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Shakespeare ist zeitlos – das ist ein Gemeinplatz, der nicht ausgeführt werden muß, ein nicht hinterfragbarer truism, wie es im Englischen heißt. Ganz und gar nicht zeitlos sind dagegen die Adaptionen seiner Werke, und das soll und muß so sein: Die sich wandelnden Zeitläufte bringen immer neue, manchmal nur für wenige Jahre sinnvoll oder gut erscheinende Bühnen- oder Filmumsetzungen hervor, die eng an die jeweiligen gesellschaftspolitischen Umstände geknüpft sind und ihre Gültigkeit plötzlich oder allmählich verlieren. Die Interpretationen altern, verlieren an Aktualität, machen dadurch aber wieder Platz für neue, frische und zeitrelevante Auslegungen desselben Stückes oder Textes.

Dieser Alterungsprozeß betrifft – und das ist weder verwunderlich noch bedauerlich – auch die Verfilmung von Shakespeares "Sommernachtstraum" aus dem Jahr 1935. Zwar nicht in allen Belangen, aber doch zumindest in einem sehr vordergründigen: der Besetzung. Der ganze Film ist als Vehikel um die damaligen Hollywood-Stars James Cagney und Mickey Rooney herum angelegt. Sie haben mit Bottom (Zettel) und Puck die beiden komischsten, exaltiertesten, damit aber auch empfindlichsten und am leichtesten zu verderbenden Parts inne. Letzteres, das Verderben ihrer Rollen, meistern beide mit einer erschreckenden Bravour. Die Annahme, daß komische Rollen ununterbrochenes Grimassenschneiden und/oder Sprechen im Falsett erfordern, scheint nicht nur bei ihnen, sondern leider bei sämtlichen Darstellern der low comedy bzw. des Handwerker-Subplots (Quince, Snug, Flute, Snout etc.) fest verankert zu sein (und ist bis heute leider weder einem Alterungs- noch einem Aussterbensprozeß unterworfen). Cagney, der seinen Ruhm nicht unbedingt subtiler Charakterdarstellung verdankt, bricht Bottom durch permanentes Overacting auf einen eindimensionalen Idioten herunter, während Kinderstar Rooney ihm in dieser Hinsicht in nichts nachsteht und den Zuschauer zusätzlich mit durch Stimmbruch bedingtem Gekrächze belästigt. Unter diesen Voraussetzungen gerät die Theateraufführung der Handwerker am Schluß – eigentlich der komödiantische Höhepunkt des Stücks – zur unkomischsten, ja nachgerade peinlichsten Szene des Films, denn es scheint keinem der Beteiligten (und seltsamerweise auch nicht Regie-Ikone Reinhardt) klargewesen zu sein, daß sich die Komik aus dem naiv-unbeholfenen sich-selbst-Ernstnehmen der Handwerker speist, nicht etwa aus dem freiwilligen Knallchargieren derselben.
Etwas zurückgenommen, doch immer noch viel zu stark grimassierend treten Dick Powell und Ross Alexander als Lysander und Demetrius auf und sind ein bedauernswertes Beispiel dafür, wie sich die Typvorstellungen für einen romantischen Helden geändert haben. Neben einem seltsam steif agierenden Victor Jory als Oberon fällt die übrige Besetzung zumindest nicht negativ auf, und Olivia de Havilland versprüht als Hermia sogar einen wohltuenden, natürlichen Charme.

Nun wäre es ungerecht, wegen der Fehlbesetzung von Bottom und Puck den Film in Bausch und Bogen zu verdammen, dafür hat er in manch anderer Hinsicht, nicht zuletzt künstlerisch, zu viel zu bieten. Recht konventionell ist zwar die modische Verortung des Geschehens im 16. Jahrhundert, also zu Shakespeares Lebzeiten, jedoch wurde an originellen Kostümen, reicher Ausstattung und zahlreichen Statisten alles aufgeboten, was den Warner-Studios zur Verfügung stand. Mag die im Film häufig angewandte Tricktechnik der Mehrfachbelichtung zum Teil etwas holperig und krude wirken (etwa die Sterne, die Oberons magische Aura bilden), so zeitigen sie doch auch ganz erstaunliche und ätherisch-zarte Effekte, wenn es beispielsweise um das Erwachen des Feenreiches im Wald geht, wofür sich der Film viel Zeit nimmt. Die hier zum Einsatz kommenden, offensichtlich professionellen Balletttänzer unter den Zauberwesen tragen zum luftigen Charakter der Erscheinungen wesentlich bei. Überhaupt ist Reinhardt sehr stark in der Inszenierung, die trotz der Filmlänge von ca. 130 Minuten dem (auch ggf. von den besagten Darstellern enervierten) Zuschauer keinen Moment unaufmerksam zu werden gestattet. Daß, wie damals üblich, komplett im Studio gedreht wurde, kommt dem Film insofern zugute, als es der Herkunft von der Theaterbühne Rechnung trägt, und es wird auch nicht über Gebühr versucht, einen vordergründigen Realismus anzustreben. Im Gegenteil wird aller Theaterzauber an unsichtbaren Seilen, weiträumigen Studiokulissen und geschickt choreographierten Ensemble- und Massenszenen aufgeboten, den die Bühnenkunst zur Verfügung stellen kann. Sie behauptet ihren Stellenwert trotz oder gerade wegen der zahlreichen Kameratricks und bildet mit diesen ein harmonisches Ganzes.

Spekulieren läßt sich, ob das vermutlich als Besetzungs-Coup gedachte und tatsächlich zum Desaster geratene Engagieren von Rooney und Cagney in Reinhardts Verantwortung fällt, denn die Entscheidungsgewalt der Studios in solchen Fragen war (und ist) unangreifbar und legendär. Mag sie seinerzeit zum Erfolg des Filmes beigetragen haben, so ist sie einer heutigen Rezeption unbestreitbar abträglich, da der Sternenstaub, der einst an den beiden Darstellern klebte, nicht mehr da und der Zauber verflogen ist, das Charisma nicht mehr trägt, die Interpretation und das Empfinden dessen, was komisch ist – gealtert sind.
Wer trotzdem eine konsensfähige, Hollywood-produzierte Umsetzung des "Sommernachtstraums" sucht, ist mit Michael Hoffmans Verfilmung von 1999 gut beraten, in dessen komödiantische Partien einige achtbare melancholische Brechungen eingeflochten wurden. Zwar ist auch diese Version absichtlich zeit- und ortlos gehalten, um einem aus-der-Mode-Kommen vorzubeugen, doch wird sie ihm nicht entgehen können, wie das Beispiel ihres Vorgängers zeigt. Allerdings sollte man sich daran nicht stören und die aktuellsten, für unsere Zeit relevanten Shakespeare-Interpretationen unbedingt aufsuchen, und zwar dort, wo sie im Zweifel am ehesten zu finden sind: auf den städtischen Theaterbühnen.

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