„Game of Death“ genießt einen Sonderstatus unter den Martial Arts Klassikern und ist gleichwohl auch der umstrittenste Film von und mit Bruce Lee. Wie aus dem Rohmaterial einiger Szenen ohne vorhandenes Original-Drehbuch letztlich doch noch ein Spielfilm wurde, ist wohl eine der faszinierendsten Storys der Filmgeschichte und soll im folgenden Review veranschaulicht werden.
Eben dieser Film war ursprünglich als vierter Streifen in Zusammenarbeit mit Produzent Raymond Chow gedacht. Nach dem großen Erfolg von „Way of the Dragon“ begann Bruce mit der Ausarbeitung eines neuen Scripts, welches auch damals schon den Titel „Game of Death“ trug und bald einen bitteren Beigeschmack bekommen sollte. 1972 begannen die Dreharbeiten für einige Schlüsselszenen des Films, wurden aber kurz darauf unterbrochen als Lee ein Angebot vom amerikanischen Majorstudio Warner Brothers, für einen Hollywoodfilm namens „Enter the Dragon“ bekam. Bruce wollte GoD nach Abschluß der Dreharbeiten zu „Enter the Dragon“ fortsetzen, was bekanntlich durch seinen überraschenden Tod nie eintrat.
Keiner wusste was mit dem fertigen Material anzufangen sei, da Lees Script zum Film nicht aufzufinden war. Bruce wurde durch sein Ableben zu einer Legende, ein toter Popstar mit immer mehr Anhängern. Golden Harvest konnte das Material nicht in den Archiven verstauben lassen, denn Unmengen Profit konnten erwirtschaftet werden. In Folge wurde eines der kuriosesten Filmprojekte aller Zeiten Realität, welches schließlich auch eine Welle an Bruce Lee-Kopien mit schlechten Doubles in noch dämlicheren Filmen ins Rollen brachte.
Game of Death von Robert Clouse
Ohne das Originalscript von Lee war es unmöglich seine ursprüngliche Vision umzusetzen, also erdachte man sich kurzerhand eine neue Handlung, in welche die erhaltenen Originalszenen eingebettet wurden.
Billy Lo, ein aufstrebender Star in Hongkongs Filmindustrie wird von einem gefährlichen Verbrechersyndikat erpresst. Sie wollen Billy mit allen Mitteln für sich gewinnen, damit er bei einem großen Martial Arts Turnier antritt. Dieser weigert sich jedoch und wird Opfer zahlreicher Anschläge auf sein Leben. Nur knapp überlebt Billy einen Schuß ins Gesicht, wird aber offiziell für tot erklärt und beigesetzt. Ein Rachefeldzug gegen das Syndikat beginnt.
Für die Regie wurde Robert Clouse verpflichtet, welcher auch schon „Enter the Dragon“ inszenierte. Die Choreographie der Actionszenen übernahm Sammo Hung, der einige Jahre später als Darsteller an der Seite von Yuen Biao und Jackie Chan ebenfalls zum Star wurde. Die Darstellerriege wurde ebenfalls großartig besetzt, darunter Oscar Gewinner wie Gig Young und Dean Jagger.
Wieso der fertige Film trotzdem zur Katastrophe wurde, bei dem sich Bruce Lee wohl im Grabe drehen würde, bleibt ein großes Rätsel. Eines kann man jedoch festhalten, der Versuch um Bruce herum einen passablen Film zu konstruieren ist phänomenal gescheitert. Der Film ist eine echte Farce und über weite Strecken einfach stümperhaft zusammengeschustert. Es schmerzt mit ansehen zu müssen, mit welch billigen Tricks hier gearbeitet wurde. So wurden Pappgesichter von Bruce vor Doubles montiert, so schlecht dass jeder den Fake sofort erkennt. Bildmaterial aus früheren Filmen, insbesondere Close-Ups werden bei jeder sich bietenden Gelegenheit verwendet und zwischengeschnitten. Oft passen die verwendeten Bilder aber nicht zum neu gedrehten Material, z.B. weil die Hintergründe anders gestaltet sind und das stört gewaltig. Am gravierendsten fällt der miserable Bildschnitt beim verwendeten Original-Footage von „Game of Death“ auf. Hier passen die montierten Bilder aus neuem und altem Footage logisch oft nicht zusammen, eben weil die Hintergründe nicht miteinander harmonieren. Auch die Bruce Lee Doubles hinterlassen keinen positiven Eindruck und sind nicht mehr als schlechte Abziehbilder. Optisch hat man sich ja noch Mühe gegeben und sei es mit angeklebten Bart und Sonnenbrille. Was leider völlig fehlt ist die physische Präsenz und Ausstrahlung von Lee, die Kraft und Energie die in all seinen Moves steckt. Auch wenn einige Gesten und Techniken übernommen wurden, wirken alle Fights nachgespielt und seelenlos. Kein Vergleich zum Original also, mit der nötigen Hingabe wäre hier definitiv mehr drin gewesen zumal Leute wie Yuen Biao für einige Actionszenen eingesetzt wurden. Zudem fehlt die einzig wirklich gute Kampfszene im fertigen Film, nämlich der Glashaus-Fight zwischen Billy Lo und einem Kontrahenten, gespielt von Casanova Wong.
