„Gangster Schrott"
Der auf zwielichtige und aufbrausende Charaktere abonnierte Sean Penn als Gangsterboss Mickey Cohen, der neue King of Cool Ryan Gosling und sein zwar betagterer, aber mit einer ähnlichen Ausstrahlung gesegnete Kollege Josh Brolin als Undercover-Elite-Cops sowie EX T-1000 Robert Patrick mitsamt immer wieder gern gesehenen Nebendarstellern wie Michael Pena und Giovanni Ribisi als deren illustre Mitstreiter beim Kampf gegen Cohens Verbrechersyndikat. Was soll da noch schief gehen? Tja, leider so ziemlich alles.
Was Regisseur Ruben Fleischer hier an unausgegorener und gnadenlos verwürzter Gangster-Soße zusammen gebraut hat, spottet jeder Beschreibung und gehört mit sofortigem Ausstrahlungsverbot bestraft. Ganz offenbar hat man gedacht es reicht völlig aus mal so ganz nebenbei Plot und Figurenkonstellation aus de Palmas „The Untouchables" zu kopieren, das so clever Geklonte dann an den richtigen Stellen noch mit einem ordentlichen Schuss „L.A. Confidential" zu veredeln, dem Ganzen schließlich einen schicken Look Marke „Cotton Club" zu verpassen und fertig ist das neue Gangster-Epos mit ganz viel Stil und noch mehr Wumms. Leider geht Letzterer gänzlich und sprichwörtlich nach hinten los und dauerbefeuert das ahnungslose Publikum mit einem enervierenden Verzicht auf Spannung, Tiefgang, Dramatik und - was das größte Verbrechen ist - Unterhaltungswert.
Das ganze Dilemma fängt schon mit den Figuren an. Von den beiden Protagonisten-Cops erfahren wir nur, dass der eine (Brolin) ein Kriegsheld war und sein erstes Kind erwartet, während der andere (Gosling) als Light-Variante Jack Vincennes (Kevin Spacey in „L.A. Confidential") das ganze (Polizei-)Geschehen scheinbar nur noch aus einer sarkastisch-ironischen Distanz betrachtet, was angesichts seines jugendlichen Aussehens allerdings recht unglaubwürdig und reichlich aufgesetzt wirkt. Eine brave, biedere Auflistung von Eigenschaften und Einstellungen die keinerlei tiefer gehende Auslotung erfährt geschweige denn im Verlauf des Films irgendwo hinführt.
Noch schlimmer verhält es sich mit Emma Stone, die mit viel visuellem Pomp als verruchte, geheimnisvolle Femma Fatale eingeführt wird, nur um dann vom Drehbuch überaus unsanft ins narrative Abseits bugsiert zu werden aus dem sie nur hin und wieder jammervoll und ganz unmysteriös hervorlugen darf. Die übrigen Entbehrlichen sind dann nur noch wandelnde Klischees der Marken Revolverheld (Patrick), aufstrebender Deputy (Pena), Technik-Freak (Ribisi) und Quoten-Schwarzer bzw. Streifenbulle. Einzig Mickey Cohen hat etwas Schillerndes an sich, wirkt aber durch das stets an den falschen Stellen reichlich überzogene Grimassieren von Penn mehr wie eine Karikatur sämtlicher filmgewordener Gangsterboss-Klischees, denn wie ein ernstzunehmender oder gar bedrohlicher Antagonist.
Das alles wäre verschmerzbar und könnte sogar unterhaltsam sein, wenn der Film seine anfangs angedeutete Comic-hafte Pulp-Attitüde konsequent durchziehen würde. Leider hat man aber wohl gleichzeitig ein ernsthaftes Gangster-Drama vorgehabt, bei dem harte Männer ihre jeweiligen Reviere vornehmlich mit der Schusswaffe abstecken und dabei in ihrem völlig kompromisslosen Vorgehen einander immer ähnlicher werden und ihre ehernen moralischen Prinzipien im Nebel des Mündungs(dauer)feuers immer mehr verschwimmen.
Natürlich ist diese Konstellation ein Polizeifilm-Klassiker und lädt zur Auslotung psychologischer Untiefen vor allem der Gesetzeshüter geradezu ein. Aber auch mit diesen Genre-Konventionen weiß Fleischer rein gar nicht anzufangen und lässt seine farblosen Figuren lediglich dutzendfach ausgelutschte Phrasen dreschen, die man bestenfalls einem High School-Dramakurs durchgehen lassen würde, der sich zum ersten Mal an einem Gangsterstück versucht. Wenn dann Brolins Charakter permanent davon schwadroniert, dass man wie im Krieg für eine bessere Zukunft L.A.s kämpfen müsse und am Ende auch noch glaubt mit der Verhaftung Cohens wäre dies erreicht, dann ist die Infantilität und Plattheit des Skripts irgendwann auch für den Begriffsstutzigsten nicht mehr zu ignorieren geschweige denn zu ertragen.
Bis zu dem seifigen Ende gilt es allerdings einiges an Sitzfleisch aufzubieten, denn Fleischer lässt sich für seine banale Geschichte - eine Gruppe Undercover-Cops räumt im Los Angeles um 1950 mit den kriminellen Machenschaften des brutalen Gangsters Mickey Cohen gnadenlos auf - runde zwei Stunden Zeit. Das ist eine ganze Menge, wenn man neben dem Bierdeckelplot auch noch beinahe ausschließlich oberflächlich und belanglos gestaltetet Figuren beschäftigen muss die keinerlei Ecken und Kanten aufweisen, keinerlei überraschende Ideen entwickeln und in keinerlei Konfliktsituation geraten, die nicht mit ein paar Salven weggeballert werden könnten.
Um als puristisches Actionspektakel genossen werden zu können, bietet Fleischer dieses Problemlösungsmonopol allerdings wiederum viel zu selten an, so dass man dem namhaften Cast immer wieder zusehen muss, wie er minutenlang miserabel geschriebene Dialoge aufsagen muss, die die Handlung bestenfalls mühsam voranbringen und weder über Witz, noch über Coolness oder gar Intelligenz verfügen.
Am Ende steht eine Szene exemplarisch und sinnbildlich für die gesamte Produktion. Als der Vigilanten-Polizeitrupp in Mickey Cohens Wettbüro-Hauptquartier eindringt und dort Berge gestapelter Geldscheine verbrennt ist die Symbolik fast schon ikonographisch. Selten hat ein Film ein solches Budget und eine solche Riege namhafter und interessanter Darsteller regelrecht verbrannt und nichts als einen rauchenden Aschehaufen hinterlassen. Der einzige Verdienst dieses in jeder Hinsicht kolossal gescheiterten Gangsterfilms ist, dass man wieder gewahr wird, wie gut die dilettantisch kopierten Vorbilder „L.A. Confidential" und „The Untouchables" eigentlich sind.