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In die Tonne getreten - und zwar „mega"

Dass es sich bei Olivier Megaton um einen Künstlernamen handelt, dürfte nicht schwer zu erraten sein. Wobei der Begriff „Künstler" im Zusammenhang mit dem guten Olivier sämtliche Kriterien eines waschechten Euphemismus erfüllt. „Grober Handwerker" wäre da schon weitaus passender, zeichnet sich doch Megatons bisheriges Oeuvre - der Mann ist Actionfilm-Regisseur - vor allem durch Fremdschäm-Dialoge, Holzhammer-Dramaturgie und oberflächliche Schauwerte aus. Dazu ist er leider auch noch vom äußerst widerstandsfähigen Bourne-Virus infiziert, soll heißen seine grob zusammen gezimmerten und vor allem zusammen geschnittenen Actionszenen glänzen durch Unübersichtlichkeit und planlose Hektik. Warum ihm sein Mentor Luc Besson immer wieder lukrative Projekte zuschustert ist ein Geheimnis, das die beiden offenbar ganz exclusiv teilen.

Magaton hat jedenfalls das Kunststück fertiggebracht durch seinen uninspirierten Regiestil die „Transporter"-Reihe selbst eingefleischten Statham-Jüngern madig zu machen. Von seinem in Genre-Kreisen zu recht belächelten Versuch Zoe Saldana zu einer weiblichen Actionikone („Colombiana") aufzubauen mal ganz zu schweigen. All dies ließ natürlich für die Fortsetzung des Überraschungshits „96 hours" nichts Gutes erwarten. Und wie sollte es auch anders sein, „Taken 2" ist leider ein durch und durch typischer Megaton: laut, oberflächlich, hektisch und dramaturgisch wie narrativ in der filmischen Kreisklasse angesiedelt.

Wo sein Vorgänger Pierre Morel mit wenigen Szenen eine schmutzige, düstere Drohkulisse aufbaute durch die der in die Ecke getriebene Familienvater Brian Mills wie eine apokalyptische Dampfwalze pflügte, verschwendet Megaton das um ein vierfaches höhere Budget für ein paar Hubschrauberflüge über den diesmaligen Schauplatz Istanbul und eine dutzendfach besser gesehene Autoverfolgungsjagd. Obwohl er die türkische Metropole entgegen der Realität als rückständigen und antiwestlichen Moloch brandmarkt, gelingt es ihm zu keinem Zeitpunkt - wie Morel es mit Paris vorexerziert hatte - die Stadt als zusätzlichen Feind für den brachialen Helden zu inszenieren.

Wenig bedrohlich sind diesmal auch die menschlichen Gegner. Obwohl die Angehörigen der von Mills im ersten Teil reihenweise ins Jenseits beförderten Albaner grausame Blutrache schwören und man damit natürlich ein noch brutaleres Vorgehen erwartet, erweisen sich die angeblich von unstillbarem Blutdurst getriebenen als vergleichsweise harmlos und vor allem recht leicht auszuschalten. Obwohl Mills und seine Exfrau (Famke Janssen) bereits zu Beginn in die Hände ihrer Häscher geraten, gelingt dem rüstigen Ex-Agenten vergleichsweise schnell und vor allem spielend die Flucht. Wer jetzt denkt, dass die dermaßen Geprellten und bereits ordentlich Dezimierten ihre Wut und ihren Haß an der einzig verbliebenen Geisel auslassen würden, sieht sich eines Besseren belehrt. Auch bei der ebenfalls geplanten Entführung von Mills Teenager-Tochter (Maggie Grace geht zwar stramm auf die 30 zu, aber was solls) lassen sich die Gangster erstaunlich leicht düpieren und können natürlich auch nicht verhindern, dass Kim ihrem Vater aus der dunklen Patsche hilft.

Diese vermeintlich pfiffige Rettungsmission ist dann das (leider ungewollte) komödiantische Highlight des Films. Selbst für einen Actionfilm - in dem man ja bekanntlich die Gesetze der Logik nicht unbedingt einer genaueren Prüfung unterzieht, um sich nicht den Spaß zu verderben - ist das Gebotene bar jeder Glaubwürdigkeit und grenzt an Slapstickeinlagen, wie man sie eigentlich nur in Verballhornungs-Parties wie „Die Nackte Kanone" sehen will. Krönung in Töchterchens Agenten-Crashkurs via Handy ist dann das wiederholte Herumschmeißen von Handgranaten auf den Dächern Istanbuls, um  so die Entfernung zu Papas Gefängnis zu bestimmen. Unnötig zu erwähnen, dass das allgemein nicht weiter auffällt - ist ja eine furchtbar laute Stadt - und lediglich ein, zwei rachelüsterne Albaner auf den Plan ruft, die sich dann bei der Dingfestmachung der juvenilen Pyrotechnikerin mit Dilettantismus unterbieten.

Was „Taken 2" aber den endgültigen Sargnagel verpasst, ist das ebenso unnötige wie Seifenopern-ähnliche Auswalzen der Familiengeschichte der Millls. Nicht nur dass deswegen viel zu wenig Zeit für die erhoffte kompromisslose Action bleibt und man sich am Ende wundert, dass alles schon vorbei ist. Schlimmer noch ist vielmehr, dass der Film in zwei völlig unkompatible Hälften zerfällt und die im Erstling aufgebaute mythische Aura des einsamen Rächers mit rosaroten Maschinengewehrsalven in Stücke schießt. Megaton hat diese Glanzleistung nun schon zum zweiten Mal vollbracht. Mit Grausen erinnert man sich wieder daran, wie er den Gefrierschrank-coolen Transporter zum verliebten Postboten degradiert hat.

Und Liam Neeson? Der spätberufene Actionstar zeigt erstmals eine seltsam farblose Vorstellung und wirkt zu gleichen Teilen lustlos wie verloren in seiner neuen Genre-Heimat. Drehbuch und Inszenierung haben ihm diesmal aber auch gebirgsgroße Steine in die Schußbahn geworfen.  Das Ganze ist umso ärgerlicher, als die ersten Einspielergebnisse klar belegen, wie groß die Vorfreude auf „Taken 2" gewesen sein muss. Wir dürfen also auf eine dritte Racheaktion des rüstigen Mills rechnen, aber dann bitte, lieber Luc, ohne die Müll- äh Megatonne auf dem Chefsessel.

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