Regisseur Clouse kann mit seinem Regiestil zu keinen Zeitpunkt überzeugen, da muss man sich doch fragen wie so ein Mann es fertig brachte „Enter the Dragon“ zu realisieren. Die Handlung ist langweilig und völlig unspektakulär umgesetzt, mit den namenhaften Darstellern kann Clouse wenig anfangen denn sie agieren unter ihrem Niveau. Die Actionszenen sind absolut lahm und billig, selbst so Sachen wie Motorradverfolgungen wirken uninspiriert. Nur selten überzeugen die neuen Szenen des Films, wie z.B. einige schöne Ansichten von Hongkong. Auch die Auftritte bekannter Martial Artists wie Sammo Hung und Bob Wall machen den Film nicht besser, auf den Etikettenschwindel mit Chuck Norris, der nur in eingefügtem Material aus „Way of the Dragon“ zu sehen ist, will ich mal gar nicht eingehen.
Fakt ist jedenfalls das „Game of Death“ ohne das verwendete Originalmaterial mit dem echten Bruce Lee keinen Blick wert wäre. Diese Szenen bestehen aus Fightsequenzen mit Dan Inosanto, Chi Hon-Joi und Kareem Abdul-Jabbar und sind schlichtweg genial. Diese Momente gehören definitiv zu den besten Lee Kämpfen die man bewundern kann, leider finden sich im Film nur rund 15 Minuten des ursprünglich gedrehten Materials von 40 Minuten wieder. In der deutschen Fassung fehlt der Kampf mit Hapkido-Meister Chi Hon-Joi sogar völlig.
Fazit:
Der Film als Gesamtwerk ist schlichtweg enttäuschend und auch ein dreister Versuch aus dem Erbe einer Legende auf ziemlich billige Art und Weise Kapital zu schlagen. Davon abgesehen ist das Werk auch rein technisch und inhaltlich stümperhaft umgesetzt, bei so vielen renommierten Namen eine wahre Frechheit, daher auch nur 5/10 Punkten. Lee-Fans werden sich sicher ein eigenes Urteil bilden wollen, ansonsten reicht es völlig den Rohschnitt zu sehen.
Das Original-Material wird bei dieser Kritik ersteinmal nicht berücksichtigt und anschließend besprochen.
“Game of Death“ – die ursprüngliche Fassung
Im Folgenden möchte ich darauf eingehen wie der Film ausgesehen hätte wenn Bruce Lee nicht durch unglückliche Umstände ums Leben gekommen wäre.
Der ursprüngliche Plot war als Entführungsgeschichte angelegt. Bruce spielt Hai Tien, einen ungeschlagenen Kampfsportler der von einer koreanischen Verbrecherorganisation für einen Raub angeworben wird. Der Auftrag besteht darin einen Schatz aus dem obersten Geschoss eines buddhistischen Tempels zu entwenden. Hai Tien lehnt ab, erst als die Gangster Schwester und Bruder entführen willigt er ein. Zusammen mit weiteren Kämpfern kommt Tien auf die Insel um die fünfstöckige Pagode einzunehmen.
Bruce hatte „Game of Death“ so konzipiert das der Film die Philosophie des Jeet Kune Do, die von ihm entwickelten Kampfform, wiederspiegelt. Jeet Kune Do ist kein Stil im eigentlichen Sinne ist, sondern vielmehr die Fähigkeit frei zu sein von Prinzipien und sich anzupassen. Die verschiedenen Stockwerke sollten von sehr unterschiedlichen Kämpfern bewacht werden, leider konnten die Szenen zu den unteren beiden Geschossen nicht realisiert werden. Im untersten Stockwerk sollte der Vertreter eines Kick-Stils warten, im Nächsten ein Kämpfer der Wing Chun und Gottesanbeterinnen Kung Fu praktiziert. Bruce ist auch nicht allein unterwegs, sondern mit mehreren Mitstreitern. Darunter auch James Tien, welcher bereits mit Lee an „The Big Boss“ und „Fist of Fury“ arbeitete. Die Szenen zu den oberen Geschossen mit dem Escrima Meister gespielt von Dan Inosanto, dem Hapkido-Meister und schließlich Kareem Abdul Jabar als stilloser Kämpfer sind das einzige Footage was Lee vor seinem Tod umsetzen konnte. Jabars Rolle ist dabei die Wichtigste, den sein unbekannter Stil bzw. die Stillosigkeit spiegelt Lees Jeet Kune Do wieder.
Die erhaltenen 40 Minuten sind superbes Martial Arts Kino und gehören zu Lees besten Leistungen. Wer sich einen Eindruck verschaffen will wie der Film eigentlich aussehen sollte, dem empfehle ich die Doku „Der Weg eines Kämpfers“ von der deutschen „Enter the Dragon“ DVD oder gleich die HKL Premium-Edition. Bewertet man also nur die realisierten Aufnahmen mit Lee, vergebe ich gut und gerne 9/10 Punkten.