiner eignen Existenz wahrnimmt. Gleichzeitig befindet er sich in einem Dilemma, denn obwohl er fast immer Erfolge vorweisen kann, bleibt für ihn in diesem Fall die Frage offen, ob es die richtige Entscheidung ist, dem Jungen seine Rituale austreiben, da dieser durch sie wenigstens zeitweise noch so etwas wie Leidenschaft empfinden kann, wozu Burton selbst längst nicht mehr in der Lage ist.
Die Kraft des Films steckt in Burtons hervorragend vorgetragenen Off-Kommentar, der folgerichtig analysiert, was der Film in seinen Bildern zeigt. Der schlußendliche Erfolg, aus dem Jungen einen "Normalen" gemacht zu haben, bedeutet für Burtons Figur den Untergang, die Gewißheit über die eigene Verlorenheit.
Was nicht immer funktioniert, ist die theaterhafte Geschwätzigkeit, die sich aus Shaffers Vorlage in den Film gerettet hat. "Equus" ist ein Dialogfilm, der auch dann noch etwas erklärt, wenn die Bilder es zusätzlich zeigen.
Vielleicht war man sich unsicher, ob die Abstrusität der Ereignisse für die Zuschauer verständlich sei, so daß man sich bemühte, alles zu verdeutlichen, so daß der Film so manchen Visualisten totlabert.
Ansonsten ist die Inszenierung aber gelungen, die in Farben, Licht und Ausstattung meist den Tenor der Szenen noch unterstreicht und dem äußerst talentierten Burton endlich das richtige Werkzeug in Form einer kraftvollen Rolle zur Verfügung stellt. Daß die Wurzeln beim Theater liegen, können auch reichlich Rückblenden nicht verhehlen, doch für das sonst eher abstrakte Stück ist hier ein spannender Rahmen gefunden worden. (8,5/10)