Sämtliche Dialoge in der folgenden Abhandlung sind keine wörtlichen Zitate und geben nur den ungefähren Inhalt des Gesagten wieder. In der Form, in der der Film bei mir angekommen ist. Oder in dessen Unform. Quasi in der gefühlten Form. Die irgendwie formlos war.
Wenn sich insgesamt 7 mehr oder weniger Bekannte Regisseure daran machen, eine Hommage an das Théâtre du Grand Guignol zu realisieren, mit festgelegtem Budget und einer Zeitvorgabe von je 15-20 Minuten, dann kommt nach dem, was man so im Netz liest, eine Hommage an das Horrorkino der 70er und 80er, ein Geheimtipp, eine sich vom Einheitsbrei abhebende Perle, wilde Kurzgeschichten-Achterbahnfahrt, die man seit "Creepshow" nicht mehr habe erleben dürfen, ein einzigartiges Kunstwerk dabei raus. Man dürfe halt nicht den üblichen 08/15-Splatter erwarten. Und man müsse offen für Neues sein. Und so weiter und so fort.
Nun, Meinungen basieren ja bekanntlich zumeist auf subjektiver Wahrnehmung. Und da liegt dann auch der Hund begraben. Diese Anthologie ist die größte Enttäuschung, die ich seit langem gesehen habe. Und ich habe weiß Gott schon viel Mist gesehen. Aber der Reihe nach.
In der von Jeremy Kasten (The Wizard Of Gore) inszenierten Rahmenhandlung sehen wir die auf 70er-Grindhouse getrimmte Enola wild und mit einer Familienpackung Manie im Blicke auf Fotos und anderem Papiere herumkritzeln. Ihr Blick, der manische, wird immer wieder zum gegenüberliegenden Theater gezogen. Sie selbst anschließend auch. So sitzt sie schließlich im Zuschauerrang und harret mit an Debilität grenzendem Gesichtsgüterbahnhof dem, was da kommen möge. Puppentheater. Udo Kier, der schmerzfreier ist, als ich je gedacht hätte, kaspert als zuckelnde Puppe über die Bühne und erzählt ihr in großen Worten einen vom Wolf. Tod, Blubber, Hastdunichtgesehen. Und dann geht auch schon die erste Geschichte los.
The Mother of Toads von Richard Stanley (Hardware, Dust Devil)
Martin und Karina machen Urlaub in Spanien. Dort kauft Karina sich ein paar Ohrringe.
Karina: "Die sind ja schön!"
Martin: "Oh, das sind Symbole aus dem Necronomicon!"
Verkäuferin der etwas angegimmelten Art: "Ja, hab ich zu Hause rumliegen, kommste vorbei auf einen Tee, wird legger gef***t."
Gut, hat sie nicht ganz so gesagt, aber so what...
Jedenfalls tuckert das Paar durchs Grüne, und Martin lässt der Gedanke an das verfluchte Buch nicht los.
"Ich muss das sehen!"
"Och menno!"
Karina soll sich entspannen, Martin will allein zur Knusperhexe fahren und schauen, was der gute alte Abdul Alhazred so abgelassen hat.
An dieser Stelle sollte man erwähnen, dass Karina echt geile Beine hatte. Ist jetzt irrelevant für die Story, aber irgendeinen Strohhalm braucht man ja...
Martin also ab zur Kräuterwikka, die ihm einen aufsetzt und das Buch vorlegt. Darin finden sich Bilder der Mutter der Kröten.
"Das ist ja phantastisch!"
"Ja, die Mutter der Kröten. Willst du mich mal löten?"
Der Tee macht Martin weich im Kopf und hart im Schritt. Jedenfalls sieht Karina, als sie am Knusperhäusle ankommt, wie er von einer wohl jüngeren Variante der bösen Hexe aus dem Osten hart eingeritten und nass eingestellt wird. Entgeistert flieht sie in die allgegenwärtige Pampa. Wo sie von Kröten umgeben ist. Die wirken etwa so bedrohlich wie Zeitungsfetzen im Wind. Und als Martin aufwacht, liegt neben ihm Konga, der Menschenfrosch. Und dann doch die Hexe. Letztlich schaffen es beide nicht, zu entkommen. Sie werden... na ja, wenn nach dem Löten Kröten töten. So halt.
Der Film besticht durch seine fast amateurhaft anmutende Optik und die etwas ungeschickte Inszenierung, gekrönt von einer meisterhaften Vorhersehbarkeit. Tales From The Crypt für den schmalen Beutel.
I Love You von Buddy Giovinazzo (einstmals Combat Shock, mittlerweile Tatort und Notruf 110...)
Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin! Dort wohnt nämlich Axel. Der ist enorm grantig und trinkt die harten Sachen schon aus der Flasche, weil seine Holde ihn verlassen hat. Warum ist er eigentlich blutbeschmiert im Bad aufgewacht? Das werden wir noch erfahren. Auch wenn es uns schon entet... oder wie heißt der große weiße Vogel? Nun, jedenfalls sucht seine Ex ihn auf und erklärt ihm, warum sie ihn verlassen hat. Er sei zu besitzergreifend. Und ihr sitzt die Muffe so locker wie ein ungebundener Schuh. Streit, Grummelgrummel, "Scheisse, Fotze"(originaler Wortlaut), Messer. Und hoppla, das ist ja alles schon passiert, und er quatschte mit ihrem Geist. Na DAS ist ja mal eine Pointe! Oder eher eine Po-Ente, das sei jedem selbst überlassen. Jedenfalls wirkt das Ganze optisch und inszenatorisch genau so wie Gioviazzos aktuelles Schaffen: Deutsche TV-Optik. Und weiter mit Sport im Zweiten!
Wet Dreams von Tom Savini.
Donnie ist offenbar untreu. Das verschafft ihm Albträume, in denen ihm die Fleischwurst amputiert wird. Ein Besuch beim Psychiater (Savini) soll da helfen. Doch f***t er nun dessen Frau? Oder der Psychiater seine? Oder beide uns? Und wo hört der Traum auf, wo die Wirklichkeit? Ein paar nette Penis-Gags, etwas Splatter, ein etwas stummelig endender Donnie, und schon ist die heutige Folge von Geschichten aus dem Muff vorbei.
The Accident von Douglas Buck (Sisters, das Remake zu DePalmas Schwestern des Bösen)
Eine Mutter redet mit ihrer Tochter über den Tod. Und immer wieder Rückblicke auf einen Motorradunfall, den beide mit erlebten, und bei dem ein Hirsch im Wege stand. Was soll man darüber groß sagen? Handwerklich solider, nachdenklicher Kurzfilm. Keine Pointe, kein Horror. Einzig der verunfallte Hirsch sah erschreckend echt aus (wenn er es nicht sogar war...). Kein schlechter Beitrag, aber im Rahmen des Filmes wirkte er vollkommen deplatziert.
Vision Stains von Karim Hussain (Subconscious Cruelty).
Eine auf der Straße lebende Schriftstellerin sieht sich als die Biografin gescheiterter, obdachloser Frauen. Sie tötet sie, zieht ihnen per Spritze im Augenblick des Todes Flüssigkeit aus dem Augapfel ab, injiziert sich diese ins eigene Auge und durchlebt dann deren Erinnerungen, die sie zu Papier bringt. Um sie zu verstehen, müsse sie leben wie sie. Im Dreck, im Abseits. Verwahrlost. Sie recycelt sogar ihre Slipeinlage durch abkochen. Yummie... Letztlich will sie wissen, was ein ungeborenes Kind denkt... und sticht einer Schwangeren in den Bauch. Nachdem sie sich dies verabreicht hat, sticht sie sich die Augen aus. Man müsse halt nicht alles sehen.
Wer gerne Nadeln in Augen sieht, der wird hier gut bedient. Die Episode ist rauh, schmutzig, roh. Und spätestens nach der vierten Nadel im Augapfel ist man bedient. Die Binde ist dann noch das Sahnehäubchen. Interessante Grundidee, aber warum man sie so auf Ekel getrimmt auswälzen muss, ist mir schleierhaft. Und wo wir gerade bei Ekel sind:
Sweets von David Gregory (Plague Town)
Estelle macht Schluss mit Greg. Er heult wie ein Schlosshund. Und wir sehen Bilder aus ihrer gemeinsamen Zeit. Bilder, bei denen es einzig ums Essen geht. Wobei es eher Fressen ist, so wie sie sich hier selbst und gegenseitig das Zeug ins Gesicht schmieren, darin baden, sich mästen etc. In bonbonbunten Bildern wird hier aufs ekelhafteste die Fresserei abgefeiert. Schließlich willigt Estelle ein, Greg noch einmal zu treffen. Auf einer Art Vernisage. Lauter ekelhaft überschminkte Ätzfressen, die sich das Zeug in die Fresse mantschen. Highlight eine Tussi, die Estelle in den Ausschnitt kotzt, es mit einem Cracker (oder so) aufsammelt und... na ja, super. Greg wird dann hereingeführt, enthauptet und ausgeweidet, und alle feiern fröhlich mit seinem Gekröse. Sollte das eine Allegorie auf "Die Reichen f****n die Armen" sein? Zumindest war es widerlich. Einige Zuschauer lachten. Ich hätte sie am liebsten mit Honigwaffeln beworfen. Das Teil wirkte so, als habe hier jemand einen Fress-Fetisch auf die Leinwand onaniert. Einige klatschten danach sogar. "Oh bitte, kein Applaus für S******e!"
Und final packt Udo dann die zur Puppe gewordene Ebola oder whatever in die Kiste für weiteren frohen Mummenschanz. Abspann. Harndrang. Nächstes Jahr kann nur besser werden.
War der Film einzigartig? Das kann gut sein.
War er eine Hommage? Das wissen nur die Macher selbst.
War mein Horizont zu beschränkt, weil ich ihn für himmelschreiende S******e halte? Gott sei Dank.
In diesem Sinne: 1x den Kopf mit Schmackes an die Schrankwand donnern ist genau so unangenehm, aber schneller überstanden.